In der Pflege- und Auffangstation in Eichenfürst bei Glasofen bieten Walter Reinhart und seine Familie derzeit 20 Vögeln ein Zuhause. Seitdem er das Gelände 2011 gekauft hat, pflegt er mit seinem Sohn Sven und seiner Frau jährlich etwa 150 Tiere, hauptsächlich Falken und Adler. Aber auch verschiedene Amphibien, wie Eidechsen, Frösche oder Schlangen, tummeln sich zwischen Büschen und Reisighaufen auf dem 20.000 Quadratmeter großen Areal.
Er stecke viel Zeit und Geld in die Anlage und seine Projekte, erzählt Walter Reinhart. Etwa 90 Prozent der Kosten müsse er selbst decken. Finanzielle Unterstützung bekommt er von der Stadt Marktheidenfeld und der Naturschutzbehörde.
Falknerei: vom Hobby zum Beruf
"Die Natur und die Vögel begleiten mich schon mein ganzes Leben lang", erzählt der 60-Jährige. Bereits als Achtjähriger sei er schon mit auf die Jagd gegangen und habe Bücher zum Thema gelesen. "Mich hat es berührt, wenn ich gesehen habe, dass junge Greifvögel, zum Beispiel Turmfalken, aus ihrem Nest gefallen sind", so Reinhart.
Auffangstationen habe es seines Wissens nach noch nicht gegeben. Er habe damals schon den einen oder anderen Vogel gepflegt. Lange war die Falknerei ein Hobby, neben seinem Beruf als Goldschmied. Irgendwann habe er sich entscheiden müssen – Beruf oder Berufung? Entschieden hat er sich für die Natur und die Vögel.
Heute arbeitet Walter Reinhart neben der eigenen Auffangsstation auch in der Erlebnis-Falknerei Ronneburg (Hessen). Er hält Vorträge und bietet Flugvorführungen an. Dies sei während der Corona-Pandemie weniger geworden, erzählt er. Die freie Zeit nutze er, um ein Wirtschaftsgebäude auf seinem Gelände zu bauen. Im kommenden Jahr soll dort sein Projekt "grünes Klassenzimmer" starten, in dem er Kindern und Jugendlichen die Natur näher bringen möchte.
Greifvögel faszinieren Walter und Sven Reinhart
Sohn Sven Reinhart ist ebenfalls gelernter Falkner sowie Landschaftsgärtner. Er pflegt beispielsweise die Anlage oder baut die Volieren aus. Beide sind von der Intelligenz der Greifvögel fasziniert. "Ein Greifvogel merkt sich Dinge über Jahre und ist sehr schlau", erklärt Walter Reinhart.
Um einen Falknerschein machen zu können ist ein Jagdschein Voraussetzung. Vater und Sohn gehen oft zusammen auf die sogenannte Beizjagd, das ist die Jagd mit Greifvögeln. Dafür sei ein großes Vertrauen zwischen Falkner und Vogel notwendig , erzählen sie. "Es ist wichtig, dass der Vogel bei der Jagd belohnt wird, sonst jagt er schlechter", so Walter Reinhart.
Die Vögel kommen aus verschiedenen Gründen in die Pflege- und Auffangstation: zum Beispiel nach Unfällen im Straßenverkehr oder mit Windrädern oder nach Vergiftungen. „Gerade der Wanderfalke wurde früher oft vergiftet, was Folgen für die ganze Brut hatte“, sagt Walter Reinhart. Über Beutetiere hat der Wanderfalke zum Beispiel Pestizide zu sich genommen, die für einen dramatischen Bestandsrückgang bis zu den 1970er Jahren sorgte.
Bestand der meisten Vogelarten nimmt ab – mit Ausnahme des Wanderfalken
Die giftigen Stoffe seien weitestgehend vom Markt genommen worden, so Reinhart, und den Tieren konnte durch die Errichtung von Hortplätzen geholfen werden. Deshalb sei der Wanderfalke einer der wenigen Vögel, deren Bestand in den vergangenen Jahren zugenommen hat.
"Der Bestand der meisten Vogelarten nimmt ab." Als Beispiel nennt Reinhart den Baumfalken. Er jagt tagsüber bis in die Dämmerung hinein Insekten und kleine Vögel. Er brüte zwar im Wald, nutze aber ein Jagdgebiet, das immer mehr zugebaut würde.
Auch Müll ist ein großes Problem für die Vögel. Der Rotmilan baut sein Nest beispielsweise mit Plastikfetzen aus, die er in der Natur findet. Doch darin können sich die Jungen verheddern, so der 60-Jährige. Auch in Netzen oder Zäunen verfangen sich immer wieder Vögel. „Jetzt kommt der Fischadler zurück, manchmal macht er Zwischenrast hier. Mehrmals haben wir welche aufgenommen, die sich in Fischnetzen verfangen hatten. Es ist immer schön, wenn wir die Vögel dann wieder frei lassen können", erzählt Reinhart.
Nistkästen bieten den Vögeln einen Unterschlupf
Durch das Anbringen von Nistkästen helfen die Falkner den Vögeln. So auch der Schleiereule, die einen Großteil ihres natürlichen Lebensraums verloren hat, erklärt Reinhart. Für sie bringt das Team die Nisthilfen in Scheunen oder Kirchtürmen an. Für unterschiedliche Vögel gibt es unterschiedliche Nisthilfen. Diese sind besonders für die Brutzeit relevant, dienen aber auch als Unterschlupf für die Vögel – gerade für Falken, da sie selbst kein eigenes Nest bauen.
„Für uns sind es Glücksgefühle, wenn wir sehen, es ist wieder ein Nistkasten angenommen worden, vielleicht sogar von einer seltenen Art“, sagt Reinhart. „Das gibt uns den Anreiz weiter zu machen.“
Nicht alle verletzten Vögel können aufgenommen werden
Wenn der Falkner einen Anruf bekommt, dass ein hilfsbedürftiger Vogel gefunden wurde, klärt er zuerst wichtige Fragen: Wo wurde das Tier gefunden, was macht es gerade? „Man darf Vögel nicht einfach so mitnehmen. Auch keine Federn. Alle Teile von geschützten Arten sind genauso geschützt wie die Arten selbst“, erklärt Reinhart. Nicht immer könne er gemeldete Tiere aufnehmen.
Wenn zum Beispiel die Vogelgrippe in der Gegend ausgebrochen ist, nimmt er keine Tiere an, sonst würde er riskieren, dass sich die gesunden Vögel in der Auffangstation anstecken. Er verweise dann an das Veterinäramt.
Die Auffangstation arbeite mit verschiedenen Tierärzten zusammen, je nachdem, was das Tier braucht, erzählt der Falkner. Nach einer Erstversorgung und Untersuchung kommt der Vogel bei Bedarf dorthin. Unterstützung bekommen Reinhart und seine Familie außerdem vom benachbarten Bio-Bauern Andreas Fertig. Bei ihm dürfen sie auch Nistkästen aufhängen, so Reinhart.
Sind die Vögel wieder gesund, dürfen sie zurück in die Natur. "Wir lassen die Tiere dann wohlgenährt wieder frei, sodass sie auch mal ein paar Tage ohne Nahrung auskommen würden", erklärt Reinhart.