
Viele Menschen in Unterfranken kränkeln derzeit. "Ich hatte zuletzt an einem Montagmorgen 60 Patientinnen und Patienten mit einem Infekt", erzählt Dr. Mohammad Ahmadi, Arzt in Mainstockheim (Lkr. Kitzingen). "Die klassischen Herbsterkältungssymptome."
Doch handelt es sich um eine Erkältung? Oder Corona? Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt jede Woche einen Bericht zu Atemwegserkrankungen heraus. Demnach hatten in der Woche bis 15. September in Deutschland 6.900 Menschen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner eine akute Atemwegsinfektion – ein Drittel mehr als in der Vorwoche.
Ursache seien in den meisten Fällen Rhinoviren, gefolgt vom Sars-CoV-2-Virus, das mittlerweile als normaler Erreger zum Erkältungsgeschehen zählt.
Zuletzt mehr Coronafälle in Bayern, aber vergleichsweise wenige in Unterfranken
In Bayern ist die Corona-Epidemiekurve entgegen dem bundesweiten Trend zuletzt auf niedrigem Niveau gestiegen. Die dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) gemeldeten Covid-19-Fälle haben Mitte September einen neuen Höchststand seit Ende Januar erreicht: Von den insgesamt 970 Fällen entfielen 89 auf Unterfranken, die meisten gab es in Oberbayern (340).
Die Frage ist: Was sagen die Corona-Zahlen überhaupt noch aus? Die Antwort lautet: nicht viel. Denn kaum jemand testet noch. Weder zu Hause noch in den Arztpraxen.
"Wir empfehlen bei Erkältungssymptomen zwar, einen Test zu machen, aber in der Praxis testen wir quasi nicht mehr", sagt Ahmadi. Der Allgemeinmediziner ist unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands. Daher weiß er, dass ein Großteil seiner Kolleginnen und Kollegen genauso verfährt: "Die meisten lassen das Testen sein."
Hausärzte haben wegen Personalnot keine Kapazitäten für Corona-Tests
Das habe vor allem Kapazitätsgründe. "Ich habe an besagtem Morgen im Fünfminutentakt Patientinnen und Patienten behandelt. Hätte ich auch noch PCR-Tests gemacht, hätte ich nicht alle drannehmen können. Wir arbeiten schon am Anschlag", sagt Ahmadi und verweist auf die Personalnot bei Hausärzten.
Darüber hinaus stellt der Mediziner den Nutzen von Coronatests im Vergleich zum Aufwand in einer Praxis infrage. "Bei typischen Erkältungssymptomen haben die Tests keine klinische Konsequenz. Wer Schnupfen und Husten hat, soll zu Hause bleiben und gesund werden. Das ist bei einem Magen-Darm-Infekt nicht anders. Die Tests haben nur eine Konsequenz für die Statistik."
Die Statistik ist aufgrund der mangelhaften Datenlage eben verfälscht und gibt laut Ahmadi nur noch "einen Trend" wider – "mit hoher Dunkelziffer".
Mehr Aussagekraft über die Corona-Entwicklung habe inzwischen das Abwassermonitoring. Corona-Infizierte scheiden Virus-RNA im Urin aus, die so ins Abwasser gelangt, sagt Ahmadi. Da alle Menschen zur Toilette müssen, gelten die Messungen als verlässlicher als die Meldezahlen, die von der Menge an Tests abhängen.
Trend der Corona-Viruslast im Abwasser in Schweinfurt zuletzt fallend
An aktuell 30 Standorten in Bayern werden Daten zur Sars-CoV-2-Viruslast im Abwasser und zur prozentualen Verteilung von Virusvarianten erhoben. In Unterfranken gibt es zwei Messstellen: In Schweinfurt war der Trend der Viruslast zuletzt fallend, in Aschaffenburg steigend.
Ahmadi ist sich sicher: "Corona wird nicht ganz verschwinden, sondern weiter in Wellen kommen." Dabei werden vermutlich die wenigsten Betroffenen wissen, ob sie sich mit Sars-CoV-2 oder einem anderen Erreger infiziert haben, wenn sie schniefen oder husten.
Ist das schlimm? Für die meisten wohl nicht. Menschen ab 60 Jahren und Erwachsenen mit Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-Verläufe haben, empfiehlt die Ständige Impfkommission jährliche Auffrischungsimpfungen im Herbst. Wer solche Menschen nicht gefährden und auf Nummer sicher gehen will, sollte sich bei Erkältungssymptomen weiter auf Corona testen.
Wenn man darauf setzt, dass sich das Problem auf natürliche Art mit der Zeit durch natürliche Immunität bzw. Selektion aufgrund ausreichend durchgemachter Infektionen mit zahlreichen Varianten der Erreger von alleine lösen wird, dann sollte einem halt auch klar sein, dass das durchaus nicht immer glimpflich ausgehen kann.