"Mario" - den Namen des V-Mannes kann Norbert K. nach zehn Jahren nicht mehr hören. Als sogenannter V-Mann-Führer hat der unterfränkische Beamte beim Landeskriminalamt (LKA) Dutzende von Informanten aus dem kriminellen Milieu betreut, sogar Fortbildungen darüber in ganz Bayern gehalten. Mit den Informationen, die die "Vertrauensmänner" aus der abgeschirmten Welt des organisierten Verbrechens lieferten, nahmen zahlreiche polizeiliche Ermittlungen ihren Anfang.
Doch wie gut hatte der Betreuer seine V-Mann "im Griff"? In keinem Informanten hat sich der erfahrene Ermittler so getäuscht wie in Mario W. Seit zehn Jahren kämpft Norbert K. nun nach dessen Vorwürfen und Anschuldigungen in der sogenannten V-Mann-Affäre vor Gericht um seinen Ruf. Jetzt geht es um die Höhe einer Bewährungsstrafe.
Begonnen hatte die "V-Mann-Affäre" im Herbst 2011, als Informant Mario W. bei der Einreise aus Tschechien mit Drogen erwischt wurde und seine Zusammenarbeit mit der Polizei deshalb abrupt endete. Mario W. war offenbar nicht nur an illegalen Geschäften krimineller Rocker beteiligt, die er eigentlich bespitzeln sollte - unter anderem ging es um den Diebstahl von drei Baggern in Dänemark. Er hatte - so die Anschuldigung - auch seine seine Tochter beim Drogenhandel unterstützt.
Womit Mario W. dem Landeskriminalamt drohte
Aus der Untersuchungshaft drohte der Spitzel dem LKA mit der Offenlegung seiner Tätigkeit als V-Mann. Als der Freistaat ablehnte, ihn freizulassen und zu schützen, und der Landtag nicht weiterhalf, machte er seine Drohung wahr.
Als das Landgericht Würzburg Mario W. im Jahr 2016 schließlich wegen Drogenschmuggels zu einer Haftstrafe verurteilte, hatte er längst im Gegenzug über seine Tätigkeit als V-Mann "geplaudert". Unter anderem warf der ehemalige Informant Hauptkommissar Norbert K. vor, dieser würde für einen Fahndungserfolg - mit Duldung seiner Vorgesetzten - Straftaten von Vertrauensmännern fördern.
Aufgrund der Anschuldigungen von Mario W. mussten sich Norbert K. und fünf weitere LKA-Beamte ab 2017 in Nürnberg vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft erhob heftige Vorwürfe: Die Beamten sollen geduldet haben, dass der V-Mann selbst an illegalen Geschäften beteiligt war. Hinterher sollen sie Akten gefälscht und in Würzburg das Gericht belogen haben. Das LKA stand in der plötzlich als halbseidene Behörde da, selbst das bayerische Innenministerium geriet in die Kritik.
Entscheidung in Karlsruhe: Vier Freisprüche und ein eingestelltes Verfahren
Erst zehn Jahre nach Beginn der V-Mann-Affäre hatten K. und seine Kollegen die Vorwürfe weitgehend aus der Welt geschaffen: Spitzel Mario W., der im Nürnberger Prozess als Nebenkläger aufgetreten war, hat sich inzwischen mit neuem Nachnamen getarnt und ist untergetaucht. Kurz vor Weihnachten 2020 wurden vier Beamte vom Bundesgerichtshof (BGH) rechtskräftig freigesprochen, gegen den fünften ist gerade das Verfahren eingestellt worden.
Die Strafe von Norbert K. muss laut BGH neu bemessen werden
V-Mann-Führer Norbert K. aber soll nach der Entscheidung des BGH am 4. Oktober noch ein letztes Mal vor Gericht. Die Strafe gegen ihn "muss neu bemessen werden", heißt es in einer Presseerklärung aus Karlsruhe. Das Landgericht Nürnberg hatte K. im Jahr 2018 zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung für uneidliche Falschaussage in drei Fällen verurteilt. Mit begrenzter Aussagegenehmigung soll er in zwei Prozessen in Würzburg gegen Mario W. was den geheimen Einsatz betrifft gelogen haben.
Einer der ebenfalls angeklagten LKA-Beamten war 2018 für seine Aussage zum gleichen Aspekt des Falles freigesprochen worden. K. will jetzt eine Reduzierung der Bewährungsstrafe erreichen. Er und sein Anwalt sind überzeugt: "Am Ende bleibt nicht viel übrig von Marios Märchen – außer einer Menge Flurschaden."
Nachdem er für Jahre lang vom Dienst suspendiert war und in der Zwischenzeit schwer erziehbare Jugendliche betreute, arbeitet Norbert K. inzwischen wieder beim LKA, in einer anderen Abteilung. Die öffentliche Diskussion über die Arbeit des LKA mit V-Leuten in heiklen Bereichen wie Drogenhandel oder Extremismus aber hatte offenbar Auswirkungen: Insider zufolge war diese Art der Informationsbeschaffung zeitweise völlig zum Stillstand gekommen. Dies, sagen sie, schlage sich auch in Ermittlungsergebnissen nieder.