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Kitzingen
Rettungssanitäter wollen 25-Jährigen vor dem Erfrieren retten: Als Dank ernten sie nicht nur Beleidigungen
Zu einer "hilflosen Person" werden sie in der Winternacht gerufen. Doch der Mann greift die Retter an, beschimpft sie unter anderem als "Krapfengesicht". Dafür saß er nun vor Gericht.
Ein Krankenwagen des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) im Einsatz.
Foto: Peter Kneffel (Symbolfoto) | Ein Krankenwagen des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) im Einsatz.
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 26.02.2025 02:43 Uhr

Was ein Polizeibeamter zu einem Einsatz am Tag vor Weihnachten 2023 sagte, lässt aufhorchen: "Das kommt leider immer öfter vor in den letzten Jahren." Da endete ein Notfalleinsatz für eine "hilflose Person" in der Kitzinger Siedlung mit Beleidigungen und dem Angriff auf Vollzugsbeamte.

Betroffen waren nicht nur vier Polizisten, sondern auch zwei Rettungssanitäter. Die wollten einen 25-Jährigen vor dem Erfrieren retten, ernteten Beleidigungen und mussten sich wehren.

"Hilflose Person auf dem Gehsteig." Als der Notruf einging, wurde ein Rettungswagen losgeschickt. Die zwei Sanitäter trafen auf einen tief schlafenden Mann. Der war nur mit einem Schmerzreiz zu wecken, konnten sich kaum auf den Beinen halten.

Der Mann stößt wüste Beleidigungen aus

"Dann wurde er zunehmend aggressiv", sagte einer der Helfer. Es fielen Beleidigungen der Marke "Hurensöhne" oder auch "Krapfengesicht". Dann kam der Mann einem der Sanitäter zu nahe. Um sich zu schützen, brachten die beiden den Mann zu Boden.

Wenig später war die Polizei mit zwei Steifen vor Ort. Die vier Beamten hatte alle Hände voll zu tun, um den Mann, begleitet von Beleidigungen, zu fixieren. Die unschönen Ausdrücke setzten sich auf der Fahrt zur und in der Dienststelle fort. Am Ende hatte der 25-Jährige sechs Leute beschäftigt. In der Anklage stand: Beleidigung in mehreren Fällen, versuchte und vorsätzliche Körperverletzung und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte.

"Sie haben helfende Hände angegriffen, die sie vor dem Erfrieren retten wollten."
Ilka Matthes, Richterin

Gut ein Jahr später saß die "hilflose Person" auf der Anklagebank in Kitzingen. "Die Situation ist komplett weg", sagte er dem Gericht. Den Grund für den Blackout lieferte die Blutprobe: 2,48 Promille plus Cannabis. Eine Gutachterin wollte eine "verminderte Schuldfähigkeit" zumindest nicht ausschließen. Das spielte im Urteil eine Rolle.

Richterin Ilka Matthes verurteilte den Mann zu einer einjährigen Bewährungsstrafe. "Sie haben helfende Hände angegriffen, die sie vor dem Erfrieren retten wollten." Die Staatsanwältin hatte 15 Monate ohne Bewährung gefordert. Das hielt der Verteidiger für überzogen, weil es nach etlichen Geldstrafen die erste Freiheitsstrafe für den Mann war.

Bewährungshelfer soll den Mann begleiten

Wie es mit dem 25-Jährigen weitergeht, ist völlig offen. Kein Schulabschluss, keine Lehre, kein Familienkontakt, Gelegenheitsjobs, ein massives Alkohol- und Drogenproblem, dazu obdach- und arbeitslos. Das Gericht hat dem Mann einen Bewährungshelfer verordnet, der ihn die nächsten drei Jahre begleiten soll – und 240 Arbeitsstunden.

Die Beteiligten haben den Abend nicht vergessen haben: Deutlich wurde das, weil nur ein Sanitäter die Entschuldigung des Mannes annahm. Der Rest nahm das "Es tut mir leid" – mehr oder weniger genervt – zur Kenntnis. Einer fragte: "Tut Ihnen der Vorfall leid oder dass sie dafür jetzt hier sitzen?" Keine Antwort.

 
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Kommentare
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  • Frank Stößel
    Verminderte Schuldfähigkeit bei chronisch exzessivem Alkohol- und Drogenabusus diesen Ausmaßes wurde nicht ganz ausgeschlossen. Wie oft zeigte der verurteilte Obdachlose schon derartiges Verhalten und wie hoch dürfte die Wahrscheinlichkeit sein, dass er wieder in die "selbst" erzeugte Falle derartig rauschhaften Abusus alleine oder bei "toxischem" Umgang mit "Kollegen" während der Bewährungszeit verfällt. Muss sich der Mann einer entsprechenden Therapie stellen? Ist er angesichts seiner Suchtbiografie in seiner Persönlichkeit verändert und in seiner Einsichtsfähigkeit schon so stark eingeschränkt, dass er auch nicht weiß, dass er für sein Verhalten verantwortlich ist und nicht seine Helfer, die ihn vor dem Erfrieren retteten. Wenn der Mann obendrein suizidgefährdet war und sich ins Erfrieren hinein getrunken hatte, spricht auch das für dessen stark beeinträchtigte Schuldfähigkeit. Es ist inakzeptabel, Helfer anzugreifen, gleichzeitig mehr als traurig, dass es immer wieder passiert.
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  • Martin Nicoly
    Werden Beleidigungen nur noch als Kavaliersdelikte gesehen? Was ist mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes, in dem von der Würde des Angegriffenen gesprochen wird? Wird das nicht mehr in Urteile einbezogen? Entschuldigt Betrunkensein und Rauschmittel alles?
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  • Ute Schlichting
    Die Beteiligten haben den Abend nicht vergessen haben: Deutlich wurde das, weil nur ein Sanitäter die Entschuldigung des Mannes annahm. Der Rest nahm das "Es tut mir leid" – mehr oder weniger genervt – zur Kenntnis. Einer fragte: "Tut Ihnen der Vorfall leid oder dass sie dafür jetzt hier sitzen?" Keine Antwort.GENAU das,das er da sitzt,das tut Ihm leid. Bewehrung, der lacht sich schlapp. Mehr darf ich leider nicht.
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