Rügen, Dresden, Saarbrücken und ganz viel Berlin: Der Mann kommt gut herum im nahenden Sommer, meist auf größeren Bühnen und in großen Städten. Am Samstag, 6. Juli, aber macht Paul Hartmut Würdig eine Ausnahme. Da wird er am Stadtbalkon in Kitzingen auftreten, in der Provinz – vor 7000 Fans und ausverkauftem Haus, wie man heute schon weiß. Man kennt den Rapper besser unter seinem Künstlernamen Sido, den er selbst anfänglich als Code für "Super-intelligentes Drogen-Opfer" entschlüsselt hat.
Inzwischen spielt der Name keine Rolle mehr, und Sidos Skandalzeit liegt nun auch schon ein Weilchen zurück. Geblieben ist der 43-Jährige als erfolgreicher Rapper mit Songs wie "Astronaut", "Bilder im Kopf" oder einfach nur "Liebe". Dass Sido im Sommer ein Konzert in Kitzingen gibt, sieht man bei der Stadt als Auszeichnung – und dass der Act bereits ausverkauft ist, dürfte allen Beteiligten eine weitere peinliche Diskussion wie im Vorjahr ersparen. Damals hatte Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) mit seiner beiläufigen Aussage, zu viele Zaungäste hätten die Konzerte am Stadtbalkon "schmarotzt", ein Echo weit über Kitzingen hinaus ausgelöst.
Neben Tausenden zahlenden Besucherinnen und Besuchern waren damals Hunderte weiterer Menschen im und am Flussufer kostenlos in den Hörgenuss von Künstlern wie Wincent Weiss, Michael Patrick Kelly und Jan Delay gekommen. Sie standen auf der Alten Mainbrücke, hockten am Mainkai oder lagen sogar auf Booten mitten auf dem Fluss, obwohl es noch genügend Karten gegeben hätte – und sie alle mussten sich hinterher eine mehr oder weniger öffentliche Standpauke anhören: dass das so nicht gehe, weil Künstler und Konzertagentur schließlich auch von etwas leben müssten. Absurde Ideen kamen auf den Tisch: Man müsse künftig bei Konzerten das Mainufer abriegeln und sogar den Fluss von der Strompolizei sperren lassen. Die Gedanken wurden nicht weiterverfolgt.
Die Termine der Stadt passen nicht zu den Plänen der Künstler
Angeblich aber haben die abenteuerlichen Diskussionen, die bis in die Fernsehsendung "quer" des Bayerischen Rundfunks schwappten, nichts damit zu tun, dass es dieses Jahr bei nur einem Konzert bleibt. Im Kulturausschuss des Kitzinger Stadtrats hieß es am Dienstagabend, der Veranstaltungskalender der Stadt habe nicht zur "Tourplanung" möglicher weiterer Künstler gepasst. Stadtfest, Weinfest und so weiter werden im Juni in Kitzingen gefeiert – wie übrigens auch im vorigen Jahr, nur dass da offenbar doch irgendwo ein Türchen für die Musiker aufging und zwei weitere Konzert-Termine aufzutreiben waren.
Dass die Stadt bei Sidos Auftritt in Kitzingen Leistungen für bis zu 25.000 Euro an die Konzertagentur erbringt, hat nach den kaum zu überhörenden Dissonanzen im vergangenen Sommer jetzt nur ein Misstönchen erzeugt – als Stadträtin Gisela Kramer-Grünwald (Grüne) die pikante Note anstimmte, man solle "überlegen, ob wir dem Veranstalter diese Kosten in Rechnung stellen". Das könne man gern probieren, erwiderte der OB. "Bloß bekommen wir dann vielleicht keine Konzerte mehr."
Die Strahlkraft von Wincent Weiss und Michael Patrick Kelly
Rasch hatte er damit die Debatte wieder eingefangen, und auch andere Ausschussmitglieder reihten sich ein in einen Chor, dessen Tenor so klang wie bei Manfred Freitag (FW-FBW): "Wir sollten uns nicht verbarrikadieren, sondern offen zeigen für solche Veranstaltungen." Wenn Wincent Weiss oder Michael Patrick Kelly Kitzingen auf ihren Künstler-Homepages lobend erwähnten, sei das ein großer Gewinn, der die Kosten mehr als aufwiege. Herbert Müller, der die Kultur im Rathaus koordiniert, sagte: "Hier können wir mit geringem Aufwand große Strahlkraft erreichen." Einstimmig sprach man sich deshalb im Ausschuss dafür aus, die Kosten zu übernehmen.
Auch Kulturreferent Walter Vierrether (Pro KT) schwärmte mit Blick auf die Konzerte von einem "kulturellen und touristischen Mehrwert". Solche Veranstaltungen seien ein "ganz wichtiger Aspekt, um Leute nach Kitzingen zu locken". Und darum gehe es doch schließlich: "Die Leute wollen bespaßt werden."