Die wirtschaftliche Misere wegen der Corona-Pandemie ist vorbei, doch dem unterfränkischen Einzelhandel geht es deshalb nicht zwangsläufig wieder blendend. Das wurde bei der Jahresversammlung des regionalen Handelsverbandes (HBE) am Dienstag in Würzburg deutlich.
"Wir sind noch nicht auf dem Niveau vor Corona", sagte Axel Schöll mit Blick auf die wirtschaftliche Lage des Einzelhandels. Der Vize-Bezirksvorsitzende im HBE Unterfranken und Schweinfurter Schuhhändler will ausgemacht haben, dass die Händlerinnen und Händler wegen der allgemein gedämpften Wirtschaftslage derzeit zurückhaltend investieren. Die Stimmung sei verhalten.
Lebensmittel und Fahrräder: Einst hui, jetzt pfui
HBE-Bezirksvorsitzender Ralf Ludewig aus Bad Kissingen ergänzte, dass vor allem der Einzelhandel in den Bereichen Lebensmittel und Fahrräder nach Top-Geschäften rund um die Corona-Zeit nun wieder weniger Umsatz mache. Was die Geschäftsleute über alle Branchen hinweg in steigendem Maße plage, sei die vom Staat auferlegte Bürokratie.
Relativ neue Vorschriften wie das Verpackungsgesetz, das Geldwäsche-Gesetz, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder die sogenannte TSE-Pflicht bei Ladenkassen trügen dazu bei, dass die Händlerinnen und Händler immer mehr Arbeit parallel zu ihrem eigentlichen Job machen müssen. "Wir wollen Handel treiben, nicht Bürokraten sein", sagte Ludewig.
Kassenbons sind um die Hälfte länger
Die TSE-Pflicht soll Kassenvorgänge lückenlos machen und der Steuerhinterziehung vorbeugen. Über diese Vorschrift sei vor drei Jahren viel gejammert worden, meinte Ludewig. Doch nun sei in den Geschäften eine Art Resignation eingekehrt: "Jetzt macht man's halt." Dass die Kassenbons wegen der vielen neuen Vorgaben fast um die Hälfte länger geworden sind, sei aber nach wie vor nicht ökologisch.
Es entstehe schlicht und einfach viel Müll, ergänzte Schöll. Zu bedenken sei auch, dass es in großen Unternehmen eigene Abteilungen gebe für all diese bürokratischen Pflichten. Nicht aber in den kleinen Handelsgeschäften um die Ecke: "Da muss sich der Chef um alles kümmern." Der HBE hat dieses Thema in ein Positionspapier aufgenommen, das der bayerischen Staatsregierung zur Landtagswahl am 8. Oktober vorgelegt werden soll.
Wird es im Einzelhandel bald jeden Tag eine Siesta geben?
Um Umweltschutz ging es bei der HBE-Jahresversammlung ebenfalls. Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg hielt den Händlerinnen und Händlern vor Augen, dass Würzburg im Vergleich zu vielen anderen deutschen Städten besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen sein werde. In zwei bis drei Generationen würden am Main permanent Temperaturen herrschen wie jetzt in der italienischen Stadt Bologna.
Mit Folgen für den Einzelhandel: Es könne sein, so Paeth, dass die Geschäfte wegen der Hitze über Mittag ihre Öffnungszeiten ändern. Wie eben in Bologna: "Die machen dort jeden Tag eine Siesta."
Ob das in Würzburg und Umgebung genau so kommen wird, bezweifelte HBE-Bezirksvorsitzender Ludewig. Allerdings seien Umweltschutz und Klimawandel schon jetzt ein großes Thema im Einzelhandel – auch wenn das die Kundschaft nicht immer gleich erkenne.
Wieso das? Wir haben doch schon die letzte Generation!