
Von oben sieht es aus, als wäre ein riesiges UFO gelandet. Mitten im Kitzinger Klosterforst, geschützt hinter Stacheldraht, breitet sich auf einer großen Betonbrache ein Gebäude aus, das sich noch immer nach Kräften gegen die Außenwelt abschottet. Ein schmaler Waldweg zweigt von der alten Panzerstraße ab. Man passiert einen Bungalow, an dem alle Fensterscheiben eingeworfen sind, stößt auf eine Art Lokschuppen, dessen Tor mit einem mächtigen Steinquader blockiert ist, und dann, hinter einer kleinen Biegung und hohen Bäumen, rückt die gewaltige Halle ins Blickfeld des Lost-Place-Jägers.

Die US-Armee hat das Gebäude, wie so viele andere Immobilien, einst aus dem sandigen Waldboden des Kitzinger Klosterforsts gestampft, mannshoch eingezäunt und mit drei Reihen Stacheldraht gesichert. Eintritt verboten! Ein Teppich aus Vogelgezwitscher legt sich um den Besucher, von der nahen Staatsstraße dringt leises Rauschen. Noch immer stehen die Peitschenleuchten wie schlanke Wachsoldaten Spalier um das ehemalige Militärgelände. Dabei sind die Lichter hier längst erloschen, die lastwagengroßen Rolltore verrammelt, sämtliches Leben ist aus der Halle gewichen. Was verbirgt sich unter ihrem Blechdach, was hinter ihrer fast fensterlosen Fassade, und was hat es mit den Erdhaufen auf dem Gelände auf sich?
Im Warehouse lagerte die US-Armee den Nachschub für die Kasernen
Ein Anruf bei Gaby Drake. Als Leiterin des deutsch-amerikanischen Verbindungsbüros in Kitzingen war sie gut ein Vierteljahrhundert lang erste Ansprechpartnerin bei allen Fragen zur US-Armee; heute ist sie das Gedächtnis dieser Zeit. Das Warehouse im Wald, so erinnert sie sich, diente einst als Zentraldepot für die Versorgung der Streitkräfte. Gut gekühlt und streng bewacht, lagerte hier der Nachschub für die Kantinen der Kitzinger US-Kasernen: Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs, die aus den USA eingeflogen wurden und die Armee weitgehend unabhängig von hiesigen Märkten machte.


Mit dem Abzug der Amerikaner Ende 2006 verlor das Warehouse seine Bedeutung. Draußen stehen ausgemusterte, schrottreife Klimaaggregate. Im Innern findet man heute noch ein großes Hochregallager, von dem kleinere Kühlkammern abzweigen – darin bis unter die Decke reichende Gestelle, die Beschriftungen tragen wie "Butter" oder "French Beans" (Grüne Bohnen). Aus der Dunkelheit der großen Halle taucht ein geöffneter Panzerschrank auf – leer geräumt. Ein unangenehmer, stechender Geruch durchströmt die alte Industrieruine, als wolle sie ungebetene Gäste abhalten.
Im Keller ist noch die komplette Technik zu besichtigen, Schalt- und Relaisschränke, inklusive der großen Diesel-Generatoranlage, die den abgelegenen Standort im Wald autark machte. Ein Wasserschaden hat den Anlagen zugesetzt, sie sind alle am Sockel korrodiert. Abgesehen davon wirkt es, als müsste man nur einen der vielen Knöpfe drücken, um die Maschinerie hier unten neu in Gang zu setzen.


Die Stadt Kitzingen spricht auf Nachfrage von einem "energieautarken, riesigen zentralen Versorgungslager der US Army. Wesentliche Bestandteile waren unter anderem Kühlräume." Mehr ist von dieser Seite nicht zu erfahren. Wer nach Spuren sucht, landet bei einer dürren Zeitungsmeldung aus dem Frühjahr 2010. Nebulös war damals von einem "möglichen Betreiber" und einem "Interessenten für eine kleingewerbliche Nutzung" die Rede. Was mit Blick auf die Dimensionen der Halle witzig klingt: Kleingewerbe unter einem derart großen Dach?
Man muss sich nicht länger den Kopf darüber zerbrechen, weil die Idee niemals Wirklichkeit wurde. Der Stadtrat stimmte dem diffusen Projekt zwar seinerzeit zu und war bereit "das Baurecht für die Umnutzung vergleichsweise schnell zu schaffen"; umgesetzt wurde es dann allerdings nicht.


Fragt man Siegfried Müller, der damals Kitzingens Oberbürgermeister war, dann muss er schon tief im Gedächtnis graben, um die Sache noch einmal hervorzuholen. Ja, es habe da mal eine Anfrage gegeben, aber wer dahintersteckte, weiß er heute nicht mehr – nur, dass der Interessent wieder abgesprungen sei, nachdem ihm die Altlasten-Problematik bekannt worden war. Keiner wusste, was die US-Armee hier nach dem Abzug alles hinterlassen hatte. Das Risiko, im Waldboden auf unliebsame Überraschungen zu stoßen und auf unkalkulierbaren Kosten sitzenzubleiben, war dem Investor wohl zu hoch. Auch die Stadt hatte sich damals für das Objekt interessiert, aber zu weit lagen die Preisvorstellungen zwischen ihr und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümerin auseinander.
Die Stadt hat Pläne, um Gelände und Gebäude wiederzubeleben
Inzwischen ist man einen Schritt weiter. Die Stadt, so heißt es aus dem Rathaus, habe das Gebäude von der BImA gekauft. Sie will es als "Außenstelle von Stadtbauhof und Stadtgärtnerei" nutzen, muss aber erst einmal die planungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen. Bei den Erdhaufen handelt es sich also nicht um die Relikte von Außerirdischen, die hier nachts auf einer Waldlichtung mit dem UFO gelandet wären, sondern um einen recht irdischen Vorgeschmack auf die künftige Nutzung des Geländes.
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag ist kein Aufruf zum Betreten privater Grundstücke. Das Eindringen auf abgezäunte Grundstücke oder verschlossene Gebäude kann eine Strafanzeige wegen Land- oder Hausfriedensbruchs nach sich ziehen.