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Würzburg/Schweinfurt
Corona-Erkenntnisse aus den Kläranlagen: So funktioniert das Abwasser-Monitoring in Unterfranken
Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland sind höher als die offizielle Sieben-Tage-Inzidenz. Kläranlagen können genauere Informationen liefern. Was bringt das?
Was bringt das Corona-Monitoring durch Abwasserproben? Hier gießt Sascha Hovenstadt in der Kläranlage in Würzburg Wasserproben zusammen.
Foto: Fabian Gebert | Was bringt das Corona-Monitoring durch Abwasserproben? Hier gießt Sascha Hovenstadt in der Kläranlage in Würzburg Wasserproben zusammen.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:46 Uhr

Expertinnen und Experten sind sich einig: Die Corona-Inzidenz ist wesentlich höher, als die offiziellen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) anzeigen. Abwasser-Monitoring könnte helfen, ein genaueres Bild der Corona-Lage in Deutschland zu liefern. Einige Kommunen untersuchen das Abwasser bereits auf Reste des Coronavirus, so auch Würzburg und Schweinfurt.

Wie funktioniert das Abwasser-Monitoring? Was bringt diese Überprüfung? Und welche Bedeutung hat das Monitoring für den weiteren Verlauf der Pandemie? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie funktioniert das Abwasser-Monitoring?

Bei Corona-infizierten Personen wird Virus-RNA im Urin ausgeschieden und gelangt so ins Abwasser. Die Idee des Abwasser-Monitorings ist, dass durch Nachweis von Virus-RNA im Abwasser eine Abschätzung möglich ist, wieviel Infektionsaktivität im Einzugsbereich einer Kläranlage aktuell vorliegt. "Da die Ausscheidung von Viruspartikeln schon frühzeitig stattfindet, kann so die Infektionsaktivität theoretisch und auch laut Studien ein paar Tage früher abgeschätzt werden als zum Beispiel aufgrund der Meldezahlen", sagt der Würzburger Virologe Oliver Kurzai. "Während die Meldezahlen von der Menge an Testungen abhängen, ist das bei der Abwasser-Untersuchung nicht so, da ja alle Menschen die Toilette benutzen", so Kurzai.

Welche Erfahrungen gibt es in Unterfranken mit dem Abwasser-Monitoring?

Die Stadt Würzburg nutzt seit März 2022 das Abwasser-Monitoring. Hier bestätigt man, dass die tatsächliche Infektionsrate in der Bevölkerung teilweise höher ist als einzeln per Schnell- oder PCR-Test nachgewiesen wurde. "Oft verläuft die Virenlast im Abwasser auch parallel zur Kurve der offiziell gemeldeten Inzidenzen, teilweise hatten wir auch eine sinkende Covid-Virenlast bei steigenden Inzidenzen", sagt Christine Neuland, Abteilungsleiterin Abwasser und Entsorgung, beim Bewässerungsbetreib Würzburg. "Eine schlüssige Erklärung dafür konnte uns das beauftragt Labor bisher allerdings auch nicht geben", so Neuland.

Diese Wasserproben wurden am Klärwerk in der Würzburger Zellerau entnommen.
Foto: Fabian Gebert | Diese Wasserproben wurden am Klärwerk in der Würzburger Zellerau entnommen.

Die Stadtentwässerung Schweinfurt führt seit 2021 zweimal die Woche ein regelmäßiges Abwasser-Monitoring durch. Das heißt, der Kläranlagenzulauf wird mittels qPCR-Analyse durch ein Schweinfurter Labor auf Coronaviren untersucht, sagt Kristina Dietz, Pressesprecherin der Stadt Schweinfurt. Auch 2022 wurde das Abwasser-Monitoring fortgeführt.

Wie aufwändig ist dieses Verfahren?

Das Verfahren brauche eine sehr gute Standardisierung. Zudem müssten Parameter wie lokale Niederschläge und Schwankungen der Abwassermenge mit beachtet werden. "Auch die derzeitige Trockenheit oder Starkregen beeinflussen die Viruslast im Abwasser", sagt der Virologe Kurzai. Aber prinzipiell gebe es mittlerweile etablierte Protokolle, die technisch gut umsetzbar seien.

Professor Oliver Kurzai ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie an der Uni Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Professor Oliver Kurzai ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie an der Uni Würzburg.

Was macht die Stadt Schweinfurt mit den Ergebnissen?

Im Projekt "Abwasser Biomarker CoV2" soll eine Dateninfrastruktur aufgebaut werden, die bei der Auswertung und Normierung der Messergebnisse unterstützen und als Schnittstelle zu den Inzidenzzahlen der Ge­sundheitsämter dienen soll, erklärt Pressesprecherin Kristina Dietz. Im Rahmen dessen werde auch ein Abwasser-Dashboard zur Visualisierung für die Bevölkerung erarbeitet.

Könnte Abwasser-Monitoring helfen, die Pandemie einzudämmen?

"Infektionen, die im Abwasser nachgewiesen werden, kann man nicht mehr verhindern – sie haben ja bereits stattgefunden", sagt Professor Kurzai. Daher sei die Viruslast im Abwasser allenfalls als Frühwarn-Parameter geeignet, um einen raschen Anstieg der Infektionsaktivität möglichst schnell zu erkennen und dann Maßnahmen - wie zum Beispiel eine Maskenpflicht oder die Reduktion von Kontakten - einzuleiten.

In Schweinfurt dient das Monitoring der Kommune zur Bestätigung der amtlichen Fallzahlen. "Wir sehen einen Aufwärts- oder Abwärtstrend mit einer gewissen Vorwarnzeit von fünf bis 14 Tagen", erklärt Pressesprecherin Dietz. "Wenn die Vorwarnzeiten künftig über geeignete Stellen entsprechend kommuniziert werden, könnten zumindest die Erkrankungszahlen durch frühzeitige Gegenmaßnahmen - wie zum Beispiel konsequente Maskenpflicht, verstärkte Hygiene-Maßnahmen, Vermeiden von Menschenansammlungen - reduziert werden", sagt Dietz.

Könnte das Monitoring die Schnelltest ersetzen?

Im vergangenen Jahr zahlte der Bund monatlich eine Milliarde Euro für Schnelltests, die jedoch kein umfassendes, zeitnahes Bild zur Infektionslage lieferten. In die offizielle Statistik fließt nur ein, wer einen positiven PCR-Test hatte. Offen in der Debatte ist die Frage, wie mit den Ergebnissen des Abwasser-Monitorings und den vermutlich höheren Infektionszahlen umgegangen wird und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

"Die Würzburger Messungen gehen bislang noch nicht an eine zentrale Stelle, die bundesweit oder europaweit Auswertungen vornehmen würde, sondern unterstützen die örtlichen Entscheidungsträger", sagt Georg Wagenbrenner von der Pressestelle der Stadt Würzburg. 

Welche Bedeutung hat das Abwasser-Monitoring für den weiteren Verlauf der Pandemie?

"Eine breit aufgestellte Überwachung des Infektionsgeschehens, zu der das Abwasser-Monitoring gehört, ermöglicht es, die Entwicklung des Infektionsgeschehens noch besser zu beurteilen und Entwicklungen abzuschätzen, vor allem auch mit Blick auf die Ausbreitung besorgniserregender Virusvarianten", sagt eine Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministerium. Das Monitoring erlaube Rückschlüsse auf Trends in der Zu- und Abnahme von Infektionen mit dem Coronavirus, unabhängig von der Zahl durchgeführter Tests in der Bevölkerung. "Auch kann nachgewiesen werden, welche Virusvarianten zirkulieren. Allerdings ist die Standardisierung der Methodik noch im Aufbau", so die Ministeriumssprecherin.

Der bayerische Fünf-Punkte-Plan für den kommenden Herbst sieht vor, das Monitoring weiter zu stärken. "Wir werden die regionale Abdeckung der Abwasseruntersuchungen ausweiten, so dass in jedem Regierungsbezirk mindestens zwei Standorte beprobt werden", sagt die Ministeriumssprecherin.

Genügt das Abwasser-Monitoring zur Vorbereitung auf den Corona-Herbst und -Winter?

"Wir müssen davon ausgehen, dass es im nächsten Herbst und Winter eine erhebliche Infektionsaktivität gibt", sagt Professor Oliver Kurzai. Dadurch werde aller Voraussicht nach auch die Zahl der schwer Erkrankten wieder zunehmen. Doch: "Die wahrscheinlich erwartbaren Virusvarianten sind weniger aggressiv, viele Menschen sind geimpft und auch die jetzige Sommer-Infektionswelle - gerade in Kombination mit der Impfung - wird zu einem gewissen Schutz vor schweren Verläufen beitragen", so der Virologe. Für den nächsten Herbst und Winter sei aus seiner Sicht wichtig, dass möglichst viele Menschen und zumindest alle Risikopatienten geimpft und aufgefrischt sind. "Zudem halte ich es für sinnvoll, in Innenräumen, in denen viele Menschen zusammenkommen, wieder eine Maskenpflicht einzuführen – und zwar möglichst bevor die Zahlen sehr hoch sind", sagt Kurzai.

 
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