
Wie eine Küchenmaschine für Riesen. So sieht der Mischer aus. Und so klingt er auch. Die Masse, die er zusammenrührt, erinnert an Dinkelteig. In Wahrheit schüttet Martin Schleyer allerdings gerade mit Wasser verdünnten Lehm in die große Stahlschüssel. Ein gigantischer Rührarm vermischt den Lehm mit millimeterkleinen Blähglaskügelchen. Aus dem zähflüssigen braunen Brei, der dabei entsteht, werden die Außenwände des künftigen Bioladens auf Schleyers Demeterhof in Repperndorf.
Ein Haus, komplett aus recycelbaren Materialien – gibt es das? Biolandwirt Martin Schleyer, seine Lebensgefährtin Jeannette und sein Vater Hans beweisen: Ja, so etwas gibt es. Sie bauen derzeit an einem 100 Quadratmeter großen Hofladen in Holzständerbauweise, der zu 100 Prozent aus heimischem Lehm, Stroh, Holz, Sand und (Bläh-)Glas bestehen wird. Das innen schön verbretterte Dach ist bereits gedeckt – mit 100 Jahre alten, voll intakten Ziegeln, die vom Abriss einer Scheune übrig waren. Innen werden gerade die Wände mit einem Lehm-, außen später mit einem Kalk-Gemisch verputzt.
„Was wir nicht selbst herstellen können, versuchen wir gebraucht zu bekommen“, erklärt Jeannette. Kürzlich hat sie ein altes Holzfenster vor der Entsorgung bewahrt und will dieses, schön restauriert, zwischen Verkaufsraum und Küche einmauern. Ihr Lebensgefährte Martin Schleyer erklärt: „Nachhaltigkeit ist für uns das Wichtigste.“
Vater Hans Schleyer nickt: „Wenn das Ding irgendwann mal wieder eingerissen wird, kann man die Bestandteile – mit Ausnahme der Bodenplatte – einfach auf den Acker fahren.“ Also dahin, wo ein Großteil des Baumaterials herkam.
Kaum 200 Meter von der Hofladen-Baustelle entfernt haben die Schleyers eine etwa drei mal drei Meter große Fläche in der Wiese aufgebaggert. Bis 30 Zentimeter unter der Oberfläche ist dunkler Mutterboden zu sehen, darunter liegt das begehrte Baumaterial: Lehm. Aus ihrer Lehmgrube haben Martin Schleyer und Jeannette bisher rund sieben Kubikmeter entnommen.
Zuerst, um eigene Lehmsteine zu produzieren. Vermischt mit Stroh und etwas Blähglas – Mini-Kügelchen aus geblähtem Altglas, die gut isolieren – , formten die beiden im Herbst gut 1.300 „Steine“ für die späteren Innenwände. Sie pressten je ein Eimerchen Lehmmasse in eine selbstgebaute Holzform, so groß wie ein herkömmlicher Ziegelstein. Die noch feuchten Lehmquader legten sie zum Trocknen auf dem Boden ihrer Scheune aus. 40 Steine schaffte das Paar pro Stunde.
Aktuell entstehen daraus die Innenwände des Ladens, die Abtrennungen zwischen Verkaufsraum, Lager und einer Küche, in der Jeannette nicht nur eigene Hof-Spezialitäten wie Kräutersalz und Pesto herstellen, sondern gern auch die eine oder andere Kochveranstaltung abhalten will.
Die Mischung macht's
Wie man mit dem Naturmaterial Lehm baut, weiß Martin Schleyer zum einen aus caritativen Projekten. Der Repperndorfer hat nach der Flutkatastrophe in Sri Lanka beim Bau neuer Häuser geholfen, später hat er Lehmöfen in Niger errichtet. Das richtige Mischungsverhältnis von Lehm, Stroh und Blähglas hat er dort gelernt. Zum anderen hat er schon vor 20 Jahren am Haus seiner Eltern mitgebaut, die ebenfalls auf heimischen Lehm gesetzt hatten. „Meine Mutter hatte mal ein Buch über den Naturbaustoff Lehm aus der Bücherei mit heimgebracht. Damit hat alles angefangen“, erinnert sich der 41-Jährige. „Mich hat neben den feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften des Lehms auch die Tatsache fasziniert, dass man so sehr naturnah und umweltschonend bauen kann: Den Lehm holen wir vom Acker, das Stroh ebenso und das Blähglas kriegen wir von einer Firma aus Schlüsselfeld.“ Außer Strom für den Mischer und Sprit für den Traktor brauchen die Schleyers kaum Energie. „Das Meiste am Bau schaffen wir mit Muskelkraft.“
Um zu zeigen, wie das geht, fährt der Biobauer eine Schubkarre voller Lehmgemisch neben die Außenwand des Hauses. Schaufel für Schaufel befördert er nun den Lehmbrei in die Verschalung zwischen den Holzbalken, die zum Teil von einer alten Scheune stammen. 36 Zentimeter dick werden die Außenwände – genau wie bei herkömmlichen Ziegelsteinbauten auch.
„Wunderbares Raumklima“
Martins Vater Hans schnappt sich, ebenso wie Jeanette, ein Kantholz, mit dem er den zähflüssigen Lehm gleichmäßig zwischen den Schalungslelementen verteilt. Er ist, wie sein Sohn, ein leidenschaftlicher Lehm-Fan, seit er in seinem Lehm-Haus wohnt: „Wir haben ein wunderbares Raumklima in unserem Haus“, sagt er. Die Luftfeuchtigkeit werde ganz natürlich reguliert. „Total angenehm zum Leben ist das.“
Und bald eben auch zum Verkaufen der selbsterzeugten Produkte. „Im Sortiment haben wir unser Gemüse und unsere Kartoffeln, aber auch eigene Säfte“, zählt Jeannette auf. „Um Hafer-, Dinkel- und Maismehl verkaufen zu können, haben wir uns jetzt sogar eine Mühle gekauft.“ Außerdem wird es selbstgemachtes Sauerkraut, Haferflocken und Milch geben – alles in Demeter-Bioqualität. Aus Dinkelspreu stellen die Schleyers zudem Einstreu für Kleintiere her.
Wie naturnah man leben kann, zeigen die Bauherren und Biolandwirte Interessierten gerne. Schulkinder sind jetzt schon regelmäßige Gäste auf dem Schleyerhof mit seinen Kühen, Hasen und Hühnern. Interessierte Erwachsene dürfen sich auch umsehen, allerdings wird es noch etwas dauern, bis der Bioladen Eröffnung feiert. „Da wir so gut wie alles selbst machen, neben der Hofarbeit, dauert es halt“, sagt Martin Schleyer. Eigentlich war die Eröffnung nach zwei Jahren Bauzeit für diesen Herbst geplant, doch der Zeitplan wird eng. Schleyer bleibt dennoch entspannt. „So ist das Leben“, sagt er. „Man kann nicht alles genau planen.“ Vorauszudenken ist ihm trotzdem wichtig: „Wenn wir den Hofladen irgendwann mal nicht mehr brauchen sollten, kann daraus jederzeit Wohnraum entstehen.“











