Der eine ist Mario W. ein bulliger Krimineller mit Glatze und sanftem sächsischem Dialekt. Er bespitzelte bis Ende 2011 die kriminelle Rockergruppe „Bandidos“ in Regensburg und beteiligte sich an Straftaten – mit oder ohne Förderung des Landeskriminalamtes (LKA). Als er bei der Einfuhr von zehn Gramm Crystal erwischt wurde, ließ ihn das LKA fallen wie eine heiße Kartoffel.
Mit Rockern kennt sich auch Mario H. gut aus, beim LKA Chef einer Abteilung zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Doch für Juristen und Politiker stellt sich die Frage, ob dieser Mario nicht der größere „Bandido“ ist: Er steht im Zentrum interner Ermittlungen, weil immer mehr Indizien den Verdacht nähren, das LKA versuche seine unrühmliche Rolle in dem Fall zu vertuschen.
In der Vergangenheit gab H. Interviews mit Bild und Namen über die Gefahr, die von Rockern ausgeht. Doch als er Konkretes dazu 2013 in Würzburg aussagen sollte, wollte er nicht mit Namen und Bild auftauchen. Angeblich war – wenn man ihm und zwei seiner Mitarbeiter glauben durfte – bei öffentlicher Verhandlung ihr Leben in Gefahr. Also wurde „durch ein Versehen“ der Öffentlichkeit ein falscher Prozess-Termin genannt – und als dies nichts half, der Zeugenauftritt flugs für geheim erklärt.
Es hatte Symbolcharakter, wie drei Ermittler klammheimlich ins Gericht schlichen. Da sagten sie nicht viel, dank Geheimhaltungserlaubnis des Dienstherrn. Von dem Wenigen, was sie sagten, hat sich nun bei internen Ermittlungen gegen sechs LKA-Beamte manches als falsch herausgestellt. Und es sieht so aus, als hätte auch LKA-Chef Peter Dathe und der Innenstaatssekretär und unterfränkische CSU-Chef Gerhard Eck nur die halbe Wahrheit erfahren, als Gericht und Landtag Fragen stellten.
Interne Ermittler stießen ein Jahr später auf Belege für eine Vertuschungsaktion. „Die Amtsleitung ist über den Fall Dänemark nicht informiert“, heißt es in einem Dokument. „Nachdem der Vorfall gut auszugehen scheint, sollen keine schlafenden Hunde geweckt werden.“
Der damalige Kriminaloberrat H. schrieb im Dezember 2012 für LKA-Präsident Dathe einen Brief ans Ministerium, der in mehrfacher Hinsicht von heutigen Erkenntnissen abwich: Der V-Mann habe keinen Auftrag gehabt, „außerhalb Bayerns oder im Ausland Daten zu erheben“. Dabei wurde W. sogar bei Auslandseinsätzen wie beim Diebstahl von vier Baggern in Dänemark vom LKA bezahlt.
Gerade dieser Fall ist heikel. Hat der Spitzel das LKA gewarnt – wie er behauptet –, hätte die Behörde die Straftat verhindern oder später aufklären müssen. Doch der Chef der Abteilung, für die Mario W. spionierte, versicherte, dass „zu keinem Zeitpunkt ein tragfähiger Anfangsverdacht zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen“ bestanden habe. Wie es heute aussieht, bekam der V-Mann sogar Geld für den Einsatz, der in den Akten mehrfach geändert wurde.
Wahlverteidiger Anwalt Alexander Schmidtgall zerrt mithilfe der Medien jede Woche neue Details der Ermittlungen ans Tageslicht. Die lassen viele Aussagen seines Mandanten glaubhafter erscheinen als vor zwei Jahren vor Gericht. Schon damals hatte Mitverteidiger Norman Jacob die Frage aufgeworfen, ob sein Mandant einen fairen Prozess hatte.
Längst geht es nicht mehr um zehn Gramm Crystal, sondern – wenn man dem weiteren Verteidiger Hanjo Schrepfer glauben will – um gewichtige Fragen: „Dürfen Ermittler Straftaten begehen, um Straftaten zu verhindern?“ Das würde zwei Jahre nach der Verurteilung kaum jemanden interessieren, wenn der Bundesgerichtshof den Fall nicht zum Nachbessern zurückgeschickt hätte: Dem Ex-V-Mann droht sogar eine höhere Strafe, weil er bei der Einfuhr der Drogen aus Tschechien ein Messer dabeihatte, das bei der Strafzumessung nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
„Keinen Funken Mitleid“
Er nennt die von ihm bespitzelten Rocker „Müll, mit dem ich keinen Funken Mitleid habe“. Man muss ihm nicht alles glauben, was er sagt. In mindestens zwei Vernehmungen hat er erklärt, er habe die Drogen ohne Wissen des LKA besorgt. Nun legt er eine Version auf den Tisch, die das LKA mehr belastet, wenn sie wahr ist: Er habe das Crystal für ein Treffen von Überläufern der „Bandidos“ zu den konkurrierenden „Hells Angels“ kaufen sollen – und das LKA sei auf Informationen so „heiß“ gewesen, dass es ihm die Straftat erlaubte und die Arbeitszeit bezahlte. Vielleicht finden sich dafür Belege – wie für die Behauptung, sein Führungsoffizier habe ihn telefonisch gewarnt, dass gegen seine in Kitzingen lebende Tochter Ermittlungen der Drogenfahnder liefen.
Dies bestreitet sein Führungsoffizier, der LKA-Beamte Norbert K. Der steht im Mittelpunkt der Affäre. In seinem Rucksack fanden interne Ermittler eine CD mit heimlich gesicherten Daten des Einsatzes, die so in den Akten des LKA nicht (mehr) zu finden sind. Glaubt man dem internen Bericht, wurde in Behördenakten gelöscht, geändert und mehrfach angepasst. Dienstliche E-Mails wurden auf Privat-PC umgeleitet. Ein Strafzettel des Spitzels im Auslandseinsatz in Österreich wurde sogar vom Privatkonto des Ermittlers K. und seiner Frau beglichen, warum?
Der LKA-Beamte soll über das Ziel des V-Mann-Einsatzes im Zeugenstand anderes gesagt haben als Innen-Staatssekretär Gerhard Eck im Landtag – das ist heikel. Dessen zehnseitiger Geheimbericht basiert auf Informationen aus dem LKA. Er ist – dezent gesagt – lückenhaft, taugt aber kaum (wie von der Opposition erhofft) als Beleg für eine Mauschelei mit der Frau des V-Mann-Führers, die in Ecks CSU-Bezirksverband Unterfranken als Hoffnungsträgerin gilt. „Da hätte man sich doch abgesprochen statt widersprochen“, sagt ein Insider. Eck und K. äußern sich auf Anfrage derzeit nicht zu dem Fall.
LKA-Beamte besuchten ihren Spitzel nach der Festnahme im Gefängnis und wollten ihn überreden, stillzuhalten – was nicht gelang. Und sie überwachten die Kommunikation, die der enttäuschte Mario W. zu seiner Entlastung begann.
Der drohte auszupacken, wenn man ihn nicht (gut bezahlt) in ein Zeugenschutz-Programm entlassen würde: Als der Freistaat dies ablehnte und der Landtag nicht weiterhalf, bat der V-Mann im April 2013 diese Redaktion zum Interview in die Haftanstalt. Dort erzählte er atemberaubende Einzelheiten, die berichtet und von einem Prozessbeobachter des LKA beunruhigt weitergemeldet wurden: „Aus den Pressepublikationen ist bekannt“, dass W. die Themen „Bagger aus Dänemark“, „Mädchen aus Tschechien“, „kriminelle Rocker, die als Leibwächter beim Papstbesuch waren“, „Schmuggel antiker Münzen aus Tunesien“, „Bandido-Fete in Österreich“ und „gemeuchelter Anwalt“ ansprach, heißt es im internen Bericht.
Vorschriftsmäßig überwachte die Staatsanwaltschaft Würzburg die Post des Spitzels in U-Haft. Aber Briefe, die sie beschlagnahmt und der Staatsanwaltschaft Nürnberg zur Verfügung gestellt hatte, landeten beim V-Mann-Führer – als gegen ihn längst Ermittlungen liefen.
Grenzwertig ist ein weiterer Schritt zur Überwachung: Verteidiger Schmidtgall bestätigt auf Anfrage, dass der Gefangene den Würzburger Landtagsabgeordneten Oliver Jörg (CSU) um Hilfe gebeten hatte – in dessen Funktion als Vorsitzender des Gefängnisbeirates der JVA Würzburg. Obwohl diese Kommunikation völliger Vertraulichkeit (auch vor Ermittlungsbehörden) unterliegt, soll der V-Mann-Führer über CSU-Drähte seiner Frau versucht haben, den Abgeordneten zu beeinflussen.
Laut einem Briefentwurf soll sie den Kitzinger Landtagsabgeordneten Otto Hünnerkopf um Vermittlung „für ein weiteres Gespräch mit Herrn MdL Oliver Jörg“ gebeten haben. Diese Redaktion bat Jörg, den Vorgang zu erklären. Nach Erkundigung beim Justizministerium antwortete er aber: Seine Funktion als Gefängnisbeirat unterliege völliger Vertraulichkeit. Deshalb dürfe er zu dem Thema nicht Stellung nehmen.
„In ungewöhnlicher Lautstärke“
Allerdings erfuhr diese Redaktion auf andere Weise, dass die Einflussnahme wohl ganz und gar nicht die erwünschte Wirkung hatte: Jörg soll den LKA-Präsidenten Dathe angerufen haben und sich „in einer für seine Verhältnisse ungewöhnlicher Lautstärke“ den Bruch der Vertraulichkeit zwischen Gefangenen und Gefängnisbeirat verbeten haben.
Jörg äußert sich auch dazu auf Anfrage nicht. Das Gespräch mit dem damaligen LKA-Chef muss aber für diesen unerfreulich verlaufen sein. Denn in dem sichergestellten Brief des LKA-Beamten heißt es, „dass das Gespräch von Herrn Präsident Dathe und H. mit Herrn Jörg in berichteter Weise verlief“, bedauere seine Frau ebenso wie er selbst.
Lesetipps dazu:
http://www.br.de/nachrichten/untersuchungsausschuss-soko-labor-schottdorf-100.html
Die Südwest-Presse schrieb:
Die Labor-Affäre wabert seit langem durch die Landespolitik, bisher stets knapp unterhalb der Schwelle eines großen öffentlichen Skandals.
...
Der Generalstaatsanwalt habe, so die zentrale Aussage Sattlers, die weiteren Ermittlungen unterbunden. Gab es Weisungen von oben, aus der Politik? Was hat es mit einer Schottdorf-Spende an die CSU auf sich? Und ist es ein Zufall, dass ausgerechnet der CSU-Vizevorsitzende Peter Gauweiler als Anwalt den Schottdorf-Konzern vertritt?
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Stephan Sattler erzählt von seinem beruflichen Abstieg. Er wurde von den Labor-Ermittlungen abgezogen und zum Polizeipräsidium München abgeordnet. Dort musste der versierte Fahnder Betrugsfälle "ab dem Schaden von einem Euro" bearbeiten.
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Machenschaften-im-Schottdorf-Labor;art4306,3102735
Der Ehegatte der CSU Politikerin forschte aber lieber seine Nachbarn aus wenn man der Abendzeitung glaubt:
Diese schreibt:
In seinem Wohnort, einem überschaubaren, vom Weinbau geprägten Dorf im Landkreis Kitzingen, ist er so etwas wie James Bond auf lokaler Ebene:
...
Fehlende Grenzziehungen des V-Mann-Führers zwischen privaten und dienstlichen Interessen werden im Kripo-Bericht gleich in mehrfacher Hinsicht dokumentiert. Der als Gemeinderat und Sportvereins-Vorsitzender so fest in das dörfliche Leben integrierte LKA-Beamte ist dem Ermittlungsbericht zufolge auch nicht davor zurückgeschreckt, die Einwohner seiner Heimatgemeinde flächendeckend auszuforschen. Immer wieder hat er die Daten aller Dorfbewohner über das LKA-Computersytem abgefragt, bis in die 90er Jahre zurück.
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.v-mann-skandal-az-exklusiv-lka-ausser-kontrolle.c915a792-e0e8-4b8d-84f3-d88af93bec7f.html