Hell, modern und gemütlich zugleich: Genau so wollte Martin Schleyer sein Natur-Domizil aus nachwachsenden Rohstoffen haben. In genau so einem Haus wollen der Biobauer und seine Partnerin Jeannette in den nächsten Jahren die Produkte ihres Naturhofes verkaufen – und später einmal darin wohnen. Und genau so hat der 41-jährige Repperndorfer das Haus aus heimischem Lehm, Stroh, Sand, (Bläh-)Glas und Holz deshalb skizziert, geplant – und schließlich mit seinen eigenen Händen gebaut.
Quasi ein Schnäppchen: 65.000 Euro für das ganze Haus bezahlt
Apropos alles: Angefangen vom Plan – "ich habe Technisches Zeichnen in der Schule gelernt und konnte dem Architekten quasi einen fertigen Plan übergeben" – bis hin zum Isolieren und Decken des Daches mit über 100 Jahre alten Ziegeln hat Martin Schleyer sich branchenübergreifend eingebracht. Die Bodenplatte hat er vor Weihnachten 2021 selbst betoniert, beim Aufrichten der Holzständer wenige Monate später hat er mit Hand angelegt, ebenso beim Verbrettern der Decke.
Die Einweihung steht kurz bevor. Schon der erste Blick in die gute Stube des Neubaus an der Bleiche 7 in Repperndorf zeigt, wie viel Sorgfalt und Liebe in dem eingeschossigen Gebäude mit rund 100 Quadratmetern Nutzfläche steckt. Der Lehmputz zwischen den braunen Holzbalken ist sanft abgerundet. Ebenso an der gemauerten Lehmziegelwand, die zur Küche führt und vor der im Ofen ein Feuer knistert. Ob er stolz darauf ist, ein ganzes Haus fast komplett in Eigenleistung errichtet zu haben – und das gerade mal für rund 65.000 Euro?
Martin Schleyer grinst leicht, zuckt dann aber mit den Schultern. Der leidenschaftliche Barfußläufer hat noch nie viel Aufhebens um sich und seine Art zu leben gemacht. "Ich hatte mir das so vorgenommen. Und so habe ich es gemacht", sagt er leichthin.
Im Herbst 2020 ist er mit seiner Partnerin Jeannette sowie seinem Vater Hans Schleyer angetreten, den Beweis zu erbringen: Wer handwerklich und technisch geschickt ist, kann beim Bauen jede Menge sparen. Ein Haus aus ressourcenschonenden Materialen in Holzständerbauweise und mit Lehmwänden sollte der neue Hofladen werden, den Martin und Jeannette später mal als (Alters-)Wohnsitz nutzen wollen. Die Schleyers sind von ihren positiven Eigenschaften des Lehms überzeugt: "Das Raumklima ist einfach spitze, die Luftfeuchtigkeit reguliert sich ganz natürlich", schwärmt Hans Schleyer, der seit zwei Jahrzehnten in einem Haus aus Tonerde wohnt.
Schleyer baute schon in Sri Lanka und im Niger mit Lehm
Sein Sohn Martin hat mit dem Naturmaterial ebenfalls Erfahrung, vor allem durch seine caritativen Projekte. Nach der Flutkatastrophe 2004 in Sri Lanka hat er vor Ort beim Bau neuer Häuser geholfen, später hat er im afrikanischen Niger Lehmöfen für die Bevölkerung errichtet.
Der Lehm für den Hofladen kam vom eigenen Feld. Dazu baggerten die Schleyers eine kaum 200 Meter vom Neubau entfernte Wiese auf rund drei mal drei Metern auf. Bis 30 Zentimeter unter der Oberfläche war dunkler Mutterboden zu finden. Darunter lag das begehrte Baumaterial, aus dem Martin Schleyer und Jeannette Kähler Lehmsteine für die Innenwände produzierten. Vermischt mit Stroh von eigenem Getreide, Wasser und etwas Blähglas aus Schlüsselfeld – Mini-Kügelchen aus geblähtem Altglas, die gut isolieren – formte das Paar mit Hilfe einer selbstgebauten Holzkonstruktion rund 1.300 Lehmsteine, jeder so groß wie ein herkömmlicher Ziegelstein.
Das gleiche Material – nur in einem anderen Mischungsverhältnis – schaufelten und stampften die Repperndorfer nach dem Richtfest Mitte 2022 per Hand in die Holzverschalungen für die Außenwände. "Eine schweißtreibende Arbeit", erinnert sich Martin Schleyer. Jeannette grinst und fügt hinzu: "So wie eigentlich alles."
Als gelernter Gas-Wasser-Installateur war es für Schleyer kein Problem, die Versorgungsleitungen zu legen. Nur bei der Elektrik "hab‘ ich dann doch zwei Fehler gemacht, die aber auszubessern waren", erzählt der Bauherr, dem die eigene Photovoltaikanlage Strom liefert. Fenster und Türen baute er selbst ein, auch den Innenputz mit Bio-Silikatfarbe brachten er und Jeannette eigenhändig auf. "Zwölf Tage haben wir dafür gebraucht." Fast ebenso lange schliff und ölte Martin Schleyer in der Schreinerei mit, welche die Hofladen-Regale kreierte.
Andere Möbelstücke, etwa ein Buffet und ein Innenfenster, sind schon um die 100 Jahre alt. Jeannette hat sie feinfühlig restauriert. Sie verleihen dem Laden ein besonderes Flair.
Vater Hans hielt den Biohof am Laufen
Während Sohn und Schwiegertochter sich um den Neubau und zudem um ihre fünfköpfige Familie kümmerten, hielt Vater Hans den landwirtschaftlichen Betrieb am Laufen. "Ohne ihn hätte das alles nicht funktioniert", sagt Martin Schleyer.
Gemüse, Eier, Milch, Mehl, Saft und Brot in Bioqualität
Genau am 42. Geburtstag des Bauherrn, dem 13. Februar, öffnet der Hofladen mitsamt Lager und Mitmach-Küche erstmals die Tür für die Kunden. Jeannette Kähler hat viele Regale bereits bestückt, nicht nur mit Gemüse, Eiern und Milch. Als Erlebnis- und Ortsbäuerin, die künftig auch Workshops und Bauernhoftage für Schülerinnen und Schüler anbieten will, hat sie Aufstriche, Sirup aus Rosen, Waldmeister, Quitte und Holunder sowie Kräutersalz-Variationen selbst gemacht, ebenso gekörnte Gemüsebrühe aus dem hofeigenen Gemüse. Es gibt Haferflocken, Mehl – auch Emmer und Einkorn – Kräutertee, Säfte, Wein und Knäckebrot, allesamt aus Repperndorf.
Von Bio-Partnern aus der nahen Umgebung stammen Nudeln, Öle, Brot und Backwaren. "Gerne können die Kunden eigene Behälter mitbringen, in die wir jeweils die Wunschmenge abfüllen", sagt Kähler. "Wir wollen so nachhaltig leben und arbeiten, wie es geht."
Mit ihrem neuen Haus haben die Schleyers dieses Motto sichtbar gemacht. Nonchalant stellt Hans Schleyer fest: "Wenn das Gebäude irgendwann mal abgerissen werden sollte, kann man die meisten Materialien einfach auf den Acker fahren."
Naturhof mit Bauernladen