"Leg auf!" - durch eine intensive Aufklärungskampagne will die Polizei in Unterfranken jetzt Senioren besser vor Callcenter-Betrug schützen. Allein im vergangenen Jahr hätten Telefonbetrüger, oft von der Türkei aus, etwa 2300 Mal in der Region nach Opfern gesucht, sagt Polizeisprecher Philipp Hümmer. Der Statistik nach hatten die Betrüger dabei an jedem dritten Tag Erfolg und einen Angerufenen um das Ersparte gebracht. Vielleicht sogar noch häufiger, sagt Hümmer. Die Dunkelziffer ist unklar, denn viele der Betrogenen schweigen aus Scham.
Zuerst Anruf der angeblichen Enkelin, dann von der "Polizei"
Ideale Opfer für die Telefonbetrüger sind gutgläubige und hilfsbereite alte Menschen. Wie zum Beispiel jene 88-jährige Würzburgerin, die im Oktober zunächst per Telefon einen Hilferuf erhalten hatte - angeblich von ihrer Enkelin. Zur Regulierung eines Unfallschadens brauche sie dringend mehrere zehntausend Euro, hatte die Anruferin gefleht. Die Seniorin versprach der angeblichen Enkelin, ihr zumindest einen Teil zu geben.
Kurz darauf klingelte das Telefon der 88-Jährigen erneut. Diesmal gab sich eine Anruferin als Polizeibeamtin aus, die die Seniorin vor einem versuchten Enkeltrick-Betrug "warnte". Die angebliche Polizistin sagte, die 88-Jährige solle versprochene Geld zum Schein übergeben, damit der Täter festgenommen werden könne.
Gutgläubig Geld übergeben
Also übergab die gutgläubige Würzburgerin noch am selben Nachmittag einem Boten am Wittelsbacher Platz mehrere tausend Euro. Weil sie keine Festnahme beobachten konnte und keinen weiteren Anruf der Kripo erhielt, ahnte die Seniorin: Sie war Opfer eines Betruges geworden. Sie wählte den Polizeinotruf. Besonders ärgerlich für sie sei gewesen, dass sie "noch am Morgen in der Zeitung von der Betrugsmasche gelesen" hatte, berichtet Polizeisprecher Hümmer.
"Die Polizei weist Sie niemals an, Geld oder Schmuck zu Hause zur Abholung bereit zu legen oder als Lockmittel zu deponieren!", warnt Hümmer. "Übergeben Sie keine Geldbeträge an Fremde!" Besonders tückisch für die Opfer sei, dass die Täter mit technischen Tricks falsche Telefonnummern anzeigen lassen können. Aber, sagt der Polizeisprecher: "Bei der echten Polizei erscheint niemals die 110 - auch nicht mit Vorwahl!"
Zur Aufklärungskampagne "Leg auf!“ gehören kleine, markante Warn-Aufkleber. Die ersten dieser „Post-its“ sind der Zeitung beigelegt, um auf diesem Weg möglichst viele Betroffene aufmerksam zu machen. Die Aufkleber können Senioren als Gedächtnisstütze auf ihr Telefon kleben, um bei einem Anruf der Gauner richtig zu reagieren: "Leg auf!"
Dazu verteilt die Polizei 100 000 Informationsblätter mit Tipps auf den Dienststellen in ganz Unterfranken, außerdem bei den Kriminalpolizeilichen Beratungsstellen in Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt sowie in Apotheken.
Callcenter in Osteuropa und der Türkei
"Die meisten Anrufe kommen aus Callcentern in der Türkei oder aus Osteuropa. Dort sitzen dann auch diejenigen, die die Fäden ziehen", sagt Philipp Hümmer. "Die Leute, die das Geld dann abholen, wissen oft gar nicht, dass sie etwas Verbotenes entgegennehmen." Dies würde Ermittlungen in solchen Fällen enorm erschweren.
Dem Bundeskriminalamt (BKA) zufolge gehen die Täter mittlerweile noch skrupelloser vor, um ihren Opfern noch den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen. Selbst wenn sie bereits als vermeintlicher Enkel oder falscher Polizist erfolgreich gewesen waren, würden sie von Opfern weitere Gebühren verlangen. In der Rolle eines angeblichen Staatsanwalts oder Richters würden sie behaupten, der Angerufene habe sich als Geldgeber strafbar gemacht, weil er in der Türkei eine Straftat finanziert habe. Schließlich meldet sich in besonders dreisten Fällen laut BKA noch ein vermeintlicher Anwalt, der helfen und den Fall in der Türkei vertreten will – natürlich ebenfalls gegen Bezahlung.
Detaillierte Tipps und Hilfe bekommen Senioren telefonisch bei den Beratungsstellen der unterfränkischen Polizei:
Aschaffenburg: Tel. 06021/857 -1830 und -1832
Würzburg: Tel. 0931/457 -1830 und -1831
Schweinfurt: Tel. 09721/202 -1835 und -1836