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Geiselwind
Nach schwerem Unfall in der Nacht auf der A3: Feuerwehr-Einsatzleiter muss 4,5 Kilometer zu Fuß zur Unfallstelle laufen
Der Unfall im Baustellenbereich führt zu bizarren Szenen: Retter, die wegen der Enge selbst stundenlang im Stau stecken bleiben, und ein Einsatzleiter, der schwere Vorwürfe erhebt.
Sieben Fahrzeuge waren in der Nacht auf der A3 bei Geiselwind ineinander verkeilt und teils übereinander gestapelt.
Foto: Ferdinand Merzbach, News5 | Sieben Fahrzeuge waren in der Nacht auf der A3 bei Geiselwind ineinander verkeilt und teils übereinander gestapelt.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 28.12.2024 02:32 Uhr

Der Marathon des Johannes Hofmann beginnt in der Nacht zu Freitag bei Autobahnkilometer 337, und er endet bei Kilometer 341,5. "An der Unfallstelle", wie Hofmann sagt. Keine Ahnung, wie lange er gebraucht hat für die Strecke. Viereinhalb Kilometer im Stechschritt auf der Bundesautobahn 3, Fahrtrichtung Nürnberg, ringsherum Stillstand, vorbei an Menschen, die im Auto schlafen, die sich unterhalten, die gestikulieren und die alle gefangen sind im Stau. Nichts geht mehr, weder vor noch zurück.

Hofmann aber ist kein Lkw-Fahrer, er ist kein Urlaubsheimkehrer und kein Berufspendler, Hofmann ist in dieser Nacht der Einsatzleiter einer Truppe, die bei Autobahnkilometer 341,5 helfen soll. Bergen, retten, löschen – das Motto der Feuerwehr. Tatütata, die Feuerwehr ist da, jeder kennt das Kinderlied. Aber was, wenn die Feuerwehr da ist und keiner macht Platz? Was, wenn die, die retten und helfen sollen, selbst Hilfe benötigen und im Stau stecken bleiben wie in dieser kalten Nacht auf der A3?

Sieben Menschen wurden bei dem heftigen Zusammenstoß auf der Autobahn verletzt, zwei von ihnen schwer.
Foto: Ferdinand Merzbach, News5 | Sieben Menschen wurden bei dem heftigen Zusammenstoß auf der Autobahn verletzt, zwei von ihnen schwer.

Um 22 Uhr am Donnerstagabend sind sie schon einmal draußen gewesen, die Männer und Frauen der Feuerwehr Geiselwind, alles Ehrenamtliche. Keine große Sache dieser erste Einsatz, schnell erledigt. Im Gerätehaus sind sie noch am Putzen und Aufräumen, als um kurz nach Mitternacht ein zweiter Alarm eingeht. "Fast das gleiche Lagebild", sagt Johannes Hofmann. Wieder raus in die Nacht, wieder auf die Autobahn. Aber diesmal gibt es ein Problem.         

Die A3 ist wegen des jahrelangen Ausbaus eine Dauerbaustelle

Seit viereinhalb Jahren ist die A3 zwischen den Kreuzen Biebelried und Fürth/Erlangen eine große Baustelle. Die Erweiterung auf sechs Fahrspuren zerrt an den Nerven. Einige Bereiche sind schon durch, das Nadelöhr liegt aktuell zwischen Geiselwind und Schlüsselfeld. Nur zwei verengte Fahrspuren stehen in beiden Richtungen zur Verfügung. Sieben Fahrzeuge sind dort in der Nacht zu Freitag zusammengestoßen.

Für die Hilfskräfte war es wegen der Enge im Baustellenbereich nicht leicht, bis an den Einsatzort zu kommen.
Foto: Ferdinand Merzbach, News5 | Für die Hilfskräfte war es wegen der Enge im Baustellenbereich nicht leicht, bis an den Einsatzort zu kommen.

Die Fotos von der Unfallstelle zeigen Fahrzeuge, die ineinander verkeilt sind, die teils übereinander hängen. Die Polizei wird später von zwei Schwer- und fünf Leichtverletzten berichten, unter ihnen zwei Kinder, 5 und 13 Jahre alt. Einer der schwer verletzten Männer wird vom Rettungshubschrauber in die Klinik gebracht, er schwebt offenbar in Lebensgefahr. So meldet es noch am Morgen das Nachrichtenportal News5. Die Unfallursache ist zu dieser Stunde unklar.

Die Geiselwinder Feuerwehr rückt mit vier Fahrzeugen aus – und bleibt mit allen im Stau stecken. In einem sitzt Ernst Nickel, der seit 22 Jahren Bürgermeister und seit 44 Jahren Feuerwehrmann ist. "Keine Chance, da durchzukommen", sagt er mit Blick auf die kilometerlange Blechlawine, die ihnen den Weg versperrt.

Der Einsatzleiter bahnt sich zu Fuß den Weg durch den Stau

Kommandant Johannes Hofmann ist in dieser Nacht der Einsatzleiter. Er muss irgendwie vor an die Unfallstelle. Also steigt er in voller Montur aus seinem Fahrzeug, in den Händen zwei Funkgeräte, in die er fortwährend spricht. Er bahnt sich den Weg zwischen stehenden Pkws und Lkws; wie lange es dauert, bis er am Ziel ist, kann er am Morgen danach nicht mehr sagen. Den Leuten, die hier im Stau stecken, macht er keinen Vorwurf: Eine Rettungsgasse sei aufgrund der Enge in der Baustelle gar nicht möglich gewesen.

Vorwürfe erhebt er gegen andere. "Es ist erschreckend", sagt er, "wie die Regierung hier mit Menschenleben umgeht." Siebzig Kilometer Autobahn in derart kurzer Zeit bauen zu lassen gehe zu Lasten der Sicherheit. "Man konnte darauf warten, dass so etwas passiert", sagt er. Deshalb habe er vor einiger Zeit darauf gedrängt, dass es in Fällen wie diesen eine Parallel-Alarmierung gibt: Nur weil von der anderen Seite die Schlüsselfelder Feuerwehr ausgerückt sei, sei die Rettungskette in dieser Nacht nicht gerissen. Noch am Morgen um 6 Uhr, als der Unfall längst gelaufen war, seien vereinzelt Rettungswagen im Stau gestanden.

Die Autobahn war wegen der aufwendigen Bergung bis in den Morgen gesperrt, der Schaden liegt laut Polizei weit über 100.000 Euro.

 
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Kommentare
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  • Florian Evenbye
    Danke für die Vorschläge! Überholverbot oder einspurige Führung fände ich richtig. Und wenn das nicht durchzusetzen ist, Tempo 60. Scheinbar macht das die Autobahndirektion Südbayern regelmässig, während die Direktion Nordbayern das nicht macht. Wenn man die Spurführung auf den A3 Baustellen sieht, wünschte man sich, dass die Zuständigen mit zur Verantwortung für Tote und Verletzte gezogen werden.
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  • Stefan Krug
    ich würde ein generelles Überholverbot in Baustellen anordnen..
    wenn bei erlaubten 80die LKW mit 88 fahren
    was muss da noch riskant überholt werden..

    aber das ist scheinbar ein deutsches Problem
    mal nicht schneller sein zu können..
    wenns dann aber mal wieder gekracht hat
    dann haben sie alle Zeit..
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  • Robert Hippeli
    Die Abwicklung solcher Unfälle ist typisch für deutsche Autobahnen und der Autobahn GbmH täte gut sich an den Kollegen der Europäischen Nachbarländer (z. B. Niederlande) zu orientieren.

    Wer sich im Internet die Seiten der Autobahn GmbH ansieht, wird die Aufgabe „Betriebsstörungen managen“ vermissen und genau so laufen seit Jahren die größeren Unfälle ab.
    Bei solchen Megastaus bekommt man den Eindruck Polizei, Feuerwehr und Autobahn GmbH schieben sich wegen Fachkräftemangel den Schwarzen Peter zu.

    Warum gibt es beim Autobahnausbau in den langen Bauabschnitten keine Not-Ein und -Aus-Fahrten (zur Not über Feldwege)?

    Warum werden bei solchen Betriebsstörungen durch eine schnelle Eingreiftruppe nicht eine rückwärtsliegenden Autobahneinfahrten gesperrt und der Verkehr zwangsabgeleitet oder durch öffnen der Leitplanken der Gegenverkehr einspurig mit Gegenverkehr genutzt …. ?

    Wo sind die Notfallpläne für solche Situationen?
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  • Gerlinde Conrad
    Und wer sind und waren die letzten Verkehrsminister?? Man braucht große Räum- und Einsatzfahrzeuge und keine große Klappe!! K. -H. Conrad
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  • Gertrud Körner
    Was ich nicht verstehe: wenn die Fahrspur in Richtung A durch einen Unfall dicht ist, warum fährt die Feuerwehr dann nicht, entgegen der Fahrtrichtung, aus Richtung A auf der durch den Unfall blockierten Fahrbahn dem Unfall entgegen? Die Fahrbahn müsste ja gänzlich frei sein, da keine Fahrzeuge mehr durchkommen können...
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  • Walter Weiss
    Weil das eben nicht garantiert und daher für die Erstkräfte viel zu riskant ist. Und wenn nur ein Fahrzeug aus einem Parkplatz oder Nothaltebucht losfährt und damit entgegenkommt
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  • Andreas Gerner
    Ein einzelnes entgegenkommendes Fahrzeug hätte in dem Fall keine großen Probleme bereitet, weil es in jede Fahrtrichtung ja 2 Fahrspuren gab.
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  • Peter Koch
    Anscheinend hat es ja die FFW Schlüsselfed so gemacht. Das sind aber Oberfranken die in Unterfranken eigentlich nichts zu suchen haben. Glauben Sie mir, ich kenne mich mit den Befindlichkeiten zwischen Rettungskräften gut aus.
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  • Peter Koch
    Die Regierung ist also wieder mal schuld weil die Autobahn zu schnell gebaut wird.
    Geht's noch Herr Hofmann?
    So ein Unfall kann in jeder ähnlichen Autobahnbaustelle passieren.
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  • Michael Greger
    Keine Ahnung von der Feuerwehr, aber gut gebrüllt..

    Danke an die die diesen Dienst Freiwillig machen und in der Verantwortung als Führungskraft stehen.
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  • Peter Koch
    Stimmt, ich war nur freiwillig beim THW.
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  • Gerlinde Conrad
    Ja Herr Koch und hoffentlich waren Sie auch oft bei solchen Nachteinsätzen dabei! Da entlang der Baustellen viele Betonstraßen laufen, könnte man auch einige Rettungszufahrten schottern! Die Baumaschinen sind da, aber es fehlt oft am Willen K.-H. Conrad!
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Man kann zwar sicher nur froh sein

    wenn man nicht selber so etwas verursacht, aber beim Anblick des "Titelbildes" schießt mir automatisch die Frage durch den Kopf, wie schnell wohl an einer so kritischen Stelle gefahren wurde.

    Wer in einer Baustelle die erlaubte Geschwindigkeit fährt, muss sich doch des öfteren fragen, ob vielleicht sein Tacho erheblich "vorgeht". Mehr Kontrollen und entsprechende Strafen (Fahrverbot etc.), ich glaube da wird es "ganz schnell" ruhiger in den Baustellen...
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  • Harry Amend
    Ich fahre auch des Öfteren diesen Abschnitt der A3 entlang und habe mich schon immer gefragt wie da eine Rettungsgasse funktionieren soll bei der Enge. Die Baustellenabschnitte auf der A3 sind größtenteils eine völlige Fehlplanung für die wohl wieder keiner zur Rechenschaft gezogen wird.
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  • Peter Koch
    Solche Baustellen sind üblich weil es kaum anders geht. Vermeiden ließe sich das nur wenn man die Autobahn nicht ausbauen sondern parallel ganz neu bauen würde.
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  • Roland Albert
    Doch. Es würde einspurig funktionieren…
    Das ist dem Autofahrer jedoch nicht zu vermitteln. Und den Lkw fahrern schon gar nicht…
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  • Michael Kuhn
    Uns als LKW- Fahrer ist es sogar lieber einspurig zu fahren. Nicht umsonst machen wir die Fahrspur zu. Es geht einem gehörig auf dem Nerv wenn man 10-15 km Baustelle hat und man muss aus Platz gründen auf PKW Fahrer auch noch aufpassen. Es gibt Ausnahmen die lieber Unfallfrei ans Ziel kommen und auf das Überholen verzichten. Nur sind das leider wenige.......
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  • Roland Albert
    Dann vermitteln Sie das auch den ausländischen Truckern. Da hapert es dann doch gewaltig beim lesen , verstehen und ausführen von deutschen Verkehrszeichen..
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  • Ulrike Schneider
    Es sind nicht die Trucker, es sind die PKWs die vorbei müssen. Egal wie eng. Oft mit Fahrzeugen die gar nicht die linke Spur erlaubt sind.
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  • Roland Albert
    Das ist aber nicht des Pudels Kern. Fakt ist, dass das vielbesungene Reissverschluss Verfahren einfach nicht funktionieren will, da der Gesetzgeber keine klaren Regeln vorgibt.wäre ein Abstand zwischen den Fahrzeugen vorgegeben, würde das Verfahren besser funktionieren wie momentan, wo durch die aktuelle Regelung nur der Zieharmonikaeffekt gefördert wird.
    Gut gedacht ist manchmal eben auch schlecht gemacht…
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