
Großmutter zu sein, ist keine Grundvoraussetzung. Gisela Kleinwechter und Elke Rittrich-Scheckenbach allerdings haben tatsächlich jeweils mehrere Enkelkinder. Die beiden sind somit durch ihren politischen Einsatz waschechte "Omas gegen Rechts" und haben die gleichnamige Bürgerinitiative inzwischen auch in Karlstadt etabliert. Seit März treffen sich die "Omas gegen Rechts Karlstadt" regelmäßig.
Die parteiunabhängigen Gruppierungen von betagteren – und vereinzelt auch jüngeren – Damen, treten auf internationaler Ebene in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol seit Ende 2017 in Erscheinung. Seitdem bilden sich nach und nach immer mehr lose Ortsgruppen, jüngst auch die erste in Main-Spessart. Laut Manifest macht sich die Initiative für demokratische Werte und Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Faschismus und Frauenfeindlichkeit stark.
Das Engagement in Karlstadt entstand durch den Einsatz von Gisela Kleinwechter. Die gebürtige Karlstadterin wollte gegen Rechtsextremismus in der Stadt vorgehen und nahm in diesem Zuge Kontakt zu den Omas gegen Rechts in Würzburg auf. Eine Mitstreiterin fand sie in Elke Rittrich-Scheckenbach, die in der dortigen Gruppe seit 2019 aktiv ist. "Wir beide haben das dann in Karlstadt initiiert. Außerdem gehören Heidi Wright und Laura Pinna zum harten Kern", erklärt Kleinwechter.
Kampf gegen Rechtsextreme im Fokus
Die Basis für den Zusammenschluss bildet das auch erst im März 2024 gegründete Frauennetzwerk Main-Spessart, dem inzwischen über 50 Frauen angehören. "Im Fokus steht der Kampf gegen Rechtsextreme", betont Rittrich-Scheckenbach. "Dabei sind wir breit aufgestellt. Es kommen Menschen aus fast allen politischen Richtungen zu uns – auch einige Anhänger der CSU", so die 67-Jährige.
Kleinwechter erzählt, sie habe das Thema Rechtsextremismus schon immer im Blick gehabt. Man erlebe dieser Tage immer mehr Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit. "Ich habe Kinder und Enkel und die haben auch Angst vor der Zukunft. Ich bin Rentnerin und habe die Zeit, mich einzusetzen", sagt sie. Rittrich-Scheckenbach macht besonders die vor wenigen Monaten von der AfD propagierte "Remigrationspolitik" stutzig. Die stehe zwar nicht im Parteiprogramm, werde aber immer wieder diskutiert. "Hier sehen wir, dass es in Richtung eines Gedankenguts geht, wie man es aus den 1930er Jahren kennt", mahnt sie.
Debatte mit persönlichem Bezug
Auch wenn die beiden die 30er-Jahre nicht miterlebten, gehören sie doch zur Nachkriegsgeneration, für die persönliche Erinnerungen und familiäre Gefühlswelten auch heute noch eine Rolle spielen. "Wir haben miterlebt, wie unsere Eltern unter der Nazizeit und dem Krieg selbst gelitten haben. Es gab sehr viel braunes Gedankengut, weshalb wir sensibel gegenüber dieser Strömungen sind, die sich auch aktuell wieder durch die Gesellschaft ziehen", so Rittrich-Scheckenbach.

Die von der politischen Rechten initiierte Debatte rund um die Rückkehr von Menschen in ihr Herkunftsland betrifft Gisela Kleinwechters Familie persönlich. Ihre Schwiegertochter ist Peruanerin und Ingenieurin der Forstwirtschaft. "Wenn hoch qualifizierte Menschen wie sie uns wegfallen, entstehen große Lücken auf unserem Arbeitsmarkt", ist sich die 72-Jährige sicher. Da helfe es auch nicht, wieder mehr Kinder zu kriegen, wie von AfD-Chef Tino Chrupalla gefordert. "Wir hätten eine zeitliche Diskrepanz von 20 Jahren, bis die Kinder herangewachsen sind", stellt Kleinwechter klar.
Frühere Rollenbilder aufbrechen
Wie der Name "Omas gegen Rechts Karlstadt" vermuten lässt, sind die Mitglieder bislang ausschließlich weiblich. Lediglich Kleinwechters Mann unterstützt zusätzlich. Rittrich-Scheckenbach erklärt, dass manche der Schwerpunkte, nur unter Frauen besprochen werden sollten, man aber beim Thema Patriarchalismus beispielsweise auch die Gedanken von Männern zwischen den Geschlechtern diskutieren sollte. Deshalb sehen die beiden die Initiative auch nicht als rein frauenspezifisches Netzwerk. "Wir haben auch schon Aufkleber, auf denen 'Opas gegen Rechts' steht", sagt sie.
Männer müssten auch in puncto Gleichstellung mit herangezogen werden. Kleinwechter: "Die Gleichstellung der Frau ist ein Arbeitsprozess zwischen Mann und Frau. Früher wurden wir in Rollen erzogen, ich selbst auch. Wir wollen Frauen motivieren, sich selbstständig zu machen und finanziell unabhängig zu werden".
Konkret wollen die Omas gegen Rechts Karlstadt ihren Einsatz nicht nur durch Aktionen auf dem Marktplatz zeigen, sondern zu den einzelnen Punkten ihres Manifests wie Rechtsextremismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit auch regelmäßige Vorträge anbieten. Kleinwechter ist dabei wichtig, in die einzelnen gesellschaftlichen Schichten hineinzugehen.
Rechtsradikale Entwicklungen präventiv abfangen
Auch wenn den Omas gegen Rechts offenbar bewusst ist, dass am Mainparkplatz immer wieder migrantenfeindliche Aufkleber oder Flyer verteilt werden, geht es ihnen nicht nur darum, anlassbezogen zu reagieren, sondern auch präventiv zu arbeiten. "Wir hatten hier vor Ort bisher noch keinen persönlichen Kontakt zu Anhängern der AfD und deren Argumenten. Die Gefahr zur Verbreitung besteht aber auch in Karlstadt und das wollen wir im Vorfeld abfangen", macht Kleinwechter deutlich.
Prävention ist für die "Omas" auch das Stichwort im Hinblick auf die anstehende Europawahl am 9. Juni. "Die AfD möchte Europa ganz anders aufstellen. Das sind bisher nur krude Gedanken, aber die sollten im Europaparlament keine Macht gewinnen", sind sich die beiden einig.