Ein Telefonat mit dem Onkel in Afghanistan, plötzlich fällt ein Schuss. Die Verbindung bricht ab. Der Onkel ist tot, auf offener Straße erschossen worden. So erzählte es kürzlich ein Geflüchteter aus Afghanistan der Kitzinger Bürgermeisterin Astrid Glos. Vor der aktuellen Eskalation in Afghanistan habe er schon seinen Bruder und seinen Vater durch Bombenanschläge verloren. "Wie soll man das verarbeiten?", fragt Glos.
Afghanische Geflüchtete in Sorge und Angst
Als Integrationsbeauftragte der Stadt und in früherer Funktion als Ehrenamtskoordinatorin für die Geflüchteten-Unterkünfte hat sie Kontakt zu vielen Afghaninnen und Afghanen, die in Kitzingen und Umgebung leben. Manche in den Gemeinschaftsunterkünften, manche in eigenen Wohnungen. Die aktuelle Situation im Land beschäftige viele der Geflüchteten, sagt Glos, "die Stimmung unter den afghanischen Menschen ist miserabel."
Allein seit der Einnahme Kabuls durch die Taliban hätten sie Anrufe 20 verschiedener Geflüchteter erreicht, erzählt Glos. Viele hätten große Angst um Angehörige, vor allem um die Mütter. Unter den Bewohnern und Bewohnerinnen in den Gemeinschaftsunterkünften im Innopark, Corlette Circle und in Kleinlangheim sind viele junge, allein reisende Männer. Deren Väter seien oft von der Armee eingezogen oder im Krieg getötet worden, sagt Glos. "Jetzt wissen die Leute nicht, ob sie ihre Mütter und Schwestern wiedersehen werden. Manche fragen sich, ob sie ihre Familie im Stich gelassen haben. Das geht einem ans Herz."
Auch Katrin Anger, die bei der Caritas unter anderem den Arbeitskreis Asyl koordiniert, hat den Eindruck, dass viele Kitzinger Afghaninnen und Afghanen derzeit stark belastet sind. Deshalb könne auch keine der betroffenen Personen selbst über ihre Erfahrungen erzählen. "Die Frauen sagen, die Vergangenheit komme wieder hoch, sie erinnern sich an Szenen ihrer Flucht. Manche berichten von Schlafproblemen, sagen, sie müssen nachts das Licht anlassen", sagt Anger.
Im Landkreis Kitzingen leben insgesamt 249 Menschen aus Afghanistan, davon sind 82 unter 18 Jahre alt. 86 Personen leben in einer der drei Gemeinschaftsunterkünfte, wo vor allem die Caritas zu Fragen des Asylrechts und der Integration berät. Marion Stöhr gehört zu diesem Caritas-Team und hat einen anderen Eindruck: Unter ihren Klientinnen und Klienten habe sich die Stimmung nicht maßgeblich verschlechtert. Bei der einen oder anderen Person bestehe schon länger psychosozialer Hilfebedarf. "Akut ist niemand an mich herangetreten."
Astrid Glos glaubt, dass neben der Arbeit an Formalitäten kaum Gelegenheit besteht, um auch psychologische Unterstützung zu bieten, die aber dringend notwendig sei. "Die müssen aufgefangen werden. Viele sind hochtraumatisiert.“ Deshalb versucht Glos momentan, das Team der Notfallseelsorge von 2014 und 2015 zu reaktivieren. Stöhr verweist bei Bedarf auf den Sozialpsychiatrischen Dienst Kitzingen des BRK, "an den sich auch Geflüchtete wenden können". Sie selbst sei nicht dafür geschult. Es müsse aber immer ein Signal von der betroffenen Person kommen, dass Hilfe benötigt wird.
Aus Stöhrs Sicht hat sich die Situation für einige Afghaninnen und Afghanen sogar verbessert. "Insbesondere die alleinstehenden jungen Männer hatten Angst vor der Abschiebung. Auch die, die nicht straffällig waren. Für die hat sich die Situation verbessert, weil die Abschiebung vom Tisch ist." Sie rechnet damit, dass sich bis Ende des Jahres auch nichts daran ändern werde.
So einfach ist es aber nicht: Bei abgeschlossenem Asylverfahren, das mit einer Ablehnung endet, erlischt die Aufenthaltsgestattung und damit die Arbeitserlaubnis für die Geflüchteten. Wer wegen der ausgesetzten Abschiebung nur geduldet wird, darf häufig nicht arbeiten – manchmal, weil keine Papiere wie Geburtsurkunde oder Pass vorliegen, also die Identität "ungeklärt" ist.
Viele Geflüchtete bekommen keine Arbeitserlaubnis
Laut Glos ist das ein großes Problem. "Jetzt sitzen viele in den Unterkünften, die lange Zeit arbeiten waren und in die diversen Versicherungen in Deutschland eingezahlt haben, und sind zum Nichtstun in ihrem Zimmer verdonnert", sagt sie. "Sie sitzen zum Teil 24 Stunden am Tag in der Unterkunft, statt auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn ich 24 Stunden für mich habe, kreisen meine Gedanken anders, als wenn ich weiterhin meiner Arbeit nachgehen kann.“
Glos ist froh, dass zumindest Abschiebungen ausgesetzt wurden. "In so ein Land kann ich niemanden zurückschicken. Wo bleibt da die Menschlichkeit?", fragt sie. Zur hohen Politik müsste unbedingt durchdringen, dass die Menschen wieder eine Arbeitserlaubnis brauchen. Und wenn in Zukunft wieder mehr Geflüchtete aus Afghanistan in Kitzingen aufschlagen? "Wir brauchen dann wieder mehr Ehrenamtliche, die sich Zeit nehmen und zuhören", sagt Glos. Auch jetzt schon werde Betreuung für das Spielzimmer gesucht, damit die Kinder dort spielen und toben können.
Vereinsbank zu installieren. Dieses Telefon nutze ich nur zum Telefonieren und um über Whatsup mit meiner Tochter in Würzburg zu sprechen. Zu nichts weiterem! Fürviele der Flüchtlimge ist es die einzige Möglichkeit, mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Ich glaube kaum dass sie es zu anderen Zwecken benutzen. Fehlt Ihnen dafür das Verständnis? Ich lebe in Mexiko. Vor 11 Monaten ist mein deutscher Pass abgelaufen. Für die Erneuerung in der Deutschen Botschaft brauchte ich einen Termin. Zweimal wurde der vereinbarte Termin wegen Corona verschoben. Den neuen, in Deutschland ausgestellten Pass habe ich erst nach 8 Monaten erhalten. In Mexiko muss man für jedes offfizielle Dokument eine gültige Geburtsurkunde vorlegen. Meine musste ich in Würzburg beantragen, legalisieren und mir schicken lassen, damit ich meinen gestohlenen Einwandererausweis neu ausgestellt bekam: Dies dauerte über 9 Monate! Afghanistan?