
Ein aktuelleres Thema, als die Energiewende, dürfte es derzeit kaum geben. Das dachte sich wohl auch der CSU-Ortsverband in Wiesentheid, der bei seinen traditionellen Neujahrsgesprächen dieses aufgriff und mit dem Bürgermeister der Gemeinde Großbardorf, Josef Demar, einen derzeit zum Thema Energien viel gefragten Mann eingeladen hatte. Der 1100 Einwohner-Ort aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld schaffte es in den vergangenen Monaten nicht nur bis in die Tagesschau, sondern in nahezu alle Medien. Der Grund: Der Ort hat sich in den vergangenen 20 Jahren energetisch nahezu autark gemacht, also unabhängig von Erdöl und Erdgas.
Der Wiesentheider CSU-Vorsitzende Matthias Lorey begrüßte die rund 50 Zuhörer im Evangelischen Gemeindezentrum und den Gast, der im Anschluss zum Thema "Unabhängig von Putins Gas" ausführte, wie das in Großbardorf vonstattenging. Dazu gab er manchen Rat, was eine Kommune derzeit im Punkt Energie tun könne.
Mit Demar kam ein recht launiger Referent, der noch vor einem Jahr nicht gedacht hätte, dass seiner Gemeinde ein derart großes Interesse eben wegen dem Thema Energie entgegen gebracht werde, wie er zugab. Seit 1996 ist er das Gemeindeoberhaupt von Großbardorf. Eingangs seines Vortrags schilderte er, wie die Situation in Rhön-Grabfeld Anfang der Neunziger Jahre, war. Nicht nur in seiner Gemeinde waren die Zukunftsaussichten alles andere als rosig gewesen, die Jugend sei abgewandert, die Wiedervereinigung Deutschlands sei ein Segen gewesen. "Wir haben mehr davon profitiert, als mancher Ort in den neuen Bundesländern", sagte Demar. Hinzu kam der Bau der Autobahn.
Mit einer Bürgersolaranlage fing 2005 alles an

Man habe gemerkt, "es bewegt sich was". Der Einstieg für die später folgende Entwicklung sei die Dorferneuerung gewesen, die 1989/90 startete. Das Thema Energieversorgung begann richtig 2005, als eine Bürgersolaranlage dort in Großbardorf in Betrieb ging. Demar habe das von Beginn an unterstützt, seine Forderung schon damals: Der Firmensitz bleibt in Großbardorf. Das sei "das A und O", erklärte der Redner. Rund 60 Bürger hätten das erforderliche Eigenkapital von einer Million Euro aufgebracht.
Großkonzerne allein werden die Energiewende nicht schaffen
Dank einiger kluger Köpfe vor Ort habe man die Idee ausgebaut. Es ging weiter, neben Strom wollte man auch Wärme produzieren, ein Nahwärmekonzept 2008 wurde erstellt, bei der die Gemeinde die Infrastruktur stellte. 120 Abnehmer habe man gefunden, der Anschluss habe 5000 Euro gekostet. Dazu sei mit der Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft der nächste Schritt gefolgt. Die von mehreren Landwirten gemeinsam betriebene Biogasanlage sei 2011 ans Netz gegangen. "Seitdem habe ich keine Gegenstimme mehr bei uns gehört gegen Biogas", sagte Demar. "Es ist ja unsere Wärme."
Inzwischen hätten sich auch größere Firmen angesiedelt, die ebenfalls mit Wärme versorgt werden konnten. Auch sie brauchten "keinen Tropfen Öl" mehr. Es folgte eine Windkraftanlage, drei Windräder drehen sich bei Großbardorf, an der die Bürgerinnen und Bürger ebenfalls beteiligt sind. Insgesamt 34 Millionen Euro, so Demar, habe man in den vergangenen zwölf Jahren in die Energie-Entwicklung in Großbardorf gesteckt, was längst nicht das Ende sein werde. "Ich bin mir sicher, da werden noch neue Projekte zum Laufen kommen." Entscheidend für Demar sei, dass man die Leute vor Ort mitnimmt. Er habe nichts gegen Großkonzerne als Investoren, "aber die alleine werde es nicht schaffen".
Wiesentheid ist bei der eigenen Energieversorgung erst am Anfang
Das Publikum zeigte sich beeindruckt vom Vortrag und wollte manches wissen. CSU-Gemeinderat Otto Hünnerkopf stellte die Situation Wiesentheids dar, wo eine Biogasanlage seit zehn Jahren das Gymnasium, sowie die angrenzende Wohnsiedlung mit Nahwärme versorgt. Zudem habe man vor einigen Jahren auf rund 40 Bauplätzen Erdsonden mit Sole-Wärmepumpen ausgewiesen. Dennoch meinte Hünnerkopf, dass man in Wiesentheid im Vergleich zu Großbardorf "erst am Anfang" sei.
Für die Gemeinde sei ein Bau von Biogas- und Windanlagen nicht möglich, er sehe in der Fotovoltaik Möglichkeiten. Dazu stellte Norbert Schneider kurz die Bürger-Energiegenossenschaft vor, die in Wiesentheid seit 13 Jahren besteht und etwa 60 Mitglieder hat.
Referent Josef Demar appellierte, dass die Erträge aus Energieanlagen in der Region bleiben müssten, bei den Bürgern und Kommunen. Manches mehr wurde diskutiert, Probleme aufgeworfen, die es zu lösen gelte. Die Landtagsabgeordnete Barbara Becker wies auf manche noch offenen Fragen hin. So sei es schwierig, den Bedarf an Strom in zehn Jahren zu berechnen. Auch die Frage der Stromtrassen gelte es zu klären.