Es sind nicht allzu viele Pendler, die vom Sinngrund aus in den frühen Morgenstunden den ersten Zug in Richtung Würzburg nehmen. Zwischen zehn und 15 Fährgäste sitzen darin laut Deutscher Bahn unter der Woche. Diese Verbindung ist nun zum Politikum geworden. Der Zug startet im hessischen Jossa um 4.54 Uhr, hält in den an der Bahnstrecke gelegenen Dörfern des Sinngrunds und fährt dann weiter über Gemünden nach Würzburg, wo er um 5.49 Uhr ankommt. Mit einem Fahrplanwechsel am 12. Dezember soll es diese Verbindung künftig jedoch nicht mehr geben – und die betroffenen Bahnkunden sind darüber alles andere als glücklich.
Mit dem Zug zu fahren, wird unattraktiver
"Es wird immer appelliert, man soll zugunsten der Umwelt auf den ÖPNV umsteigen und dann werden lauter Steine in den Weg gelegt. Das sind Widersprüche für mich", schimpft Stefanie Klabouch aus Obersinn. Sie nimmt den erwähnten Zug seit 20 Jahren, um gegen 6 Uhr ihren Arbeitsplatz in Würzburg zu erreichen.
Mit dem nächsten Zug komme sie eine halbe Stunde später an ihr Ziel. Oft dauere es aber sogar noch länger, weil sie bei dieser Verbindung am Bahnhof in Gemünden umsteigen müsse und ihren Anschlusszug dort regelmäßig nicht mehr rechtzeitig erwische. Bisher ist sie dieses Problem umgangen, indem sie die frühere Regionalbahn genommen hat, die direkt nach Würzburg fährt.
Zwar ist Stefanie Klabouch bei ihrer Arbeit recht flexibel und kann dort auch etwas später anfangen als bisher, sie kommt dadurch aber auch später wieder nach Hause. Für jemanden, der ohnehin täglich rund zwei Stunden unterwegs, ist das wenig erfreulich. "Man ist schon gestraft genug, dass man so eine lange Fahrt auf sich nimmt", sagt Klabouch. Und die Fahrplanänderung mache es noch unattraktiver, den Zug zu nehmen. Die Fahrt mit dem Auto sei für sie angesichts steigender Spritpreise aber auch keine Option.
Ein Appell an die Politik
Für Jürgen Greb aus Burgsinn, der ebenfalls mit dem ersten Zug nach Würzburg pendelt, ist das Auto auch keine Ausweichmöglichkeit: "Wir haben nur ein Fahrzeug und das benötigt meine Frau." Wenn er selbst das Auto nutzen würde, stünde es den ganzen Tag für den Rest der Familie nicht zur Verfügung. Es fahre aber auch kein passender Bus als Alternative. Einige Auszubildende, die noch gar keinen Führerschein haben, nähmen wie er den frühen Zug, berichtet Greb. Zudem gebe es ja auch Arbeitnehmer, die zu festen Zeiten anfangen müssen und sich nicht einfach in den nächsten Zug setzen können.
Greb hat sich mit seinem Ärger an örtliche Politiker gewandt. In einem Brief an Burgsinns Bürgermeister Robert Herold und den Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel (SPD) bat er diese, sich für den Erhalt des ersten Zuges ab Jossa einzusetzen: "Sonst sind wir hier, wie schon so oft, abgehängt und das Gegenteil einer vernünftigen Klimapolitik tritt ein. Die Leute müssen wieder vermehrt auf das Auto umsteigen oder haben massive Verschlechterungen zu ertragen."
Eisenbahngesellschaft: Zug ist sehr schwach nachgefragt
Wie Bernd Rützel mitteilt, habe er den Konzernbeauftragten der Deutschen Bahn AG für Bayern, Klaus-Dieter Josel, kontaktiert. "Ich bin selber erschrocken über die anstehenden Änderungen, die vielen Menschen die Nutzung der Bahn für ihren Arbeitsweg unmöglich macht", schrieb der Gemündener Abgeordnete und wollte von Josel wissen, was die Gründe für die Fahrplanänderung sind und was mögliche Lösungen sein könnten.
Auf Anfrage diese Redaktion verweist die Pressestelle der Deutschen Bahn auf eine Stellungnahme der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG). Darin heißt es, Hintergrund des Fahrplanwechsels sei "die Umsetzung eines neuen Fahrplankonzeptes bei der Mainfrankenbahn". Ziel sei es gewesen, "bestehende Angebotslücken" zu schließen und eine "bessere Erreichbarkeit" der Knotenbahnhöfe zu realisieren.
Dabei seien aber auch die Züge mit durchschnittlich weniger als 15 Reisenden in "extremen Tagesrandlagen" im ländlichen Raum überprüft worden, also auch solche, die durch den Sinngrund fahren. "Aus ökonomischer und ökologischer Sicht kann eine flexible Busbedienung gegen 5 Uhr am Morgen hier die angemessenere Lösung sein, als ein sehr schwach nachgefragter Zug mit über 150 Sitzplätzen", heißt es vonseiten der Eisenbahngesellschaft. Das Sinntal werde zusätzlich zu den Regionalbahnen der Linie 53 schließlich auch im Regionalbusverkehr bedient.
BEG nennt "begrenzte Finanzmittel" als Ursache
Die BEG weist darauf hin, dass sich das Zugangebot für den Sinngrund in anderen Bereichen künftig verbessere, zum Beispiel die Verbindung in das hessische Schlüchtern, von wo aus Reisende in Richtung Frankfurt am Main oder Fulda umsteigen können. Neu eingeführt werden zudem eine direkte Pendler-Zugverbindung gegen 6.30 Uhr aus dem Sinntal über Gemünden nach Würzburg und eine neue Abendverbindung ohne Umstieg von Schlüchtern (20.35 Uhr) nach Würzburg (22 Uhr). "Wir erwarten uns insbesondere bei der neuen Zugverbindung ab Jossa um 6.33 Uhr nach Würzburg eine deutlich höhere Kundennachfrage."
Die BEG bittet um Verständnis für die gestrichene Verbindung, da sie aufgrund der "begrenzt zur Verfügung stehenden Finanzmittel für die Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs" beim neuen Fahrplanangebot im Sinne "eines hohen Kundennutzens" abwägen musste, heißt es in der Stellungnahme. Die Eisenbahngesellschaft wolle die "Nachfrageentwicklung und die Kundenbedürfnisse" bei der Umsetzung des neuen Fahrplans aber im Auge behalten und bewerten.
Bürgermeisterin Zieres ist unzufrieden
Obersinns Bürgermeisterin Lioba Zieres zeigt sich verärgert über die Streichung der frühen Zugverbindung. Das sei "völlig unverständlich". Obersinn ist aus ihrer Sicht jetzt schon mangelhaft angebunden an den ÖPNV. Und durch den neuen Busfahrplan, der seit September gilt, ist die Marktgemeinde laut Zieres schlechter dran als zuvor. Der erste Bus der neuen Linie 643 in Richtung Gemünden fährt dort um 7.10 Uhr los. Dass die frühe Zugverbindung jetzt noch wegfalle, vergrößere das bestehende Problem. Die Bürgermeisterin ist unzufrieden: "Will man das Land abhängen?"
die ländliche Region ist der Regierung und der Bahn doch komplett "Latte".Ein erschwinglichen Jahresticket für Pendler gibt's obendrein nicht.
Sowas nannte man früher Schienenbus. Ähnliche (moderne) Fahrzeuge sind auch heute noch im Einsatz, siehe Erfurter Bahn...
Wie sagt man so schön, die sind scheinbar flexibel wie eine Eisenbahnschiene bei der BEG.