zurück
Würzburg/Schweinfurt
Einzelhandel in Unterfranken fühlt sich von staatlicher Bürokratie ausgebremst
Corona ist vorbei, aber deshalb schwebt der unterfränkische Einzelhandel nun nicht auf Wolke sieben. Die Geschäftsleute haben jetzt andere Sorgen.
Einzelhändler wie der unterfränkische Verbandsvorsitzende Ralf Ludewig aus Bad Kissingen kritisieren, dass sie zu viel vom Staat auferlegte Bürokratie zu bewältigen haben.
Foto: Siegfried Farkas (Archivbild) | Einzelhändler wie der unterfränkische Verbandsvorsitzende Ralf Ludewig aus Bad Kissingen kritisieren, dass sie zu viel vom Staat auferlegte Bürokratie zu bewältigen haben.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:13 Uhr

Die wirtschaftliche Misere wegen der Corona-Pandemie ist vorbei, doch dem unterfränkischen Einzelhandel geht es deshalb nicht zwangsläufig wieder blendend. Das wurde bei der Jahresversammlung des regionalen Handelsverbandes (HBE) am Dienstag in Würzburg deutlich.

"Wir sind noch nicht auf dem Niveau vor Corona", sagte Axel Schöll mit Blick auf die wirtschaftliche Lage des Einzelhandels. Der Vize-Bezirksvorsitzende im HBE Unterfranken und Schweinfurter Schuhhändler will ausgemacht haben, dass die Händlerinnen und Händler wegen der allgemein gedämpften Wirtschaftslage derzeit zurückhaltend investieren. Die Stimmung sei verhalten.

Lebensmittel und Fahrräder: Einst hui, jetzt pfui

HBE-Bezirksvorsitzender Ralf Ludewig aus Bad Kissingen ergänzte, dass vor allem der Einzelhandel in den Bereichen Lebensmittel und Fahrräder nach Top-Geschäften rund um die Corona-Zeit nun wieder weniger Umsatz mache. Was die Geschäftsleute über alle Branchen hinweg in steigendem Maße plage, sei die vom Staat auferlegte Bürokratie.

Relativ neue Vorschriften wie das Verpackungsgesetz, das Geldwäsche-Gesetz, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder die sogenannte TSE-Pflicht bei Ladenkassen trügen dazu bei, dass die Händlerinnen und Händler immer mehr Arbeit parallel zu ihrem eigentlichen Job machen müssen. "Wir wollen Handel treiben, nicht Bürokraten sein", sagte Ludewig.

Kassenbons sind um die Hälfte länger

Die TSE-Pflicht soll Kassenvorgänge lückenlos machen und der Steuerhinterziehung vorbeugen. Über diese Vorschrift sei vor drei Jahren viel gejammert worden, meinte Ludewig. Doch nun sei in den Geschäften eine Art Resignation eingekehrt: "Jetzt macht man's halt." Dass die Kassenbons wegen der vielen neuen Vorgaben fast um die Hälfte länger geworden sind, sei aber nach wie vor nicht ökologisch.

Es entstehe schlicht und einfach viel Müll, ergänzte Schöll. Zu bedenken sei auch, dass es in großen Unternehmen eigene Abteilungen gebe für all diese bürokratischen Pflichten. Nicht aber in den kleinen Handelsgeschäften um die Ecke: "Da muss sich der Chef um alles kümmern." Der HBE hat dieses Thema in ein Positionspapier aufgenommen, das der bayerischen Staatsregierung zur Landtagswahl am 8. Oktober vorgelegt werden soll.

Wird es im Einzelhandel bald jeden Tag eine Siesta geben?

Um Umweltschutz ging es bei der HBE-Jahresversammlung ebenfalls. Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg hielt den Händlerinnen und Händlern vor Augen, dass Würzburg im Vergleich zu vielen anderen deutschen Städten besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen sein werde. In zwei bis drei Generationen würden am Main permanent Temperaturen herrschen wie jetzt in der italienischen Stadt Bologna.

Mit Folgen für den Einzelhandel: Es könne sein, so Paeth, dass die Geschäfte wegen der Hitze über Mittag ihre Öffnungszeiten ändern. Wie eben in Bologna: "Die machen dort jeden Tag eine Siesta." 

Ob das in Würzburg und Umgebung genau so kommen wird, bezweifelte HBE-Bezirksvorsitzender Ludewig. Allerdings seien Umweltschutz und Klimawandel schon jetzt ein großes Thema im Einzelhandel – auch wenn das die Kundschaft nicht immer gleich erkenne.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Schweinfurt
Bad Kissingen
Jürgen Haug-Peichl
Geschäftsleute
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Stadt Würzburg
Umsatz
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • dohpt
    ...wenn in den vergangenen Jahren nicht soviel Geld an der Steuer vorbei gewirtschaftet worden wäre, dann hätten wir die stgrengen Auflagen nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Familiemay
    Mehr Auflagen, Verordnungen, Gesetze.. mehr Bürokratie und weniger Zeit und Energie für den eigentlichen Beruf der einmal Berufung gewesen ist. Das treibt leider jede Branche um .
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jebusara@web.de
    In zwei bis drei Generationen .....

    Wieso das? Wir haben doch schon die letzte Generation!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • stahl01@t-online.de
    Wir reden viel über Nachhaltigkeit - vielleicht setzen jetzt dies einige der Kunden um. Mehr überlegen, brauch ich das oder eben nicht. Dann wird auch weniger gekauft. Für die Umwelt und den Geldbeutel.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1958kosb
    Die Länge des Kassenzettel ist bestimmt nicht schuld. Eher das magere Angebot in der Stadt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Mainkommentar
    Da kann der Handelsverbandes (HBE) und die Händler noch so jammern. Irgendwann ist nun mal jeder Kleiderschrank & Schuhschrank brechend voll. Die Haushaltsgeräte und Heimelektronik sind alle angeschafft. Da ist es dann auch egal ob die Sachen viel oder wenig Kosten. Oder denkt der Handel das die Leute sich eine zweite Waschmaschine, zweiten Wäschetrockner, zweiten Kühlschrank, zweiten und dritten Fernseher, die 50 Jeans, die 20. paar Schuhe usw. usw. kaufen. Wenn alles da ist muss auch nichts gekauft werden, weder bei Onlinehändlern noch in den Läden in der Stadt. Und selbst der allerdümmste müsste auch merken: wenn die Fahrräder in der Corona Krise sehr viel verkauft wurden, dann jetzt nicht mehr. Oder sollen die Leute jetzt ein zweit oder Drittrad kaufen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten