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Kitzingen
Erstaunliches Phänomen: Warum drängt es immer mehr Gemeinden zum Anschluss an die Großkläranlage Kitzingen?
Fünf Nachbargemeinden leiten ihre Abwässer schon heute zur Großen Kreisstadt, sechs weitere könnten in nächster Zeit folgen. Steckt dahinter ein System, und wenn ja, welches?
Blick von einem der Faulbehälter über die Kitzinger Kläranlage: Das Werk am Main hat noch ausreichend Kapazität, um andere Gemeinden anzuschließen.
Foto: Lisa Marie Waschbusch | Blick von einem der Faulbehälter über die Kitzinger Kläranlage: Das Werk am Main hat noch ausreichend Kapazität, um andere Gemeinden anzuschließen.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:28 Uhr

Die Kitzinger Kläranlage ist mittlerweile wie ein großes Unternehmen mit vielen Teilhabern. Längst werden in dem Werk am Main Richtung Hohenfeld nicht nur die Hinterlassenschaften der rund 23.000 Kitzingerinnen und Kitzinger fachgerecht entsorgt und gereinigt, sondern auch die Abwässer aus Mainbernheim, Rödelsee, Buchbrunn, Sulzfeld und Marktsteft. Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg ist der Ansicht: Da geht noch mehr.

Und so wird die Kitzinger Kläranlage immer mehr zum Auffangbecken von Gemeinden, in denen die Not groß und das Budget knapp ist. Von "diversen Kandidaten, die das Wasserwirtschaftsamt gern schicken würde", berichtete Michael Schwarzer von der Abteilung Tiefbau im Kitzinger Rathaus jetzt dem Bauausschuss. Aber wie belastbar ist die Anlage überhaupt? Und wer könnte da alles noch kommen?

Wer regelmäßig zwischen Kitzingen und Großlangheim unterwegs ist, wird die Bagger bemerkt haben, die sich seit Monaten parallel zur Staatsstraße durch die Erde wühlen. Dort wird die Rohrleitung verlegt, die das Dorf von 2023 an mit der Kitzinger Kläranlage verbinden soll. Nach 45 Jahren hat das Großlangheimer Klärwerk am Ortsrand ausgedient. Da lag es nahe, Anschluss beim großen Nachbarn zu suchen. Obwohl gut 3,3 Millionen Euro teuer, ist die Lösung aus Großlangheimer Sicht immer noch günstiger als ein Neubau – und vom Staat gibt es obendrein eine halbe Million Euro Zuschuss. Das merken auch die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Geldbeutel. Bis Anfang Dezember soll der oberhalb der Rohrtrasse verlaufende Radweg wiederhergestellt und nutzbar sein.

In Wiesenbronn wurde ein Neubau der Kläranlage abgelehnt

Auch in Wiesenbronn hat man hin und her gerechnet. Eine Sanierung der maroden Kläranlage kann sich die Gemeinde ebenso leisten wie einen eigenen Neubau. Nur der Bau eines gemeinsamen Klärwerks mit dem Nachbarn Castell wurde vom Wasserwirtschaftsamt abgelehnt. Also kam man auch hier zu dem Ergebnis, in Kitzingen nachzufragen. Der Anschluss wird wohl Ende 2025 hergestellt sein. Sowohl in Wiesenbronn als auch in Großlangheim wird es eigene Messstationen geben, um Differenzen aus dem Weg zu gehen, wie es sie vor geraumer Zeit offenbar mit Sulzfeld gab. Dort, so hieß es jetzt im Bauausschuss, seien immer wieder Messwerte angezweifelt und "nicht akzeptiert" worden.

Sicher ist, dass auch Michelfeld künftig seine Abwässer nach Kitzingen leiten wird, da bereits Marktsteft Anschluss dorthin hat. Die 1980 errichtete Pflanzenkläranlage in dem Marktstefter Stadtteil entspricht schon länger nicht mehr heutigen Standards; die Betriebserlaubnis ist eigentlich Ende 2020 erloschen. Wie viel Luft nach oben dem Kitzinger Klärwerk danach noch bleiben wird, hängt auch von einer möglichen Erweiterung ab. Das Thema gilt als heikel, weil eine Expansion ins Überschwemmungsgebiet des Mains fallen würde und das Wasserwirtschaftsamt diese Lösung kritisch sieht.

In Mainstockheim stimmt das Amt gegen ein kleines Baugebiet

Anfragen nach einem Anschluss liegen nach Angaben von Tiefbau-Experte Schwarzer derzeit aus mindestens drei weiteren Orten vor. In Mainstockheim ist die 50 Jahre alte Kläranlage so marode, dass das Wasserwirtschaftsamt seit Langem Druck macht und einen Weiterbetrieb über 2025 kaum genehmigen wird. Weil die Gemeinde bislang nicht erklärt hat, wie sie das Problem lösen will, hat das Amt voriges Jahr sogar seine Zustimmung zur Erschließung von 4000 Quadratmeter Baugrund am Ortsrand verweigert.

Kleine Kläranlagen wie hier in Abtswind gehören vielerorts der Vergangenheit an. Sie sind kaum noch wirtschaftlich.
Foto: Andreas Stöckinger | Kleine Kläranlagen wie hier in Abtswind gehören vielerorts der Vergangenheit an. Sie sind kaum noch wirtschaftlich.

Handlungsbedarf spüren auch Willanzheim und Seinsheim; dort laufen die Betriebsgenehmigungen der Kläranlagen in den kommenden Jahren aus, in Seinsheim bereits 2023. Beide Gemeinden haben Anfragen nach Kitzingen geschickt, allerdings empfiehlt das Wasserwirtschaftsamt in diesem Fall eine Gemeinschaftskläranlage am Breitbach. Eine Studie wird der Frage nachgehen, welche Lösung wirtschaftlicher ist.

Der Trend geht zur Groß- oder Gemeinschaftskläranlage

Kleine Klärwerke wie in Großlangheim, Wiesenbronn oder Abtswind (dort hat man sich für den Anschluss an Wiesentheid ausgesprochen) verschwinden; der Trend geht zur Groß- oder Gemeinschaftskläranlage: Für Mainstockheims Bürgermeister Karl-Dieter Fuchs steckt dahinter ein System, wie er vor einem Jahr bei der Debatte im Gemeinderat sagte. Für die Gemeinden ist ein Zweckverband mit anderen oft günstiger, die Risiken sind eher kalkulierbar als mit einer eigenen Anlage.

In Kitzingen sieht man die Sache jedenfalls gelassen. Jeder ist – bis zu einer gewissen Grenze – willkommen, denn klar ist: Je besser die Kläranlage ausgelastet ist und je mehr Teilnehmer es gibt, umso geringer werden die Betriebskosten, die von der Stadt zu tragen sind. Für Betriebsleiter Jürgen Orth ergeben sich Kapazitätsprobleme weniger aus der angelieferten Schmutzfracht der Abwässer als vielmehr durch die schiere Wassermenge, die es zu bewältigen gilt, etwa zur Hochphase der Weinlese. Bedenken, dass Kitzingen bei einer möglichen Ansiedlung größerer Industriebetriebe an ihre Grenzen stoßen könnte, zerstreute OB Stefan Güntner. Die Stadt habe noch einen ausreichend großen Puffer.

 
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Kommentare
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  • R. H.
    Zur Ergänzung meines Beitrages noch (ist aber ein eigenständiges Thema):

    Übrigens: wie wäre es da mal mit einem neuen Abwasserkonzept, wenn das Thema Klärwerk aktuell auf der Tagesordnung steht.

    Es gäbe durch aus Sinn, das gereinigte Abwasser nach der biologischen Reinigung (also nach dem Nachklärbecken) nicht dem Main zuzuführen, sondern für die Landwirtschaft zu speichern?
    He jammernde Winzer schon mal darüber nachgedacht?
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  • E. H.
    wird doch schon lange in Pilotprojekten eruiert
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  • R. H.
    @lehmabatzen;

    Daumen hoch fürs eruieren!

    zwei Hände hoch (also 2 Daumen und 8 Finger) wenn in KT umgesetzt grinsen
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  • R. H.
    Marktsteft ist für jedem Dreck des Landkreises gut genug, wenn es aber um einen Kreisel an der Staatsstraße geht gibt es für Marktsteft nichts.

    Ja wir brauchen hochwertige Klärwerke und nicht jede kleine Kommune kann dies künftig stemmen.
    Ja Marktsteft profitiert mit Michelfeld von der Kläranlage!
    Aber Marktsteft hat auch die Hauptlast beim Geruch des Klärwerkes und trägt das Hauptrisiko bei einem Extrem-Hochwasser (HQExtrem), wenn das Klärwerk überschwemmt würde.

    Mainaufwärts vor den Toren Marktsteft das Klärwerk, Mainabwärts an der Ortsgrenze das Giftlager des Kieswerkes und in den Kiesgruben die Feuerwerke der Gewerbetreibenden des Landkreises. Alles vor den Toren vor Marktsteft - die Steuer den Anderen und den Dreck nach Marktsteft!

    Wenn für den Kreisel an der Staatsstraße dann wenigstens auch Unterstützung für Marktsteft da wäre!
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