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Lohr
Bezirk klärt auf: So konnte Eugen S. aus der Forensik fliehen
Wie konnte sich ein Straftäter zweimal kurz hintereinander dem Maßregelvollzug entziehen? Während die Polizei noch nach Eugen S. sucht, klärt der Bezirk auf.
Erste gelungene Flucht aus der Forensik in Lohr       -  Erkennbar am hellen Dach im Vordergrund: Die 2007 fertiggestellte Forensik des Bezirkskrankenhauses Lohr. Der quadratische Drahtkasten rechts ist die Eingangspforte.
Foto: Johannes Ungemach | Erkennbar am hellen Dach im Vordergrund: Die 2007 fertiggestellte Forensik des Bezirkskrankenhauses Lohr. Der quadratische Drahtkasten rechts ist die Eingangspforte.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:29 Uhr

Wie konnte sich ein Straftäter zweimal kurz hintereinander dem Maßregelvollzug entziehen und aus der Forensik in Lohr flüchten? Während die Polizei noch nach Eugen S. sucht, klärt der Bezirk auf Anfrage der Redaktion jene Fragen, die sich derzeit viele stellen.

Die Forensik ist ein stark gesichertes Krankenhaus, in dem seelisch kranke oder süchtige, verurteilte Straftäter untergebracht und  therapiert werden.

Wie Markus Mauritz, Pressesprecher des Bezirks, erläuterte, war die Flucht von Eugen S. am Sonntag der erste gelungene Ausbruchversuch eines Patienten aus der neuen, 2007 fertiggestellten Forensik.

 

 

Die Situation Mitte Februar war eine ganz andere: Damals war Eugen S. unter Aufsicht mit Gartenarbeiten im frei zugänglichen Gelände des Bezirkskrankenhauses betraut worden und hatte sich schlichtweg unbemerkt abgesetzt. Freigänge, anfangs begleitet, zeitlich wie räumlich eingeschränkt, können als erste Lockerungsstufe zur Therapie der Patienten gehören, erläuterte Mauritz. Dass sich dabei jemand absetze, "komme immer wieder mal vor". Eugen S. war in Würzburg untergetaucht und Anfang März dort aufgespürt worden.

In Würzburg war er auch verurteilt worden: zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Nachstellung, wie Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen auf Anfrage ausführte. In die Forensik eingeliefert wurde er laut Mauritz Mitte 2018 und zwar nach Paragraf 64 des Unterbringungsgesetzes, was auf Drogen- oder Alkoholabhängigkeit hinweist. 

Flucht gelang mit Werkzeug und Helfern

Der tatsächliche Ausbruch am Sonntag war wesentlich spektakulärer. Denn dafür benötige S. zumindest ein Werkzeug für die speziellen Schrauben, mit denen die im Mauerwerk eingelassenen Spezialstäbe an den Fenstern gesichert sind. Wie er sich das Werkzeug besorgt hat und wo es nun ist, haben die Verantwortlichen noch nicht klären können. Um den Stab im Aufenthaltsraum zu entfernen, muss S. zudem "brachiale Gewalt" eingesetzt haben, so Mauritz. Schließlich wurde er bei seiner Flucht von zwei weiteren Patienten begleitet oder unterstützt.

Erste gelungene Flucht aus der Forensik in Lohr       -  Mit senkrechten Stäben aus Manganstahl gesichert sind die schmalen Fenster der Gebäude in der Forensik. Den Flüchtenden gelang es, einen dieser Stäbe zu entfernen.
Foto: Roland Pleier | Mit senkrechten Stäben aus Manganstahl gesichert sind die schmalen Fenster der Gebäude in der Forensik. Den Flüchtenden gelang es, einen dieser Stäbe zu entfernen.

Die drei sprangen laut Mauritz aus 3,50 Metern Höhe in den Hof. Einer habe sich dabei den Fuß verstaucht, so der Bezirkssprecher. Eugen S. schaffte es als einziger, den 5,20 Meter hohen Zaun an der Ecke zur Eingangspforte zu überwinden. Die betreffende Stelle ist - ebenso wie ein Mast in der Nähe - seit Montag mit zusätzlichem Stacheldraht gesichert. Seine Fluchtbegleiter wurden vom Personal festgehalten. Von S. fehlte bis Mittwochnachmittag noch jede Spur, so das Polizeipräsidium Unterfranken auf Nachfrage.

Erste gelungene Flucht aus der Forensik in Lohr       -  Der Stacheldraht am Eck der Eingangspforte markiert die Stelle, an der Eugen S. den Zaun überwand, womit ihm die Flucht aus der Forensik gelang. 
Foto: Roland Pleier | Der Stacheldraht am Eck der Eingangspforte markiert die Stelle, an der Eugen S. den Zaun überwand, womit ihm die Flucht aus der Forensik gelang. 

Deutlich mehr Patienten als geplant

Die neue Forensik in Lohr, in die der Freistaat insgesamt 20 Millionen Euro investierte, wurde 2007 fertiggestellt. Ausgelegt ist sie für 136 Patienten, tatsächlich untergebracht sind  derzeit 160. Betreut werden sie von insgesamt 198 Beschäftigten. Davon sind 105 Pflegekräfte und zehn Ärzte. Auch die zweite unterfränkische Forensik ist überbelegt: Geplant für 59 Betten, werden in Werneck 86 Patienten von 71 Beschäftigten betreut. Wobei die Zahl der Pflegekräfte sich nicht nach der Bettenzahl orientiert, wie Mauritz klarstellt, sondern nach jener der Partienten. Der erste Spatenstich solle im Herbst den Beginn der Bauarbeiten für die Erweiterung der Forensik in Werneck symbolisieren.

Anmerkung der Redaktion: Die Aussage, dass es sich um den ersten geglückten Ausbruchversuch handelt, bezog sich auf den Zeitraum seit 2007 - also auf jenes Jahr, in dem der Neubau fertiggestellt wurde. Dies wurde nachträglich im Text präzisiert.

 

Erste gelungene Flucht aus der Forensik in Lohr       -  Die Rupert-Mayer-Klinik für Forensische Psychiatrie (Forensik) des Bezirks Unterfranken am 13. Januar 2012.
Foto: Johannes Ungemach | Die Rupert-Mayer-Klinik für Forensische Psychiatrie (Forensik) des Bezirks Unterfranken am 13. Januar 2012.
 
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Kommentare
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  • J. S.
    Kleine Ursache, große Wirkung!
    Einfach nach der Installation der Gitter die Spezialschrauben "zuschweißen". "Spezialwerkzeugs" sind heutzutage keine Spezialwerkzeuge mehr. Das hat sich ja hier deutlich gezeigt. Konsequenz nachvollziehen und damit auch "punkten!"
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  • H. M.
    Ich denke nachdem der Kollege wieder aufgefunden wurde, sollte ihm eine 4-wöchige Kur im bayerischen Voralpenland genehmigt werden. Schließlich muss er sich dann erst mal von dem ganzen Stress rund um den einen Fluchtvorgang und das einmalige, unbemerkte Absetzen erholen....
    ...nur noch Kopfschütteln...
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  • T. B.
    Sehr geehrter Herr Mauritz, Sie erklären gerade dem Leser, welche Unzulänglichkeiten in in besagtem Bezirkskrankenhaus vorherrschen. Was wollen Sie uns eigentlich sagen? Dass die Verantwortlichen ihren Job nicht richtig ausführen oder nicht dazu befähigt sind? Oder dass generell Sicherheitsvorkehrungen missachtet werden? Oder dass Sie kein geeignetes Personal zur Verfügung haben? Gleich welchen Grund Sie anführen, es macht die Sache nicht besser, denn am Ende des Tages wird wieder ein gefährlicher Insasse die unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen zur Flucht nutzen. Es stellt sich die Frage, wann die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden, denn ein solches Verhalten ist nicht hinnehmbar, zumal es ja nicht zum ersten mal passiert.
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  • H. S.
    was da für ein Geld für solche Strolche ausgegeben wird...Wahnsinn! Ich schaff den ganzen Tag und wenn ich mal ein paar Tabletten brauche, zahle ich selbst...wo ist der Fehler?
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  • J. B.
    Personalmangel ist die Ursache, weiß das aus 1. Hand.
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  • A. F.
    Was bitte stimmt an diesem Bericht nicht!?

    Nämlich die Tatsache, dass der Bezirk aufklärt, wie Eugen S. aus der Forensik in Lohr fliehen konnte.

    Das hätte erst gar nicht passieren dürfen und schon gar nicht, weil Eugen S. erst vor kurzem schon einmal von dort geflohen ist.

    Deshalb ist dies ein Skandal allergrößten Ausmaßes!
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  • B. H.
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Welches konkrete Problem haben Sie mit dem Inhalt des Artikels?
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  • R. D.
    Soll das jetzt die Bevölkerung beruhigen?
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