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Karlstadt
1978 nahm ein Karlstadter den bolivianischen Andenriesen in Angriff
Alfred Wiener wagte sich mit fünf anderen Bergsteigern in unerforschtes Gebiet. Es kam zu Erstbesteigungen. Später leitete er auch selbst Expeditionen.
Alfred Wiener mit einem Indio beim Anstieg zum Massiv des Hanco Uma in den bolivianischen Anden.
Foto: Walter Hufnagel | Alfred Wiener mit einem Indio beim Anstieg zum Massiv des Hanco Uma in den bolivianischen Anden.
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:52 Uhr

Auch heute noch sind die Informationen über das fast 6500 Meter hohe Bergmassiv des Hanco Uma in Bolivien spärlich. Wikipedia weiß darüber lediglich vier Zeilen zu schreiben. Eine weitere Fundstelle bietet der Text eines Trekking-Unternehmens. Dort wird die Ansicht des schneebedeckten Bergs aus der Ferne als "eindrucksvoll" und "imposant" angepriesen. Weitere Auskünfte? Fehlanzeige. Vor 44 Jahren hatte eine Expedition, an der der Karlstadter Architekt Alfred Wiener beteiligt war, den Gipfel genau dieses Andenriesen als Ziel. Die Informationen waren damals noch spärlicher. "Eine genaue Landkarte von dem Gebiet existierte nicht, unser Expeditionsleiter Walter Hufnagel hatte Luftbilder besorgt, so konnten wir uns eine gewisse Orientierung verschafften", erzählt Wiener.

Der heute 73-Jährige berichtet, wie er zu der Gruppe gekommen war: "1971 machte ich einen Kletterkurs, nachdem ich zuvor schon für mich geklettert war." Damals war er noch Student. Schon im Jahr darauf führte er selbst Kletterkurse für den Würzburger Alpenverein. Als der Forchheimer Walter Hufnagel Teilnehmer für die Unternehmung ausguckte, nahmen Wiener und sein Würzburger Bergsteigerkollege Fred Sahlmüller das Angebot gerne an. Mit dabei waren zwei weitere Forchheimer und ein Bad Schwalbacher Teilnehmer. Gesponsert wurde die Unternehmung vom Alpenverein Würzburg und vom Sportgeschäft Dillmaier.

Indios, die beim Tragen halfen, im Basislager.
Foto: Alfred Wiener | Indios, die beim Tragen halfen, im Basislager.

Im Herbst gilt das Wetter als relativ stabil

Am 8. Mai startete die "fränkische Andenexpedition" vom Frankfurter Flughafen nach La Paz, der knapp 4000 Meter hoch gelegenen Millionenstadt mit Boliviens Regierungssitz. Zu diesem Zeitpunkt war dort – südlich des Äquators – Herbst. Doch gilt in dieser Zeit das Wetter als relativ stabil. Per Lkw ging es mit umfangreicher Ausrüstung und Proviant 150 Kilometer nordwestlich am Titicaca-See zu einem Dorf um die Kupfermine des gebürtigen Österreichers Fritz Lackner. Den hatte der Expeditionsleiter bei früheren Erkundungen in diesem Gebiet kennengelernt. Er stattete die Mannschaft mit Indios, Mulis und Lamas für den Transport des Gepäcks aus.

Zur Anpassung an die Höhe unternahmen die Bergsteiger eine viertägige Tour, die bis auf 4850 Meter Höhe führte. Wiener berichtet von einer außergewöhnlichen Begegnung: Eine alte Indiofrau bedrohte die Gruppe mit einem Stein in der Faust. "Es ist bekannt, dass die Indios mit dieser Waffe sehr gut umgehen können." Einer aus der Gruppe habe genau richtig reagiert, mit seinem Messer eine Konservenbüchse geöffnet und ihr das darin enthaltene Fleisch hingehalten. "Da wurde uns klar, dass sie Hunger hatte und wir gaben ihr weiteren entbehrlichen Proviant." Später erfuhren die Expeditionsteilnehmer, dass die Frau im Tal der Ausgestoßenen lebte. Dort hausten wegen Mordes oder anderer schlimmer Taten Verurteilte.

Das Expeditionszelt im Hochlager.
Foto: Alfred Wiener | Das Expeditionszelt im Hochlager.

Gewaltige Türme aus Gletschereis

Nach der Akklimatisation begann der Aufstieg von der Mine zum ersten Basislager in 4500 Metern Höhe. Von dort aus begingen zwei Teilnehmer aus Forchheim eine 800 Meter hohe und bis zu 55 Grad steile Eisrinne, die sie die "Forchheimer Rinne" nannten. Die Expedition unternahm eine Orientierungstour auf drei Berggipfel, die dem Hanco Uma vorgelagert sind. Beim mit 5600 Metern höchsten Gipfel handelte es sich um eine Erstbesteigung. Die Teilnehmer gaben ihm den Namen "Pico Fritz Lackner".

Bis dahin ließ sich der helle, griffige Granit gut klettern. Jedoch stellte die Expedition fest, dass zwischen diesen Gipfeln und dem Hanco Uma sogenannte Séracs lagen, riesige Türme aus Gletschereis, die unvorhergesehen einstürzen können. Es wäre absurd riskant und mit den vorhandenen Mitteln undenkbar gewesen, den Weg da hindurch zu probieren. Um einen neuen Weg zum Gipfel zu finden, musste das Basislager verlegt werden.

Schroffe Formationen aus Eis und Schnee. Bei genauem Hinsehen kann man einen der Expeditionsteilnehmer beim Anstieg erkennen.
Foto: Alfred Wiener | Schroffe Formationen aus Eis und Schnee. Bei genauem Hinsehen kann man einen der Expeditionsteilnehmer beim Anstieg erkennen.

Einen Berggipfel "Pico Lackner" getauft

Endlich sollte der Hanco Uma in Angriff genommen werden. Über den Gletscherschutt einer endlosen Moräne ging es hoch auf 5500 Meter, wo die Gruppe ein Hochlager errichtete. In der Nacht mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt machte den Teilnehmern der Sauerstoffmangel zu schaffen. Schlafmittel sorgten für Abhilfe. Der Morgen brachte nicht den erwarteten Blick: Eine steile Eisflanke lag zwischen dem Lager und dem Hanco Uma. Ein Schneesturm tat sein Übriges. Es folgte die Umkehr .

Indio-Musiker unterwegs zu einem Fest.
Foto: Alfred Wiener | Indio-Musiker unterwegs zu einem Fest.

Kurz vor dem Ziel musste die Gruppe umkehren

Der endgültige Anlauf zum Hanco Uma folgte. Die diesmal gewählte Route über eine gewaltige Gletscherzunge, übersät mit dem gezackten "Büßereis", schien machbar. Das Ziel war greifbar nahe, als der bedenkliche Gesundheitszustand eines Teilnehmers und überdies ein Wettersturz zur Umkehr zwangen. Alfred Wiener: "Ich war damals dem Heulen nahe." Doch schon bald waren die Teilnehmer nicht mehr zerknirscht über diese vernünftige Entscheidung. Nach der Rückkehr ins Kupferminen-Dorf gab es dort einen herzlichen Empfang.

Ein weiteres Abenteuer schloss sich an: ein sechstägiger Marsch durch die "grüne Hölle". Ein Lastwagen brachte die Gruppe zur peruanischen Grenze. Auf einem schmalen Weg ging es durch den Urwald. Ständige Feuchtigkeit und die allgegenwärtigen Moskitos waren dort die Begleiter. Endlich erreichten die Expeditionsteilnehmer ihr Ziel, eine Missionsstation. Mit einem Flugzeug ging es die 200 Kilometer zurück nach La Paz und von dort nach Hause.

Weitere Expeditionen in die Anden und in den Himalaya

Es sollte nicht die einzige Expedition Alfred Wieners bleiben. 1980 waren erneut die Anden das Ziel, diesmal unter seiner Leitung. Wieder ging es in weitgehend unbekanntes Gebiet, die Cordillera Vilcanota in Peru und dort ins Tal des Rio Huiscachan. Vom 3800 Meter hoch gelegenen Basislager aus ging es über mehrere Hochlager auf fünf Gipfel mit mehr als 5000 Metern, von denen zwei wahrscheinlich Erstbesteigungen waren. Beim 5800 Meter hohen Nevado Iatubato war die Route über den Südgrat vermutlich die Erstbegehung.

1982 leitete Wiener eine Himalaya-Expedition, mit dem Ziel, den knapp 6500 Meter hohen Bartekunda zu besteigen. Teilnehmerin Barbara Heß sollte später seine Frau werden. Dort kam es aufgrund der mangelhaften Ausrüstung der Träger zu einer Zeitverzögerung. Zwar war es noch möglich, am 30 Kilometer langen Gangotrigletscher zum Fuß des Zielbergs vorzustoßen, zwei Hochlager einzurichten und bis auf 5900 Meter Höhe vorzudringen, doch eine Schlechtwetterperiode vereitelte den Gipfelsturm. Über eine Woche lang schneite und regnete es. Die Gruppe entschloss sich zum Rückzug.

 
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  • W. L.
    Indigene Bewohner = Indios aus der schönen fränkischen Provinz zwinkern
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  • P. H.
    Die Bezeichnung Indio ist diskrimnierend und wird, wie Zigeuner schon lange nicht mehr benutzt. Das könnte ja auch mal in der Redaktion Ihres Provinzblattes registriert werden. Grüße aus Mexiko!
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  • H. S.
    @anhuac...niemand aus Mexico muss uns sagen, wie wir was zu benennen haben, da gibt es in Mexico ganz andere Baustellen...Grüsse aus Germany
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