
Wenn Natalia Svet über Volkach spricht, hört es sich an, als hätte der Tourismuschef sie fürs Marketing engagiert. Sie schwärmt von der Schönheit der Landschaft rund um die Mainschleife, von den "netten und hilfsbereiten Menschen" – und von Bacchus, Scheurebe und Schäufele mit Knödeln. Viele weitere Städte hat sie schon in Deutschland besucht und ist überzeugt: "Es ist so ein tolles Land!"
Dabei ist die Mutter einer Tochter nicht hier, um Urlaub zu machen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, an die Moldau angrenzt, war der Auslöser, dass Natalia Svet ihre Heimat verlassen hat. Gleichzeitig betont sie beim ersten Treffen am Rand des Begegnungscafés im Volkacher Pfarrheim: "Ich bin kein Flüchtling wie die anderen."
Die Vorgeschichte unterscheidet sie von anderen Geflüchteten
Was ihr Schicksal so sehr von anderen Geflüchteten unterscheidet, ist allerdings nicht ihr Herkunftsland, sondern ihre Vorgeschichte. Natalia Svet landete 2022 nicht zufällig in Volkach, für sie kam gar keine andere Stadt oder Region infrage. Denn vor 20 Jahren arbeitete sie hier bei der deutschen Familie Wurlitzer als Au-pair, passte ein gutes Jahr lang auf die beiden Söhne Jan (5) und Tim (8) auf. Heute weiß die Moldauerin: "Damals habe ich mich in Volkach verliebt."

Vor 20 Jahren war es eine ungewöhnliche Option, ein Kindermädchen aus dem Ausland bei sich aufzunehmen. Für die arbeitende Mutter Silke Wurlitzer zeigte es sich als gute Lösung angesichts knapper Zeiten bei der Kinderbetreuung und weit weg wohnender Großeltern. Natalia Svet war das zweite Au-pair der Familie – "und das Beste", betont die frühere Arbeitgeberin mit einem Lachen.
Deutsche Sprache von Anfang an schon gut beherrscht
Bei dem gemeinsamen Treffen strahlen die beiden Frauen, als sie davon erzählen. Rückblickend sagt Silke Wurlitzer über die Zeit mit der Moldauerin im Familienleben: "Das hat nicht nur gepasst, das war richtig schön." Erleichtert habe natürlich, dass die 24-Jährige von Anfang an die deutsche Sprache schon gut beherrschte.

Für die junge Frau war die Rückkehr in die Heimat nicht leicht, "irgendwas fehlte mir". Und doch ging das Leben der beiden Frauen rund 1400 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt seinen Gang: Natalia Svet heiratete und wurde selbst Mutter; Silke Wurlitzer stieg bei Kräuter Mix in Abtswind auf, wo sie heute kaufmännische Geschäftsführerin ist.
Regelmäßiger Kontakt und Besuche in Deutschland
Der Kontakt riss jedoch nie ab. Beide Seiten pflegten die Beziehung, auch wenn Natalia Svet nur alle paar Jahre Deutschland besuchte. Wie im Zeitraffer sah sie die Brüder Jan und Tim groß werden.
In ihre Mails habe Silke Wurlitzer immer geschrieben: "Wenn Du etwas brauchst, meldest Du Dich." Und bei Kriegsanfang im Februar 2022 fragte sie sofort: "Was können wir tun?" Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt zur Jobsuche zog Natalia Svet schließlich im Juni 2022 mit ihrer Tochter Olivia nach Volkach. Ihr Mann blieb in der Heimat zurück.

Silke Wurlitzer hatte der Moldauerin wegen des mangelhaften öffentlichen Nahverkehrs sogar davon abgeraten, doch für sie kam nur dieses Städtchen infrage. Selbstverständlich für Natalia Svet war dabei von Beginn an, sich gut integrieren zu wollen. "Die arme Olivia musste am Anfang in jede deutschsprachige Veranstaltung", sagt Silke Wurlitzer lachend.
Bescheiden und dankbar arbeitet sie sich nach oben
Doch genau diese Einstellung trägt Früchte, auch wenn Natalia Svet sich im Gespräch den Erfolg nie selbst zuschreibt. Sie zählt auf, bei wem sie sich in Volkach für die Unterstützung bedanken möchte. Und als die Rede ist von ihrem Aufstieg zum "Business & Market Analyst" bei Belectric in Kolitzheim, lobt sie sofort: "Das Team hat mich sehr gut empfangen."

Für die Volkacher Neubürgerin schloss sich ein Kreis, als sie mit ihrer Tochter Weihnachten 2022 bei Familie Wurlitzer in Astheim feierte. Da spielte der ältere Sohn Tim, auf den sie damals aufgepasst hatte, den Weihnachtsmann für Olivia.
Zusammen mit der Omi der Wurlitzers besuchten vier Generationen von Frauen zudem den Weihnachtszirkus, während die Männer die Gans vorbereiteten. "Aber das war schon vor 20 Jahren so, erinnerst Du Dich?", fragt Silke Wurlitzer ihre Freundin mit einem Lachen.
Dieses Weihnachtsfest verbringt Natalia Svet bei ihrem Mann und der Familie in der Republik Moldau. Einem Land, dessen Bevölkerung zerrissen ist zwischen Russland und dem Westen. Doch diese schwierige Lage trübt ihren Optimismus und ihre Tatkraft keineswegs – im Gegenteil. Mit ihrer Tochter erkundet sie regelmäßig die Region und das Land oder geht am Wochenende einfach in den Wald, Pilze sammeln.
Dazu passt der Spruch: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus." Natalia Svet sagt nämlich: "In Volkach gibt es so wunderbare Menschen." Sie möchte gerne dauerhaft hier bleiben und fügt noch so einen Satz hinzu, der auch den Tourismuschef begeistern dürfte: "Es ist ein Paradies hier, das sollten die Leute schätzen."
Der letzten Satz "Es ist ein Paradies hier, das sollten die Leute schätzen." sollte man sich verinnerlichen in einem Land, in dem (gefühlt) die Mehrheit nur noch meckert und schimpft.