Eine stattliche Anzahl von Personen aus Karlstadt und Umgebung bestimmte mit nachdenklich stimmenden, aber auch provozierenden Reden die Kundgebung auf dem Marktplatz, die sich gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit richtete. Die eigentlichen Hauptpersonen waren jedoch nicht die auf der Bühne, sondern es waren die 1200 Menschen, die sich dazu auf dem Platz vor dem Rathaus versammelt hatten. Am Veranstaltungstag hatten die Vertreter der Polizei noch etwa 2000 Teilnehmer geschätzt, im Nachgang die Zahl jedoch nach unten korrigiert.
"Main-Spessart ist bunt" sollte die Botschaft sein – und aus allen Bereichen waren Menschen gekommen, um ein klares Zeichen zu setzen. Veranstaltet wurde die Kundgebung von einem Bündnis aus politischen Parteien und anderen Gruppierungen. Mehrere Vereine, Kirchen und Verbände hatten sich angeschlossen. Mit einer Vielzahl von Plakaten und Transparenten drückten die Menschen auf dem Platz ihre Ansichten aus.
Schweigeminute für die Opfer von Hanau und Nawalny
Als Veranstaltungsleiter trat Georg Schirmer auf, die Moderation lag bei Eberhard Schellenberger, der lange Jahre als Leiter des BR-Studios in Würzburg gewirkt hat. Er initiierte auch eine Schweigeminute für die zehn Opfer des Anschlags vor vier Jahren in Hanau und für den plötzlichen Tod des Putinkritikers Alexej Nawalny.
In seiner bemerkenswerten Rede sprach Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach nicht nur die Empörung über die jüngsten Entwicklungen aufseiten der rechten Szene an, die in Begriffen wie "Remigration" gipfelt, er forderte zudem eine aktive Haltung der Bevölkerung in allen Situationen an. Demonstrieren alleine genüge nicht, demokratische Überzeugungen müssten vielmehr ständig vorgelebt und eingefordert werden, indem man miteinander rede, den Hasserfüllten die Konsequenz ihres Handelns vor Augen führe. "Zuerst entstehen Gedanken, dann bilden sich Worte und daraus folgen Taten! Unsagbares muss wieder auf Entsetzen und Verachtung stoßen, um auch in Zukunft unsagbar zu bleiben!"
Sitter: "Hass und Hetze haben in unserem Landkreis keinen Platz"
Dekan Simon Mayer sprach für die kirchlichen Gemeinden im Landkreis. Er stellte den Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" in direkten Zusammenhang mit dem christlichen Menschenbild, das in seiner "Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen" nicht nach Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht unterscheidet. Vielfalt sei keine Gefahr, sondern ein unvorstellbarer Schatz und diesem gelte alle Toleranz, die allerdings an ihre Grenze gerät, wenn der Boden der freiheitlichen Demokratie verlassen werde. Reinigungs- und Vertreibungsphantasien müssten in klarer Weise widersprochen werden.
"Hass und Hetze haben in unserem Landkreis keinen Platz", sagte die Landrätin Sabine Sitter. Es sei aber nicht alleine die Aufgabe der Politik, die rechten Tendenzen in Schach zu halten, sondern hier sei die gesamte Gesellschaft gefordert. Es brauche Menschen, die sich einbringen. Ursächlich sah Sitter auch die zunehmenden Sorgen der Bevölkerung bezüglich Krieg, Umweltgefahren oder Flüchtlingssituation. "Und wer Sorge, ja Angst hat, möchte manchmal gern einfache Antworten und Lösungen", so die Landrätin. Aber simple Antworten seien oftmals nicht möglich.
Sportverein als Spiegel der Gesellschaft
Die Lohrer Schriftstellerin Krystyna Kuhn sprach mögliche Szenarien an, die bei rechtsextremer Politik Wirklichkeit werden könnten: Ihre Nichte ist Kenianerin, eine andere Nichte chronisch krank, Freunde sind homosexuell oder mit Israelis verheiratet – was geschieht mit denen? Erhalten politisch aktive Autoren Redeverbot? Obwohl in Main-Spessart noch kaum entsprechende Tendenzen zu bemerken seien, fürchtet Kuhn doch die schleichende Entwicklung.
Mut machte der Vorsitzende des TSV Karlstadt, Christoph Weißhaar. Der Verein sei als einer der größten des Landkreises auch kulturell ein Spiegel der Gesellschaft. Man achte strikt nicht nur auf sportliche Erfolge, sondern auch auf die menschlichen Werte wie Offenheit, Toleranz, Fairness und Solidarität. Diese Einschätzung wurde weitgehend von der 15-jährigen Keyla bestätigt, die sich im Karlstadter Verein gut aufgenommen fühlt und meint, die Türen stünden offen für alle.
Es habe allerdings auch schon einige wenige rassistische Aussagen von Einzelpersonen gegeben, schränkt Weißhaar ein. Das bestätigte auch der Abteilungsleiter für Handball, Henrik Jöst, in seinem Redebeitrag. Auch die Mitglieder der "Gruppe 53" sprachen in langen Statements teilweise streitbar die Probleme von Menschen mit ausländischen Wurzeln an. Die Gruppe entstand vor kurzem aus einem Freundeskreis aus Karlstadt und Umgebung. Musikalisch begleitet wurde das Programm von Georg Fath, Andreas Pfaff sowie von Hellen Schmitt und Christian Kitz.
Noch am Aschermittwoch hat der CSU Vorsitzende Markus Söder die grüne Umweltministerin mit Margot Honecker und die Grünenvorsitzende mit seinem Hund verglichen. Söder meint, Die Grünen fielen unter die Düngeverordnung. Ein vorläufiger Höhepunkt der CSU Hassreden.
Herr Hombach sagte auch, dass aus Worten leicht Taten werden können. Das ist wahr - und aus Söders Worten wären ja noch am Aschermittwoch in Biberach und in Schorndorf fast Taten geworden.
Solche Sprüche sagen sich leicht und klingen gut. Hr. Hombach sollte aber zuerst den Hasserfüllten in seiner Partei – der CSU – die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen führen.