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Kitzingen
Mit vielen Bildern: Das geheime US-Waffenlager im Wald: Was diesen Lost Place bei Kitzingen so besonders macht
Im Kalten Krieg wird nahe Kitzingen ein Außenstützpunkt der Larson Barracks errichtet. Die Reste der mächtigen Bunker stehen bis heute. Welches Geheimnis verbirgt sich hier?
Elf Bunker hat die US-Armee im Klingenwald zwischen Kitzingen und Kaltensondheim zurückgelassen. Sie sind vereinnahmt von der Natur und Lost-Place-Jägern.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Elf Bunker hat die US-Armee im Klingenwald zwischen Kitzingen und Kaltensondheim zurückgelassen. Sie sind vereinnahmt von der Natur und Lost-Place-Jägern.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.11.2024 02:33 Uhr

Irgendwo im Nirgendwo zwischen Kitzingen, Kaltensondheim und Sulzfeld wird der schmale Waldweg zur breiten Betonpiste. Sie führt vor ein Tor, das mit einem Schlagbaum der besonderen Art gesichert ist. Zwei dünne Stämme haben sich quergelegt und versperren die Zufahrt zu diesem verwilderten und einst verbotenen Ort. Im Kalten Krieg war das Gelände im Wald ein Hotspot des US-Militärs. Heute ist es entlegene Kulisse der Lost-Place-Jäger, die hingerissen sind von Orten wie diesem. Er übt eine Faszination aus, die sich noch immer ein Stück weit von der Apokalypse nährt.

Fotoserie

Man muss sich dieser einst explosiven Stätte über ihre Geschichte nähern, die heute gnädig überwuchert ist von Moos und sonstigem Grünzeug. Einen Kilometer ostwärts befanden sich die Larson Barracks mit Tausenden in Kitzingen stationierten US-Soldaten, 400 Meter westlich war ein Sondermunitionslager, von dem noch die Rede sein wird. Dazwischen lag – gut getarnt unter dichtem Eichen- und Ahornlaub – diese Anlage. Eine dumpfe Festung, die sich unsichtbar machte, jetzt vereinnahmt von der Natur.

Eine dumpfe Festung im Wald: Vermutlich konventionelle Waffen und Munition lagerte das US-Militär von 1984 bis 2006 in diesen Erdbunkern.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Eine dumpfe Festung im Wald: Vermutlich konventionelle Waffen und Munition lagerte das US-Militär von 1984 bis 2006 in diesen Erdbunkern.

Dass ein so wehrhaftes und über lange Zeit abgeschottetes Bauwerk sich heute so nahbar zeigt, dass man Geschichte hier greifen und begreifen kann, ist Teil der Faszination. Seit 2006 die Amerikaner abgezogen sind und das früher streng bewachte Gelände sich selbst überließen, gibt es seine Geheimnisse preis: elf massive Stahlbetonbunker, die man über eine mit Moos überwachsene Betonpiste und eine mannshohe Rampe erreicht.

Die elf Bunker sind in einem erstaunlich guten Zustand 

Ihre Tore stehen weit offen oder lassen sich mithilfe von Kettenzügen immer noch erstaunlich geschmeidig öffnen. Bis zu 20 Meter reichen die Bunker in die Erde; von innen wirken sie wie Kathedralen oder Kunsthallen, die schrundigen Betonwände verziert mit Graffiti.

Mischung aus Kathedrale und Kunsthalle: Weder Feuchtigkeit noch Risse konnten den Bauten über die Jahre etwas anhaben.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Mischung aus Kathedrale und Kunsthalle: Weder Feuchtigkeit noch Risse konnten den Bauten über die Jahre etwas anhaben.

Fast surreal zu sehen, wie die Bauten bisher allen Angriffen der Natur getrotzt haben. Feuchte Wände, Risse oder eindringendes Wasser sucht man vergebens. Man könnte hier Akten oder Gemälde lagern, ohne dass sie Schaden nähmen. Als wären die Bunker wie unter Schutzatmosphäre in der Erde verpackt.

Es ist die Architektur einer Supermacht, die Ästhetik des Kalten Krieges, die hier alle Stürme der Zeit und der Weltgeschichte überdauert hat. Die sechs kleineren Bunker auf der Südseite, die etwa 15 Meter in die Tiefe gehen und drei Meter breit sind, tragen ein gebogenes Stahldach aus Wellblech, im Fachjargon "Steel Arch" genannt.

Die Ästhetik des Kalten Krieges: Bis zum Boden mit Wellblech ausgekleidet sind die massiven Wände der sechs kleinen Bunker.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Die Ästhetik des Kalten Krieges: Bis zum Boden mit Wellblech ausgekleidet sind die massiven Wände der sechs kleinen Bunker.

Die fünf größeren Anlagen auf der Nordseite, Typ Freloc Stradley, 18 Meter lang, sechs Meter breit, fünf Meter hoch, haben ein bogenartiges Dach, das auf vertikalen, 79 Zentimeter dicken Seitenwänden ruht. Nach standardisierten Plänen des Militärs waren sie in Abstand und Lage so konzipiert, dass die gelagerte Munition vor Einwirkungen von außen geschützt war, selbst bei Explosion des Nachbarbunkers – in ihrer massiven Erhabenheit darauf ausgerichtet, alles zu überstehen.

Die Elektroinstallation hat eine Firma aus Würzburg verbaut

Entstanden ist die Anlage im Wald wohl um 1984, in der Zeit der großen Nachrüstungsdebatten in Deutschland. Das Datum findet man als Baujahr auf einem Trafohäuschen knapp außerhalb des Geländes und auch in diversen Internet-Foren. Jeder der elf Bunker hatte einen eigenen Schaltkasten mit elektrischer Sicherungs- und Öffnungseinrichtung. Die Kabel sind nahezu alle verschwunden, aber auf den Kästen klebt noch ein Schild der Firma: Elektro Ullrich, 8700 Würzburg.

Jeder der Bunker hatte seine eigenen Sicherungs- und Öffnungsvorrichtungen. Die Schaltkästen sind weitgehend geplündert.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Jeder der Bunker hatte seine eigenen Sicherungs- und Öffnungsvorrichtungen. Die Schaltkästen sind weitgehend geplündert.

Die Filiale dort gibt es längst nicht mehr, dafür die Zentrale in Weikersheim. Telefoniert man mit Michael Düchs, einem der drei Geschäftsführer, dann erzählt er, dass seine Firma früher viel für die US Army gebaut und verkabelt habe: in Ansbach, in Giebelstadt und eben im Wald bei Kitzingen. Die Pläne waren Verschlusssache. Leider sei der damals verantwortliche Kollege bereits verstorben. Auftraggeber war laut Düchs nicht die US-Armee, sondern das Staatliche Hochbauamt.

Anders als im wenige hundert Meter entfernten Sondermunitionslager, wo zumindest zeitweilig atomare Gefechtsköpfe für die Kurzstreckenraketen Corporal und Honest John stationiert gewesen sein sollen, war in den Bunkern im Wald wohl konventionelle Munition gelagert: Granaten oder Treibladungen. Das US-Militär war nach allem, was man weiß, offenbar die einzige NATO-Streitkraft in Europa, die die von der NATO "empfohlene" Reserve wirklich vorhielt. Dazu brauchte es Lager wie dieses.

Einmal eine Schneise mitten durch den Wald geschlagen: Inzwischen hat sich die Natur weite Teile des Lagers zurückgeholt.
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Einmal eine Schneise mitten durch den Wald geschlagen: Inzwischen hat sich die Natur weite Teile des Lagers zurückgeholt.

Andere Quellen sprechen von Munition für das Kampfflugzeug Thunderbolt, einen zweistrahligen Unterschall-Jet, den die US Air Force ab 1975 gegen Bodenziele und zur Unterstützung von Bodentruppen einsetzte. Die "Donnerkeile" waren auch am Flugplatz der Harvey Barracks in Kitzingen stationiert.

Die Bunker stehen zum Verkauf, aber die Stadt will sie nicht

Was soll nun aus den elf Bunkern und dem 2,6 Hektar großen Gelände werden? Die Antwort kommt direkt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA, in Bonn. Dort wird die Liegenschaft verwaltet, seit die US-Streitkräfte sie im April 2007 aufgegeben haben. Weil der Bund mit der verlassenen Anlage nichts anfangen kann, wurde sie der Stadt Kitzingen zum Kauf offeriert. Und gerade in diesen bewegten Zeiten, mit einem Krieg mitten in Europa, könnte man meinen, dass die Beton gewordene Wehrhaftigkeit wieder gefragt ist.

Was soll aus den massiven Stahlbetonbauten werden, die seit fast 20 Jahren ungenutzt im Wald stehen?
Foto: Hilton Valentine, Local Endeavours | Was soll aus den massiven Stahlbetonbauten werden, die seit fast 20 Jahren ungenutzt im Wald stehen?

Hat nicht der Städtetag neulich erst verlangt, hierzulande neue Schutzräume zu errichten und alte Bunkeranlagen zu reaktivieren? Wahrscheinlich hätte es dieses unverbunkerte Denken für einen Aufbruch an dieser Stelle gebraucht. Doch die Stadt Kitzingen hat das Angebot nach Angaben der BImA dankend abgelehnt, und so will man das Gelände jetzt auf dem freien Markt anbieten. Gut möglich, dass der einst geheime Standort demnächst ganz öffentlich im Internet zum Verkauf stehen wird.

 
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  • Norbert Meyer
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  • Franz Schröter
    Die Bunker werden wahrscheinlich früher wie gedacht wieder gebraucht, bei dieser Politik.
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  • Erich Spiegel
    Man sollte die Bunker reaktivieren. Vermutlich wird man sie irgendwann brauchen. Vielleicht schon in 20 Jahren werden wir uns wehren müssen. Ich glaube nicht dass der 2. Weltkrieg der letzte Krieg in Deutschland war. Der Mensch hat nichts dazu gelernt seit den letzten 2000 Jahren.
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  • Lars Hoffmann
    Es ist verständlich wenn die Kommune abwinkt - Schutzräume und/oder Vorratshaltungsflächen sind sicher einerseits notwendig andrerseits Bundes- bzw. Ländersache - das sollte die BImA als Bundesanstalt wissen und dies auf Bundesebene klären - allerdings setzt das dort Mitdenken und weitsichtiges Handeln voraus wofür die BImA nicht bekannt ist

    Hans Sartoris
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