Pünktlich um zehn Uhr fährt Thomas Stamm am Ruderclub vor. Sein Outfit: schlichte Lederjacke und feste Schuhe, schließlich soll es heute quer durch Marktheidenfeld gehen – und das zu Fuß. Aber wir wollen nicht nur laufen, sondern in erster Linie reden: Über die aktuellen Themen in der Stadt und über den Mensch hinter dem Bürgermeisterkandidaten Thomas Stamm.
Logisch, dass die Tour im Ruderclub startet: Seit 1994 ist Stamm Vorsitzender der Rudergesellschaft Marktheidenfeld, seit elf Jahren Präsident des Bayerischen Ruderverbands. 300 Mitglieder zählt der Marktheidenfelder Verein. 35 Boote liegen hier. Für Thomas Stamm ist das Gebäude an der Georg-Mayr-Straße wie sein zweites Wohnzimmer. "Oder gar mein erstes?", überlegt er laut, während er sich auf einen der Ruderergometer setzt und ein, zwei kräftige Züge macht.
Mit seiner Kandidatur fühle er sich ein bisschen wie damals, als er noch Rudertrainer war, erzählt er. "Ich geb' alles. Häng' mich rein." Keine Stadtratssitzung habe er verpasst. Alles genau beobachtet und versucht, nachzuvollziehen: Zum Beispiel, wie entsteht ein Stadthaushalt? Der große Unterschied zwischen dem Sport und der Politik? "Die Vielfalt der Themen", sagt Stamm. In der Stadtpolitik gehe es um Bildung, um Soziales, um die Wirtschaft. Und es sei viel Geld im Fluss. Der Vorteil gegenüber dem Sport: "In der Stadtpolitik hast du den direkten Zugriff auf die Mittelvergabe."
Stamm will den Menschen den Main näher bringen – von der neuen Brücke bis zum Felsenkeller
Vorne zu stehen ist für Thomas Stamm kein Problem. Dabei hat ihm auch die Verbandsarbeit geholfen. "Allerdings möchte ich gerne wissen, wovon ich rede." Jetzt schon große Reden zu schwingen findet er deswegen vermessen, eine klare Meinung hat er trotzdem. Zum Beispiel zum Mainufer, an dem wir mittlerweile zu Fuß entlang Richtung Mainkai gehen. "Momentan wird das Thema "Mainufer" sehr reduziert auf die Themen Mainkai-Parkplatz und Mehrgenerationen-Spielplatz", sagt er. Seine Intention: Den Main den Menschen näher zu bringen – von der neuen Brücke bis zum Felsenkeller. "Wir haben ein tolles Mainufer." Das gelte es zu gestalten. Auch einen Stadtstrand hält er nicht für abwegig. "Das wäre eine gute Ergänzung. Man muss schauen, wo passt so etwas hin?"
Wir sind am Mainkai-Parkplatz angekommen. Zu oder auflassen? Wie würde Thomas Stamm im Falle seiner Wahl entscheiden? "Im Moment würde ich den Parkplatz auflassen", sagt er. Er sehe derzeit keine absolute Notwendigkeit, zu schließen. Er würde den Verkehr kontrollieren und schauen: Wer genau fährt hier runter? Seiner Meinung nach brauche es für ganz Marktheidenfeld ein neues Verkehrskonzept – nicht nur für einen Bereich.
Ein paar hundert Meter weiter stehen wir an der Baustraße. Über sie rollt der meiste Verkehr, der runter zum Mainkai-Parkplatz will. Auch hier gehen die Meinungen auseinander: Ist die Straße notwendig, um die Altstadt vom Verkehr zu entlasten? Oder ist sie eine Gefahr für die Kinder des benachbarten Mehrgenerationen-Spielplatzes? Momentan plädiert Thomas Stamm dafür, die Straße aufzulassen. Eine echte Alternative wäre für ihn die ehemalige Idee der Mainufer-Gestaltungsgruppe, die Zufahrt entlang der "Schwarzen Allee", vom Mainufer gesehen links entlang des Spielplatzes, zu legen. Somit wäre die ganze Fläche, angefangen vom bestehenden Spielplatz bis hinter zum Jugendzentrum, frei beplanbar.
Welche Variante er beim Thema Erweiterung des Mehrgenerationen-Spielplatzes befürwortet? Hier ist sich Thomas Stamm unschlüssig. Die räumliche Entfernung zwischen Spielplatz und Spielplatz-Erweiterung kann gut sein – aber auch wieder nicht. Wenn er es jetzt entscheiden müsse, würde er sich für den Alternativ-Standort am Jugendzentrum aussprechen. Die Nähe sei allein von der Altersgruppe her passend und sinnvoll. Aber man müsse es prüfen, allein wegen der Anwohner.
Thomas Stamm: "Ich fühle mich als Hädefelder."
Eine davon, Monika Stamm, kennt er gut, denn sie ist Verwandtschaft. In unmittelbarer Nähe ist Thomas Stamm aufgewachsen. Vom Spielplatz aus zeigt er auf das Haus in der Lengfurter Straße. Später dann zog er in die Kreuzbergstraße. Erst der Liebe wegen wechselte der gebürtige Marktheidenfelder die Mainseite und zog nach Hafenlohr. Hier wohnt er in unmittelbarer Nähe zum Fluss. So gut wie nebenan: Seine Tochter mit dem zweijährigen Enkel Paul. "Ich fühle mich aber als Hädefelder", sagt er. Was auch an seinem Arbeitsplatz liegen könnte: Seit er 20 Jahre alt ist arbeitet Thomas Stamm im Finanzamt Marktheidenfeld. Das System Verwaltung sei ihm insofern nicht fremd. Thomas Stamm – ein Zahlenmensch? "Ein Pragmatiker", korrigiert er. Welche Stärken er sich zuschreibt? "Ich bin geduldig, kann gut zuhören, bin lösungsorientiert." Seine Schwächen? Vielleicht sei er manchmal etwas zu schnell. Er habe aber durch die Verbandsarbeit Geduld gelernt.
Mittlerweile steht der 58-Jährige in Blickweite zum Lermann-Areal. Es ist kurz nach zwölf Uhr mittags, wie auf Bestellung kommt Senior-Chef Helmut Viering aus dem Gebäude. Er kenne die Familie Viering und habe im Vorfeld der Kandidatur das Gespräch mit ihr gesucht, erzählt Thomas Stamm. Es sei ein sehr gutes Gespräch gewesen, über dessen Inhalte allerdings Stillschweigen vereinbart worden wäre. "Der Lermann fehlt den Leuten, das tut schon weh", beschreibt er seine Wahrnehmung. Dazu komme weiterer Leerstand. Seine Meinung: "Wenn man als Stadt die Möglichkeit bekommt, mitzugestalten, sollte man das nutzen." Ideen hat Thomas Stamm viele: "Wir könnten auf einem Areal mit innerstädtischen Wohnbebauung stehen. Wir könnten auf einer Grünfläche stehen. Das Areal ist groß. Es ist es wert, sich anzustrengen." Was hier genau entstehen könnte, wird sich zeigen: Kurz nach dem Termin wurde der Einstieg eines Investors bei Lermann publik. Bereits im Januar sollen Einzelheiten folgen.
Thomas Stamm: "Ich führe kein politisches Erbe weiter."
Die letzte Etappe führt in den Marktheidenfelder Ortsteil Altfeld – allerdings mit dem Auto. Als Reiseziel hat sich der Kandidat das neue Gewerbegebiet Söllershöhe ausgesucht. Noch eine versiegelte Fläche mehr? Braucht es das? Aus Sicht des Gewerbestandortes sei die Söllershöhe eine gute Entscheidung. Und mit dem Wohn-Baugebiet Märzfeld in unmittelbarer Nähe ideal ergänzt. Schließlich werde der Standort Marktheidenfeld dadurch attraktiv für junge Arbeitnehmer mit ihren Familien. Der Vorteil für die Stadt: Die Einkommenssteuer bleibt in der Stadt.
Nach knapp drei Stunden in und um Marktheidenfeld erreichen wir wieder das Bootshaus. Thomas Stamm zeigt seine Karte, die er in der Vorweihnachtszeit in der Bevölkerung verteilt hat. "Ich wäre gerne Ihr Bürgermeister" steht dort unter anderem. Und ein Verweis auf seine neu gestaltete Internetseite. Auch seinen Facebook-Account will Stamm reaktivieren. Fotos, Interviews, noch ist es keine Routine, bemerkt er selbst. Wie sehr ihn die politische Arbeit seines verstorbenen Bruders Manfred geprägt hat? "Ich führe kein politisches Erbe weiter", sagt er. "Er hat Politik gemacht und ich Sport." Das schwierigste für ihn als Politik-Neuling: "Ich habe gesagt, ich bin parteilos und will offen sein und es auch bleiben."