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Kitzingen
Kitzinger Harvey Barracks: Wie sich 70 Hektar und 100 Gebäude veränderten
Was zuletzt die Harvey-Barracks waren, hatte schon zur Kaiserzeit eine Bedeutung. Jetzt, als Kitzinger Industriepark ConneKT, wurde eine weitere Erfolgsgeschichte hinzugefügt.
Markus Blum (links) und Christoph Schlötterer haben das Projekt 'ConneKT' in wenigen Jahren zum Erfolg geführt. Das neun Jahre alte Kitzinger Industriegebiet ist von A bis Z eine Erfolgsgeschichte.
Foto: Frank Weichhan | Markus Blum (links) und Christoph Schlötterer haben das Projekt "ConneKT" in wenigen Jahren zum Erfolg geführt. Das neun Jahre alte Kitzinger Industriegebiet ist von A bis Z eine Erfolgsgeschichte.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:30 Uhr

Viel exklusiver kann man nicht arbeiten. Das schönste Haus am Platz. Nicht zu verfehlen, der Anfahrtsweg führt direkt hin. Hier war einst die Kitzinger Kommandantur untergebracht, hier liefen die Fäden zusammen. Das war 1917 im Kaiserreich so, als hier eine Flugschule für die aufstrebenden Luftstreitkräfte entstand. Das war später bei der Wehrmacht und dann auch unter US-Flagge so.

Als nach knapp 100 Jahren das militärische Kapitel beendet war und die zivile Nutzung begann, änderte sich nichts an der Bedeutung der dreiflügeligen Anlage: Von hier aus werden weiterhin die Weichen gestellt. Das Haus mit der eher unspektakulären Nummer 103 ist unumstrittener Mittelpunkt, das Herz des Parks.

Ein 1,6 Kilometer langes Nebengleis der Bahnstrecke von Etwashausen nach Schweinfurt führt durch den Industriepark. Markus Blum hatte für die gesamte Strecke Kaufbereitschaft signalisierte, doch die Verhandlungen liefen ins Leere.
Foto: Frank Weichhan | Ein 1,6 Kilometer langes Nebengleis der Bahnstrecke von Etwashausen nach Schweinfurt führt durch den Industriepark.

Die Männer, die heute hier die Weichen stellen, heißen Markus Blum und Christoph Schlötterer und sind unter anderem Geschäftsführer des Projektentwicklerbüros Blumquadrat. Ihre Geschichte im Haus 103 beginnt im November 2012. Damals bekam man den Zuschlag für die zum Verkauf stehende frühere US-Liegenschaft, die seit dem Abzug der Amerikaner seit 2006 leer stand. Im März 2013 zog die Iphöfer Firma mit der offiziellen Übergabe des neuen Industrieparks, der oft wie eine Parkanlage wirkt, endgültig in das ehemalige und jetzt gründlich sanierte Kommandantur-Gebäude.

70 Hektar und 100 Gebäude warteten auf Entwicklung

Was bis dahin noch Harvey-Barracks hieß, trug nunmehr den Wortspiel-Namen ConneKT. Ein Technologiepark, der – so war der Plan – in zehn Jahren entwickelt werden sollte. 70 Hektar und rund 100 Gebäude warteten auf eine Neubelebung. Dazu kommen gut 130 Hektar wertvolle Naturflächen (FFH), die nicht angetastet werden.

Und es wartete noch etwas: viele Hürden. Bis zum Baurecht im August 2015, um verkaufen und vermieten zu können, war es ein steiniger Weg, betont Blum. Zudem richtete sich der Blick immer wieder gen Boden: Altlasten konnten ebenso jederzeit auftauchen wie Kampfmittel, also beispielsweise die berüchtigten Blindgänger. Eine Rechnung mit einigen Unbekannten, eine extra Portion Risiko für die Investoren.

Dass letztlich alles viel schneller ging, spricht für die Investoren. Zu 90 Prozent ist alles geregelt, man sei "eigentlich fertig", sagt Markus Blum mit einem breiten Lächeln.

Hangar und den Tower stehen aktuell noch leer, die Idee einer Stadthalle konnte sich nicht durchsetzen.
Foto: Frank Weichhan | Hangar und den Tower stehen aktuell noch leer, die Idee einer Stadthalle konnte sich nicht durchsetzen.

Gewonnen und ihr Risiko abgemildert hatten die Investoren mit einem Coup gleich zu Beginn: Das Weltunternehmen Schaeffler aus Schweinfurt kaufte sich auf 14,8 Hektar ein und baute ein europaweites Verteilerzentrum, das 2017 in Betrieb ging.

Danach ging es Schlag auf Schlag, Überholspur war angesagt. Ein bunter Mix zog in die ehemalige US-Flugplatzkaserne, von Weltfirmen bis zum Handwerkermeister. Knauf verlagerte beispielsweise seine IT-Sicherheit in den Park. Das Jobcenter siedelte sich an, ebenso Schäflein-Logistics, ein Gebäudereiniger und der schwedische Autozulieferer Veoneer.

Das Ziel: 2000 Arbeitsplätze

Aktuell bringt es der Industriepark auf 1400 Arbeitsplätze. Kommendes Jahr sollen es dann 1700 sein, am Ende sogar 2000. Vor allem Büroflächen sind noch zu haben, hier dämpfte Corona zuletzt die Nachfrage.

Der Luftsportclub Kitzingen nutzt die Landebahn wieder, braucht aber den Hangar nicht. Was daraus werden könnte, ist derzeit noch unklar.
Foto: Frank Weichhan | Der Luftsportclub Kitzingen nutzt die Landebahn wieder, braucht aber den Hangar nicht. Was daraus werden könnte, ist derzeit noch unklar.

Jetzt, da langsam alle wieder in die Büros zurückkehren und die Corona-Lockdowns überwunden scheinen, wird auch an einem besseren Bus-Pendelverkehr gearbeitet. Den Investoren schwebt "ein Stadtbusverkehr mit einem ordentlichen Takt" vor. Das dazugehörige Versprechen lautet: "Da sind wir dran", betont Markus Blum. Zudem werden demnächst Schnellladestationen für E-Autos nachgerüstet.

An vielen Ecken wirkt der Industriepark tatsächlich wie ein Park – hier mit Blick auf das Europa-Verteilerzentrum von Schaeffler.
Foto: Frank Weichhan | An vielen Ecken wirkt der Industriepark tatsächlich wie ein Park – hier mit Blick auf das Europa-Verteilerzentrum von Schaeffler.

Überhaupt wuchs die Infrastruktur von Anfang an immer mit: Nachdem es zunächst nur im Norden über die Staatsstraße nach Großlangheim eine Zufahrt gegeben hatte, folgten bald eine West- sowie Ostzufahrt. Die ehemalige Kirche wurde zu einem Veranstaltungsraum umfunktioniert, auf 200 Quadratmetern können jetzt Veranstaltungen für 199 Personen stattfinden. Noch ein Meilenstein: Gleich nebenan machte der Sonderlandeplatz, den der Kitzinger Luftsportclub (LSC) betreibt, wieder auf.

Der sowieso schon grüne Park wurde auch auf eine andere Art immer grüner: Auf den Dächern des Parks landeten mehr und mehr PV-Anlagen. Kam der Strom zunächst aus einem mit Holzpellets betriebenen Drei-Megawatt-Nahwärmekraftwerk, gab es ab 2018 ein neues Acht-Megawatt-Kraftwerk. Möglichst viel in Eigenregie, unbedingt Co2-neutral – das hat man sich ganz fest auf die Fahnen geschrieben.

Auch das Kitzinger Jobcenter hat eine neue Heimat im Industriepark ConneKT gefunden.
Foto: Frank Weichhan | Auch das Kitzinger Jobcenter hat eine neue Heimat im Industriepark ConneKT gefunden.

Natürlich kann nicht alles klappen – dazu zählt beispielsweise die Bahnstrecke von Etwashausen nach Schweinfurt. Der Abschnitt, damals von vielen schon totgesagt, interessierte Markus Blum, und der Projektentwickler signalisierte Kaufbereitschaft. Die Verhandlungen hinter den Kulissen liefen – am Ende jedoch ins Leere. Heute ist von den 1,6 Kilometern, die als Nebengleis mitten durch das Industriegebiet laufen, inzwischen ein Teil abgebaut.

Vertane Stadthalle-Chance

Eine weitere Idee, die ebenfalls nicht umgesetzt wurde: Hangar und Tower stehen noch leer, der Luftsportclub braucht sie nicht.

Christoph Schlötterer (links) und Markus Blum vor der ehemaligen Kirche, die zu einem Veranstaltungsraum für 199 Personen umfunktioniert wurde.
Foto: Frank Weichhan | Christoph Schlötterer (links) und Markus Blum vor der ehemaligen Kirche, die zu einem Veranstaltungsraum für 199 Personen umfunktioniert wurde.

Die große Halle mit Parkettboden und den Nebengebäuden drängt sich als Veranstaltungszentrum geradezu auf. Eine Stadthalle für Kitzingen – die Stadt hätte zugreifen können. Warum das nicht geschah, gehört zu den großen Rätseln der jüngeren Stadtgeschichte und lässt heute noch viele den Kopf schütteln.

Eine von vielen Erinnerungen an die US-Kasernen-Zeit.
Foto: Frank Weichhan | Eine von vielen Erinnerungen an die US-Kasernen-Zeit.

Bleibt noch eine Frage: Wenn doch der Park fast fertig entwickelt ist – was wird dann aus der Zentrale in Haus 103? Schafft sich Blumquadrat selber ab? Die Inhaber schütteln den Kopf: Zum einen gibt es ja noch das Architekturbüro Blum/Diez. Dann ist da die eigene Hausverwaltung. Und schließlich kommen auf die Vermarktungsfirma immer wieder neue Aufgaben zu, zuletzt in Giebelstadt. Insgesamt arbeiten in der Zentrale derzeit 35 Mitarbeiter. Das Herzstück mit der 103 bleibt also auch in Zukunft Herzstück.

Das militärische und auch zivile Herzstück: Die einstige Kommandantur ist heute Firmensitz des Investors mit 35 Mitarbeiter.
Foto: Frank Weichhan | Das militärische und auch zivile Herzstück: Die einstige Kommandantur ist heute Firmensitz des Investors mit 35 Mitarbeiter.

Von den Harvey Barracks zu ConneKT

Abschied: Als sich die Amerikaner am 29. Juni 2006 aus Kitzingen verabschieden, lassen sie rund 400 Hektar Militärgelände zurück: Harvey Barracks, Marshall Heights an der B 8, Richthofen Circle und Corlette Circle (beide an der Straße nach Großlangheim) und Larson Barracks. Der Abzugs-Appell findet mit Pauken und Trompeten in der Nähe der Kommandantur statt.
Markus Blum ist Architekt. Er baute für Weltfirmen Industrieanlagen in Größen bis zu 100 000 Quadratmetern und entwickelte beispielsweise auch den Giebelstädter Flugplatz. Fünf Tage vor seinem 40. Geburtstag übernahm er 2013 die Harvey Barracks. Über den Preis, den er mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ausgehandelt hat, ist Stillschweigen vereinbart.
Die Blumquadrat GmbH beschäftigt sich mit Projektentwicklung und ist aus dem Architektur- und Planungsbüro Blum Diez GmbH hervorgegangen. Blum Diez Planung + Architektur war seit 1993 in Iphofen ansässig. Im Auftrag internationaler Firmen wurden neue Standorte im In- und Ausland gesucht und bebaut. Ab 2008 betreute Markus Blum die Konversion des früheren US-Militärflugplatzes in Giebelstadt und dessen Wiederbelebung als Regionalflugplatz.
Quelle: MP
 
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    Herr Blum und Kolleg*innen habe da ganze Arbeit geleistet. Meine Hochachtung.
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