Ein ambulanter Pflegedienst aus Würzburg soll mit der Pflege von Senioren in Kitzingen zwar 4,7 Millionen Euro von den Krankenkassen kassiert haben – aber die vorgeschriebenen Fachkräfte existierten nur auf dem Papier. Dadurch soll es möglich gewesen sein, die Dokumentation nach eigenem Ermessen zu ändern, angebliche Leistungen vorzutäuschen und die Qualität auf ein Minimum zu reduzieren.
Die früheren Betreiber des Pflegedienstes müssen sich seit Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg verantworten. Zwischen 2018 und 2022 sollen die 47 und 57 Jahre alten Eheleute und ihr 27-jähriger Sohn Leistungen in Höhe von knapp 3,5 Millionen Euro unrechtmäßig abgerechnet haben, sagte Oberstaatsanwalt Philip Engel bei der Anklageverlesung in Nürnberg. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug in 1022 Fällen.
Millionen Euro für den Pflegedienst kassiert, um "luxuriösen Lebensunterhalt" zu bezahlen
Das Geld habe dazu gedient, den "luxuriösen Lebensunterhalt der Familie" zu bezahlen, die sich davon zum Beispiel ein Haus mit Schwimmbad leistete – nicht ganz selbstverständlich bei einem Paar, das als erlernte Berufe Schneider und Friseurin angab. Der Sohn, den das Ehepaar 2017 mit ins Geschäft nahm, hat Kaufmann gelernt. Fachlich versiert in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen war keiner der drei.
In Nürnberg mühten sie sich am Dienstag im Gerichtssaal verbissen, ihre Gesichter vor den zahlreichen Fotografen und Kameraleuten zu verbergen. Zur Anklage wollen sie sich zunächst nicht äußern.
Sie sitzen zunächst in Nürnberg auf der Anklagebank, weil bei der dortigen Generalstaatsanwaltschaft die Spezialeinheit sitzt, die bayernweit Betrug im Gesundheitswesen untersucht. Danach droht den drei Angeklagten ein weiterer Prozess in Würzburg.
Die Würzburger Staatsanwaltschaft untersucht, welche gesundheitlichen Schäden fünf mangelhaft betreute Senioren davon getragen haben, die nach einer Durchsuchung in Kitzingen im September 2022 sofort in bessere Pflege gegeben werden mussten.
Ermittler wollen die ganzen 4,7 Millionen Euro vom früheren Kitzinger Pflegedienst eintreiben
Schon zwischen 2015 und 2017 soll das Ehepaar die Kranken- und Pflegekassen um mehr als 1,2 Millionen Euro betrogen haben. Diese Fälle waren strafrechtlich aber schon verjährt und sind nicht Teil der Anklage.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beabsichtig trotzdem, die gesamten 4,7 Millionen Euro von den Angeklagten einzutreiben. Dazu wurden bereits Hypotheken in sieben bebaute Grundstücke eingetragen und weitere Vermögenswerte über mehr als 1,6 Millionen Euro gesichert.
Die Verteidiger um den Würzburger Anwalt Peter Möckesch wollten zunächst die Verlesung der Anklage blockieren. Sie bemängelten, dass sie erst vor wenigen Tagen 19.000 Seiten der Protokolle von Telefonüberwachungen ihrer Mandanten bekommen hatten - und noch keine Gelegenheit hatten, darüber mit ihren Mandanten zu sprechen.
Doch das Gericht bestand auf der Verlesung der Anklage. Die wurde von den Verteidigern als "Schnellschuss" der Staatsanwaltschaft bezeichnet, der dem komplexen Thema nicht gerecht werde.
Vorschlag der Verteidiger könnte das Verfahren verkürzen
Das alles spricht für ein konfliktträchtiges und zeitraubendes Verfahren, für das weitere 25 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt sind.
Doch nach Informationen unserer Redaktion wird hinter den Kulissen ein ungewöhnlicher Vorschlag der Verteidiger geprüft, der zu einem schnelleren Ende des Prozesses führen könnte: Sie haben den Verkauf eines Grundstückes der Angeklagten auf dem freien Markt vorgeschlagen.
Mit dem Erlös könnte der gesamte finanzielle Schaden ausgeglichen werden - was auch Auswirkungen auf das Strafmaß haben dürfte. Dazu müssten aber noch alle Beteiligten zustimmen.
Die lädt ja fast zum Betrügen ein...
Ich hoffe, dass bei den geschädigten Krankenkassen, allen voran der AOK, endlich für die Implementierung effizienterer Systeme der Vorbeugung von Betrug gesorgt wird. Zu oft wird von Millionenschäden im Pflegebereich durch ambulante Pflegedienste berichtet. Dass angesichts der völlig fachfremden Berufe der Angeklagten von keinem Sachbearbeiter kritische Nachfragen kamen, kann ich nicht nachvollziehen und dass die Angeklagten mit nur auf dem Papier existierenden Fachkräften durchkamen, lässt einerseits auf eine hohe kriminelle Energie der Angeklagten, andererseits eben auf eine zu lässige Prüfung durch die Kassen schließen.
Das ist nicht erstaunlich.
Die Aufsichtsbehörden in Bayern (Heimaufsicht, Lebensmittelaufsicht, usw. ) sind in Bayern kategorisch unterbesetzt. Selbst mit viel Eifer können die Mitarbeiter dieser Behörden eine nur ansatzweise vernünftige Kontrolldichte herstellen.
Ich meinte natürlich keine vernünftige Kontrolldichte.
Das hört sich doch nach einem weitern Luxusleben der Angeklagten an! Betrug scheint sich zu lohnen?
dann gibt es ja noch ein luxuriöses Haus, weitere Grundstücke und wer weiß was noch, damit ist das Schmerzensgeld schnell bezahlt!
Gibt es nicht ein Gesetzt welches den Einzug aller Güter möglich macht die durch gesetzeswidriges Handeln erworben wurden?