Am Donnerstagnachmittag gewann die Sonne nach nie enden wollenden Regenschauern auf dem Wacken Open Air dann doch einmal die Überhand. "Der Schlamm fängt tatsächlich an zu trocknen", beschreibt Alexander Odoj, der mit einer Gruppe aus dem Raum Arnstein ins Schleswig-Holsteinische Metal-Mekka gepilgert ist, die Situation vor Ort.
Es ist eine Ausnahmesituation, selbst für die Großveranstaltung, die für ihre Wetterkapriolen inklusive regelmäßiger Schlammschlachten durchaus berüchtigt ist. Nachdem Anfang der Woche bereits Meldungen von langen Staus und Verkehrschaos bei der Anreise die Runde machten, zogen die Veranstalter am Mittwochmorgen schließlich die Notbremse und verhängten einen vollständigen Einlassstopp.
Wacken-Veranstalter verhängen erstmals Einlassstopp – für den Arnsteiner nachvollziehbar
Ein Novum in der Geschichte des Festivals und eines, das besonders bei den circa 35.000 Fans für Ärger sorgte, die es bis dahin noch nicht auf den Platz geschafft hatten. Odoj, der mit seinen Freunden und Bekannten bereits Sonntagnacht angereist war und am Montagvormittag nach einigen Stunden Stau endlich von einem Traktor auf den Campingplatz gezogen wurde, kann diesen Schritt jedoch nachvollziehen: "Was bringt's dir 85.000 Leute hier zu haben, wenn du durch den ganzen Matsch eigentlich nur halb so viele Leute wirklich sicher beherbergen kannst?"
Dass nun deutlich weniger Menschen auf dem Festival unterwegs sind, sei dem 20-jährigen Arnsteiner deutlich aufgefallen, auch wenn er die Veranstaltung heuer zum ersten Mal besucht: "Der Campingplatz hat schon noch viele Lücken, wären die aber noch gefüllt, hätte ich noch ein bisschen mehr Angst." Trotzdem sich die Veranstalter nach Odojs Beobachtungen zwar bemühen, durch Präsenz und unterschiedliche Kommunikationskanäle ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, bleiben ihm dennoch Zweifel.
Campingplatz gleicht einer Schlammwüste, in der sogar Traktoren steckenbleiben
"Die Zustände sind schon brutal. Die Sanitärzelte, wo du morgens Zähne putzen oder duschen gehst, da versinkst du an manchen Stellen fast bis zum Knie im Schlamm! Das ist halt auch gefährlich, weil du ja morgens im Halbdunkeln noch nicht ganz fit bist und dann steckst du plötzlich im Matsch fest und weißt nicht, wie du rauskommen sollst." Auch die unablässig im Einsatz befindlichen Traktoren, die die Fahrzeuge der Gruppe am Montag auf den Campingplatz geschleppt hatten, bereiten ihm teilweise Unbehagen – auch im Hinblick darauf, inwieweit am kommenden Sonntag überhaupt eine Abreise möglich sein wird.
"Am Montag konnte man noch ein bisschen fahren, jetzt kommt hier kein Auto mehr durch. Gestern Abend hat sogar ein Audi gebrannt, als er versucht hat, rauszufahren. Ich mache mir wirklich Sorgen, weil mittlerweile bleiben sogar die großen Traktoren manchmal stecken oder drehen kurz durch. Wenn du so ein drei, vier Tonnen Ungetüm siehst, mit richtig grobstolligen Reifen und der bleibt stecken, da habe ich schon ein wenig Angst."
Auch Wacken-Veteranen zeigen sich überrascht: "So extrem wie noch nie"
Auch die Mitreisenden aus Odojs Gruppe seien von den Platzverhältnissen überrascht. Die Binsbacher und Gänheimer besuchten Wacken teilweise zum zehnten, elften Mal und hätten dort schon einiges erlebt. "Letztes Jahr war hier komplett Staubwüste und dieses Jahr ist halt komplett Matsch – sie haben gemeint, so extrem wie noch nie. Das matschigste Wacken aller Zeiten."
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz zeigt sich Wacken-Neuling Odoj von dem bisherigen Erlebnis begeistert: "Es fühlt sich schon geil an." Man komme mit völlig Fremden ganz unkompliziert ins Gespräch und trotz der Menschenmassen sei das Grundgefühl fast familiär. "Jeder guckt auf jeden und ich glaube, dass das dieses Jahr durch die ganze Matsch-Aktion nochmal verstärkt wird und die Leute nochmal ein bisschen mehr aufeinander aufpassen", schildert der gelernte Industriemechaniker seine Eindrücke.
Wacken-App fällt aus: "Man fühlt sich vom Veranstalter alleingelassen"
Auch die ersten Konzerteindrücke am Mittwochabend mit Auftritten der Broilers und "Queen of Metal" Doro Pesch, inklusive spektakulärer Drohnen-Show überzeugten den jungen Arnsteiner. Umso bedauerlicher ist es da, dass den Organisatoren am Freitagmorgen nun doch etwas die Kontrolle zu entgleiten scheint: "Die Wacken-App ist ausgefallen und man fühlt sich zurzeit ein wenig vom Veranstalter alleingelassen. Man kriegt keine Infos mehr zu irgendwas", schreibt Odoj – und für den Nachmittag hat sich einmal mehr Regen angekündigt.