
Vor über 20 Jahren fing alles an: Damals noch Garagen-Punkrocker, füllen die Broilers heute große Hallen. Am 29. November treten sie in Würzburg auf. Sänger und Gitarrist Sammy Amara über das jüngste Album, sein neues Leben als Berufsmusiker, die Verwurzelung in der Punk-Szene – und die Toten Hosen.
Sammy Amara: Irgendwie schon. Wir wollten etwas machen, was allen unseren Fans gefällt – und uns auch. Es hat uns ein bisschen überrascht, dass das Album so polarisiert.
Amara: Wir gewöhnen uns langsam ab, uns über all das aufzuregen. Die Leute haben ihre Meinung. Die Leute sollen meckern. Das ist ja auch gut. Wenn die Leute schimpfen, dann geht's ihnen gut. Das ist okay. Und es ist egal, was wir tun. Wenn wir jetzt eine Punkrock-Platte im Keller aufnehmen würden, dann würden andere Leute schimpfen. Man kann es nicht allen recht machen.
Amara: Natürlich. Generell ist es nervig. Das ist halt die deutsche Mentalität: Wenn man Erfolg hat, dann muss man sich schämen. Aber wir haben keinen Grund, uns zu schämen. Wir machen das seit 20 Jahren. Eigentlich können wir stolz auf uns sein.
Amara: Wir laufen schon ab und zu im Radio, aber verhältnismäßig selten. Ich glaube eher, das liegt auch daran, dass wir wenig Singles rausbringen, und vor allem noch weniger radiotaugliche Singles. Und umso größer die Radiosender, umso mehr arbeiten sie nach Erhebungen. Da gibt es dann Befragungen, wie ein Lied zu klingen hat zu welcher Tageszeit. Das ist total übel. Da fallen unsere Lieder nicht drunter. Aber scheißegal. Für uns ist es wichtiger, dass wir Lieder schreiben, die uns gefallen und auf die Platte passen, als dass sie im Radio laufen.
Amara: Die Zeit zwischen „Santa Muerte“ und „Noir“ war nicht immer nur golden, und ich habe einfach das, was mir da passiert ist, in die Texte geschrieben.
Amara: Kürzlich haben wir in der „Berliner Zitadelle“ gespielt, und das Flüchtlingsheim, in dem wir gedreht haben, ist ja in Berlin. Und da haben wir dann die Mädels und Jungs eingeladen und abends nach dem Konzert auch was zu Essen gemacht. Ich sag' mal so: Das ist schon unter die Haut gegangen. Ich hatte schon ein bisschen Pipi in den Augen. Es beeindruckt mich, wie stark und mutig die alle sind. Und es war gut, dass wir auch mal was geben konnten. Dass die Kids alle Spaß hatten – die haben sich so viel Cola reingezogen, die schlafen, glaub' ich, immer noch nicht. Ich denke, alle hatten echt 'nen schönen Tag, konnten mal ausbrechen.
Amara: Ja. Wäre schön, wenn das klappt. Es ist ja nicht immer alles nur toll. Alles, was wir erleben, ist politisch.
Amara: 2010 oder 2011, als wir mit „Santa Muerte“ begonnen haben, habe ich lange mit Vince gesprochen und ihn erst mal gefragt: Was macht ein Produzent denn eigentlich? Wir sind schon ziemliche Kontrollfreaks – und ich noch mehr. Ich will mir auf keinen Fall irgendwie reinreden lassen. Aber es wurde eine gute Zusammenarbeit. Und es ist immer gut, wenn jemand mal mit ein bisschen Abstand auf unsere Arbeit schaut.
Amara: Klar. Wir bezahlen ihn (Vincent Sorg, Anm. d. Red.) ja dafür. Wir bezahlen unser Management, wir bezahlen den Produzenten. Wir sind ja keine Boyband. (lacht)
Amara: Wir sind eigentlich schon 'ne Demokratie, manchmal eine gesteuerte Demokratie. Manchmal rede ich sehr lange – so lange, bis die Leute auch der Meinung sind, dass ich recht habe (lacht). Aber wie gesagt, wir würden nichts tun, was irgendjemandem komplett widerstrebt. Auf „Noir“ sind auch Lieder drauf – zwei, drei –, die ich überhaupt nicht gut finde.
Amara: Diese Version von „Der Rest und ich“, so wie's umgesetzt wurde, gefällt mir nicht gut.
Amara: Schuld ist ein junger Mann aus Frankfurt an der Oder. Der war an dem Tag da, als wir 'nen Namen gesucht haben. Und der sagte: Nennt euch doch Broilers. Und wir dachten: Geil! Machen wir. Dann sind wir in einen Copy-Shop, haben T-Shirts gemacht. Ich bin aber froh, dass wir nie weiter auf dem Hähnchenthema rumgeritten sind. Wir wollten tatsächlich mal ein Album „Brust und Koile“ nennen. Ich bin froh, dass wir das nicht gemacht haben.
Amara: Unser erstes T-Shirt-Motiv haben wir jetzt, anlässlich des 20-jährigen Bandbestehens, wieder aufleben lassen. Und unsere Wurzeln, die liegen immer noch im Punkrock. Punkrock war und ist immer noch extrem wichtig für uns. Denn über den Punkrock haben wir uns getraut, selber Musik zu machen. Wir waren nie Pink-Floyd-Fans, und wären auch katastrophal daran gescheitert, so zu spielen wie Pink Floyd. Auch die Skinheadszene, die traditionell antirassistische Skinheadszene, ist immer noch Teil von uns. Ich finde das geil, dass man so einen kleinen elitären Kreis hat, der vielleicht nach außen gefährlich wirkt, aber im Prinzip ganz friedlich ist. Man hält zusammen, tanzt zu Reggae.
Amara: Das Beste ist, dass ich eigentlich mehr oder weniger ohne Wecker leben kann, das ist toll. Ich hasse Wecker. Aber es wäre gar nicht anders möglich. Die Band braucht wirklich Zeit. Den ganzen Tag hat man was zu tun. Und auch wenn man keine Telefonate oder so führt, denkt man trotzdem die ganze Zeit darüber nach.
Amara: Ja. Es ist noch größer geworden. Die Leute um uns herum sind noch professioneller geworden. Das ganze Team ist noch viel mehr zusammengewachsen.
Amara: Die Toten Hosen waren eigentlich der Auslöser für alles. Die Musik hat mich von Anfang an umgehauen, diese Energie und Aggressivität. Wir haben uns dann komplett in die Punkrockszene verliebt. Der erste Kontakt kam über meinen Beruf als Grafikdesigner zustande. Ich hab einfach mal gesagt: „Hey, ich will T-Shirts für euch machen“ – und dann hab' ich T-Shirts für die Hosen gemacht. Und dann kam irgendwann raus: Hey, die finden unsere Lieder gut. Und das ist schön.
Amara: Ja, das auch. Mit Vom (Stephen George Ritchie, Schlagzeuger der Toten Hosen, Anm. d. Red.) hängen wir manchmal gut an der Flasche. Neulich waren wir zusammen in der Altstadt, in so einem Travestieclub und da hat sich ein „junge Dame“ mit uns unterhalten. Vom hat immer noch Angst, ob er ihren Appetit gestillt hat.
Amara: Ungut. (lacht) Ich kann auch so ein Pseudo-Chinesisch. Das ist auch lustig.
Amara: Nein. Das muss in der Band bleiben. Zu Eurem Schutz. (lacht)
Broilers in Würzburg
Die Broilers, benannt nach dem in der DDR gebräuchlichen Wort für Brathähnchen, sind eine fünfköpfige Düsseldorfer Punkrockband, deren Ursprünge bis ins Jahr 1992 zurückreichen. Sie verarbeiten verstärkt Einflüsse von Rockabilly und Ska. Mittlerweile füllt die Gruppe die großen deutschen Hallen, und „Noir“, ihr aktuelles Album, erreichte Platz eins der deutschen Charts.
In Würzburg (s.Oliver Arena) treten die Broilers am 29. November auf. Eintrittskarten unter Tel. (09 31) 60 01 60 00, im Internet unter: ticketservice.mainfranken@mainpost.de oder www.broilers.de