Sabine Preßer hört immer wieder den Satz: "Wir dachten, ihr seid in Schweden." Tatsächlich hatten sie und ihr Mann Jörg Finkbeiner die Auswanderung geplant. Ihren Laden "Pignon" in der Karlstadter Hauptstraße 61 – gegenüber vom ehemaligen Schuhhaus Gaul –, in dem sie Haushaltswaren verkauft, hatte Preßer am 1. April 2022 geschlossen. Doch seit fast einem Jahr ist er wieder offen.
Kurz nach der Schließung erkrankte Sabine Preßers Mutter. "Es war wie eine Fügung, dass ich mich um sie kümmern konnte." Nach deren Tod wurde die Ladeninhaberin selbst krank und musste das erst einmal in den Griff bekommen.
Häuser renovieren und verkaufen
Eigentlich wollte das Paar seine beiden Häuser verkaufen, eines in Rheinland-Pfalz und eines in Aschfeld. Außerdem hatten sie vor wenigen Jahren das ehemalige Schuhhaus Gaul in der Karlstadter Hauptstraße gekauft und wollten es vor dem Wegzug fertig sanieren. Der Plan war, in Schweden einen Hof zu kaufen, um dort mit Obst und Gemüse sowie Drogeriewaren und dem bisherigen Sortiment von "Pignon" zu handeln.
Doch die folgende Hochzinsphase und der Beginn des Ukraine-Kriegs machten diesen Plan zunichte. Die Nachfrage nach Immobilien brach massiv ein. Hinzu kamen eine Verzögerung bei der Baustelle in Karlstadt und die Verteuerung der Kosten für Baumaterial. Obendrein habe es keinen Cent von der Städtebauförderung gegeben, erklärt der Bauherr.
Sanierung in Karlstadter Hauptstraße dauert länger als geplant
Finkbeiner hatte mit fast 120.000 Euro für das städtebaulich exponierte Gebäude gerechnet und beklagt, das Vergabeverfahren sei intransparent. Immerhin gab es Förderungen vom Landesamt für Denkmalpflege, von der Landesstiftung und vom eigenen Förderprogramm der Stadt Karlstadt.
Dennoch muss nun aus Kostengründen vieles in Eigenleistung geschehen, was zuvor Firmen übernehmen sollten. Sogar den Außenputz hat der Bauherr selbst erstellt. All das verzögert das Vorhaben immens. Zumindest außen sind die oberen Geschosse fertig, das Gerüst ist seit Dezember 2023 weg.
Und wie steht es um "Pignon"? Sabine Preßer hat den Laden 2017 in der Maingasse gegründet und ist damit im Dezember 2019 in die Hauptstraße umgezogen. Dort sei er zunächst gut gelaufen. Aber dann kam Corona mit dem Lockdown. "Seitdem sind die Umsätze im Einzelhandel um 60 Prozent heruntergegangen." Das sei auch bei anderen Einzelhändlern in Karlstadt an den eingeschränkten Öffnungszeiten ersichtlich. Sie selbst öffne nur am Donnerstag und Freitag von 10 bis 18 und samstags von 10 bis 14 Uhr.
Tourismus hat sich seit Corona nicht erholt
Oft seien Gäste nach Karlstadt zum Essen gekommen und hätten hinterher noch ein bisschen gebummelt, ist Preßers Erfahrung. Doch mit Corona sei auch der Tourismus weggefallen und habe sich in den vergangenen zwei Jahren noch nicht wieder richtig erholt. Die Geschäftsfrau stellt auch ein weiteres Problem fest: "Der Fokus der Karlstadter Siedlungsbewohner liegt nicht in der Altstadt."
Sie hat daher Anfang 2023 einen Online-Shop eröffnet. Dort gibt es dasselbe Sortiment wie im Laden: Haushaltswaren, etwa Emaille-Geschirr, Besen mit Naturborsten, handgemachte Bioseifen, Schurwoll- und Leinendecken oder Duftkerzen.
Und Schweden? Das muss erst einmal warten, bis so viele Dinge geregelt sind.