
Die bayerische Justiz kann an diesem Freitag mit viel Aufmerksamkeit rechnen. In Bamberg am Bayerischen Obersten Landesgericht geht es um eine Entscheidung von hoher Signalwirkung. Auf der Anklagebank: ein Mönch aus Unterfranken, der sein christliches Gewissen über weltliches Recht gestellt hat und per Kirchenasyl Flüchtlinge vor der staatlichen Abschiebung geschützt hat.
Aufsehen erregender Freispruch des Amtsgerichts Kitzingen
In einem Aufsehen erregenden Urteil hatte die Amtsrichterin in Kitzingen im April 2021 Pater Abraham Sauer aus Münsterschwarzach freigesprochen - wohl wissend, dass dies in höherer Instanz grundsätzlich geklärt werden muss. Wenig später sprach das Amtsgericht Würzburg in einem vergleichbaren Fall die Ordensschwester Juliana Seelmann schuldig, weil sie einer Nigerianerin Kirchenasyl gewährt hatte.
Weil weltliches Recht auch für Geistliche gelten soll, ging die Staatsanwaltschaft Würzburg im Fall des Münsterschwarzacher Ordensbruders in die nächsthöhere Instanz. Nun steht vor dem bayerischen "Obersten" der Freispruch auf dem Prüfstand. Im Vorfeld dämpfte Gerichtssprecher Stefan Tratz die Erwartungen: "Es wird ein Einzelfall entschieden." Ob das Urteil auf andere derartige Fälle übertragbar sei, bleibe abzuwarten.
Anwalt verwies auf die garantierte Religions- und Gewissensfreiheit
Sauers Rechtsanwalt Franz Bethäuser hatte schon vor Gericht in Kitzingen auf die vom Grundgesetz garantierte Religions- und Gewissensfreiheit hingewiesen. Sie schütze nicht nur die innere Überzeugung seines Mandanten, sondern auch "eine nach außen gerichtete religiöse Betätigung": die Gewährung von Kirchenasyl.
Nach Auffassung Bethäusers wäre dem 25-jährigen, im Gazastreifen geborenen Asylsuchenden, der in der Abtei Münsterschwarzach Aufnahme fand, mit dem Verbleiben im Kirchenasyl eine Duldung "zu erteilen gewesen" - und damit die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Der Anwalt des Paters hielt es rechtlich für fragwürdig, zwar einen Ausreisepflichtigen nicht abzuschieben, "ihm aber kein Papier auszuhändigen", das ihn zum vorläufigen Bleiben berechtige. Da würde sich nicht nur der Asylbewerber strafbar machen, "sondern auch der Mitarbeiter der Behörde, der dies verweigert", sagt Bethäuser. "Wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt."
Justizministerium beharrt auf geltendem Recht für alle
Genau das wird Bruder Abraham Sauer zur Last gelegt. Zunächst waren beim Kirchenasyl nur die Asylsuchenden selbst im Visier der Strafverfolger. Inzwischen werden aber auch Geistliche beider großen Kirchen sowie Ordensleute zur Rechenschaft gezogen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen.
Die Auffassung des bayerischen Justizministeriums ist klar: Kirchenasyl sei zwar "Ausdruck eines humanitären Engagements der Kirchen für geflüchtete Menschen", lautete bereits im Sommer 2020 eine Stellungnahme. Und: "Auch ein von ehrenwerten Motiven getragenes Engagement muss sich in einem Rechtsstaat an geltendes Recht halten."
Wie die Richter des bayerischen "Obersten" im Fall Sauer verfahren, ist offen. Ungewiss ist laut Pressesprecherin Tretz auch, ob sie noch am Freitag gleich entscheiden - oder ihr Urteil erst später treffen.