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Karlstadt
"Das erlebt man nicht alle Tage": So verlief die Schiffshavarie in Karlstadt aus Sicht der Einsatzkräfte
Feuerwehr, BRK, THW und Polizei: Was die Blaulichtorganisationen beim Rettungseinsatz an der "Amadeus Elegant" leisteten und welche Rolle der Katastrophenschutz spielte.
Waren bei der Schiffshavarie in Karlstadt am Wochenende im Einsatz: (von links) Andreas Schmitt, Andreas Büttner, Jacqueline Ratka, Niki Hofbauer, Michael Hombach und Andreas Laacke.
Foto: Anne Schmidhuber | Waren bei der Schiffshavarie in Karlstadt am Wochenende im Einsatz: (von links) Andreas Schmitt, Andreas Büttner, Jacqueline Ratka, Niki Hofbauer, Michael Hombach und Andreas Laacke.
Simon Hörnig
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Über 200 Einsatzkräfte von Feuerwehr, BRK, THW und Polizei waren in der Nacht auf Sonntag in Karlstadt im Einsatz, um ein havariertes Kreuzfahrtschiff mit 122 Passagieren zu evakuieren und zu sichern. Wie sie das Geschehen am Einsatzort erlebten und was den 12-Stunden-Einsatz besonders machte.

Andreas Büttner, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Karlstadt und erster Einsatzleiter

Feuerwehrkommandant Andreas Büttner (mitte) bei einer Lagebesprechung zum Großeinsatz in der Nacht zum Sonntag.
Foto: Benedict Rottmann | Feuerwehrkommandant Andreas Büttner (mitte) bei einer Lagebesprechung zum Großeinsatz in der Nacht zum Sonntag.

"Ein Feuerwehreinsatz ist grundsätzlich Improvisieren. Ich war der Erste, der auf dem Schiff war und da unten reingekommen ist. Ich habe dann die Passagiere erstmal aufs Oberdeck verlegt, weil unten tatsächlich schon das Wasser im Schiff gestanden hat. Die wichtigste Entscheidung war letzten Endes: Bleiben die Leute an Bord, oder nicht? Im Nachhinein kann man das breit diskutieren, aber in dem Moment, wo du siehst, dass unten das Wasser mit einem armdicken Strahl zum Schiff hereinschießt und das Schiff schon Schlagseite hat, denkst du nur, wie kriege ich jetzt die 122 Gäste, die teilweise an den Rollstuhl gebunden und alt und gebrechlich waren, in Sicherheit."

Andreas Schmitt, Kreisbrandinspektor und Örtlicher Einsatzleiter (ÖEL)

Kreisbrandinspektor Andreas Schmitt, koordinierte als Örtlicher Einsatzleiter das gesamte Einsatzgeschehen.
Foto: Benedict Rottmann | Kreisbrandinspektor Andreas Schmitt, koordinierte als Örtlicher Einsatzleiter das gesamte Einsatzgeschehen.

"Ich wurde um 1.19 Uhr von der Landrätin als Örtlicher Einsatzleiter mit Weisungsbefugnis über alle Hilfsorganisationen eingesetzt, das ist deshalb wichtig, weil ab einer bestimmten Einsatzgröße ein erhöhter Koordinierungsbedarf erforderlich ist. Bei mir und meinem eigens dafür ausgebildeten Stab laufen in dieser Position alle Informationen zusammen – unterstützt werden wir dabei von der Unterstützungsgruppe Örtlicher Einsatzleiter. Ziel des Stabs ist es, vor die Lage zu kommen, den Einsatz vorausplanen zu können und das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. In erster Linie war das hier natürlich das Wohl der Passagiere, aber auch die Sicherung des Schiffes und die Sachkosten des Einsatzes. Das Miteinander unter einer zentralen Führung gestaltete sich dann auch vorbildlich und verfolgte ein gemeinsames Ziel: die Zusammenarbeit zum Wohle aller."

Fred Büttner, Fachberater im Einsatzdienst des THW Karlstadt

Fred Büttner spricht von einem freundschaftlichen Miteinander und sehr guter Zusammenarbeit während des gesamten Einsatzes.
Foto: THW Karlstadt | Fred Büttner spricht von einem freundschaftlichen Miteinander und sehr guter Zusammenarbeit während des gesamten Einsatzes.

"Bei uns war zusätzlich zu dem kritischen Einsatz – hätten die von uns mitbetreuten Pumparbeiten den Wassereinbruch nicht unter Kontrolle gebracht, hätte das weitreichende Folgen für die Personen auf dem Schiff, die Umwelt und den Schifffahrtsverkehr gehabt – eine gewisse Anspannung vorhanden, da wir schon längere Zeit nicht mehr in einer so komplexen Lage mit vielen Hilfsorganisationen eingebunden waren. Die Kameraden haben uns aber sofort komplett in das Geschehen integriert.

Um das havarierte Kreuzfahrtschiff zu evakuieren und das Wasser abzupumpen, mussten Samstagnacht viele helfende Hände ineinander greifen.
Foto: Björn Kohlhepp | Um das havarierte Kreuzfahrtschiff zu evakuieren und das Wasser abzupumpen, mussten Samstagnacht viele helfende Hände ineinander greifen.

Beeindruckt hat uns die Art und Weise, wie die Passagiere und Besatzungsmitglieder mit der Situation umgegangen sind – hier gab es keine Kritik, Ungeduld und 'Gemecker' – unsere Hilfe wurde freundlich und dankbar angenommen. Schön, dass wir diesen Menschen helfen und größeren Schaden abwenden konnten."

Niki Hofbauer, organisatorischer Leiter des BRK-Kreisverbands Main-Spessart

Niki Hofbauer vom BRK kümmerte sich um Versorgung, Unterbringung und Verpflegung der Passagiere.
Foto: Nicole Hofbauer | Niki Hofbauer vom BRK kümmerte sich um Versorgung, Unterbringung und Verpflegung der Passagiere.

"Das Hauptproblem für uns war, dass es vonseiten des Veranstalters offenbar keinen richtigen Notfallplan gab. Von den Behörden wurde festgelegt, dass die Menschen von Bord mussten, aber wohin mit den 122 Passagieren plus 21 Angestellten? Die Turngemeinde hat uns schnell bestätigt, dass wir in ihrer Halle eine Unterkunft mit Feldbetten aufbauen durften. Für die Verpflegung haben wir in Absprache mit der Schiffsbesatzung und der Feuerwehr den Proviant tatsächlich aus dem Schiff geholt – wo hätten wir diese Menge sonst so schnell auftreiben sollen?

Die Passagiere waren völlig entspannt und zuvorkommend. Untersuchungen haben wir nicht vorgenommen, lediglich eine MS-Patientin haben wir mit der Trage von Bord transportiert, weil sie so schlecht gelaufen ist, das war die schnellste und einfachste Lösung. Rund 12 Stunden waren wir insgesamt im Einsatz. Das erlebt man nicht alle Tage."

Jacqueline Ratka, Leiterin der Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt Main-Spessart

Jacqueline Ratka gab mit ihren Kollegen kostenträchtige Maßnahmen frei, dokumentierte die Entwicklung der Lage und organisierte Decken, Kissen sowie die Hotelunterbringung der Passagiere.
Foto: Markus Rill | Jacqueline Ratka gab mit ihren Kollegen kostenträchtige Maßnahmen frei, dokumentierte die Entwicklung der Lage und organisierte Decken, Kissen sowie die Hotelunterbringung der Passagiere.

"Bei größeren Schadensereignissen oder bei koordinierungsbedürftigen Einsätzen wird das Landratsamt in der Funktion als Sicherheits- beziehungsweise Katastrophenschutzbehörde stets von den Einsatzkräften vor Ort informiert und eingebunden. Am Samstag bekamen wir deshalb gegen Mitternacht von den Einsatzführungskräften vor Ort Bescheid – Landrätin Sabine Sitter und das Team der Führungsgruppe Katastrophenschutz, die von mir geleitet wird. Wir haben uns beraten, die Lage in Abstimmung mit dem Einsatzführungsstab vor Ort eingestuft und Kreisbrandinspektor Andreas Schmitt als Örtlichen Einsatzleiter eingesetzt. Er hat die zahlreichen Einsatzkräfte vor Ort im Auftrag des Landratsamtes koordiniert.

Ich habe den Einsatz von 1 bis 7 Uhr in unseren Stabsräumen im Landratsamt und zeitweise auch an der Einsatzstelle zusammen mit zwei Mitarbeitern begleitet. Mit der Landrätin waren wir stets in Kontakt – sowohl nachts als auch im Laufe des Tages, bis der Einsatz erfolgreich beendet war. Als Katastrophenschutzbehörde sind wir auf so etwas vorbereitet, aber Routine ist es dennoch nicht – zum Glück kommen solche Ereignisse nicht allzu häufig vor. Das Zusammenspiel der Einsatzkräfte sowie der Behörden hat in dieser Ausnahmesituation super funktioniert. Was ich auch toll fand, war, dass am nächsten Tag nochmals viele Einsatzkräfte freiwillig kamen und die Leute dabei unterstützt haben, ihr Gepäck aus dem Schiff zu holen. Das zeigt für mich den starken Zusammenhalt und die große Hilfsbereitschaft im Landkreis."

Michael Hombach, Bürgermeister Karlstadts und als Feuerwehrmann im Einsatz

Bürgermeister Michael Hombach war als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Mühlbach an dem Rettungseinsatz beteiligt.
Foto: Günter Roth (Archiv) | Bürgermeister Michael Hombach war als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Mühlbach an dem Rettungseinsatz beteiligt.

"Ich war selbst als aktiver Feuerwehrmann dabei und natürlich in meiner Funktion als Bürgermeister und mir ist wichtig, noch einmal betonen, wie gut die Zusammenarbeit unter den Hilfs- und Rettungsorganisationen gelaufen ist. Die wenigsten werden darin Erfahrung haben, wie man 120 Menschen von einem Schiff herunterbringt, weil wir so eine Situation bei uns meines Wissens überhaupt noch nie hatten. 

Wie viele andere war ich bis zum Ende des Einsatzes 13 Stunden lang vor Ort, um den Kameradinnen und Kameraden meine Wertschätzung zu zeigen. Am Sonntag um 12 Uhr war ich dann auch müde (lacht). Was sich dabei auch gezeigt hat, ist, dass in Karlstadt die Netzwerke funktionieren. Die Turngemeinde hat ihre Halle sofort zur Verfügung gestellt, Altbürgermeister Karl-Heinz Keller hat auf meinen Anruf hin nachts um halb zwei das Fußballvereinsheim als Unterkunft für die 200 Helferinnen und Helfer aufgeschlossen – ein wirklich vorbildliches Miteinander aller Beteiligten."

Andreas Laacke, Polizeihauptkommissar und Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken

Polizeihauptkommissar Andreas Laacke war bei dem Einsatz für die Pressearbeit der Polizei zuständig.
Foto: Alexandra Kirch (Archiv) | Polizeihauptkommissar Andreas Laacke war bei dem Einsatz für die Pressearbeit der Polizei zuständig.

"Auch wenn das ein Rettungs- und kein Polizeieinsatz war, sind wir mit mehreren Streifen nach Karlstadt gefahren, weil anfänglich zu befürchten war, dass das Schiff sinkt und dadurch Menschenleben in Gefahr sind. Als sich aber abgezeichnet hat, dass dem nicht so war und die Feuerwehr das Abpumpen des einlaufenden Wassers gut im Griff hatte, haben wir uns sehr schnell wieder zurückgezogen. Geblieben sind nur die Kollegen von der Würzburger Wasserschutzpolizei, die auch die Ermittlungen zum Unfallhergang übernommen haben.

Das war definitiv kein alltäglicher Einsatz, und klar, die Herausforderungen sind bei 160 zu rettenden Personen durchaus anspruchsvoll. Daher ein großes Lob an die Rettungsdienste und die Feuerwehr, die das hervorragend gemacht haben."

 
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    Großes Lob und herzlichen Dank an alle Einsatzkräfte und die Passagiere für ihre Geduld. Schön mal wieder Positives zu lesen.
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  • S. K.
    zum Glück waren es keine deutschen Passagiere
    da würden jetzt schon die Schadenersatz Klagen laufen...
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  • F. H.
    Hut ab von so einer Einsatzleitung.
    Da sieht man wieder wie wichtig
    unter anderem das Ehrenamt ist.
    Macht weiter so.
    Ein sehr, sehr großes Dankeschön
    von einem ehemaligen Feuerwehrler.
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