Als die Moderatoren auf der Bühne den Publikumsjoker ziehen und die Frage in den Raum werfen, ob es am Mainufer einen eigenen Bereich für die Jugend brauche, stecken zwei junge Frauen in der ersten Reihe kurz die Köpfe zusammen. Ein schneller Blickkontakt, dann schießen die Hände der beiden auch schon nach oben. Das Spielchen wiederholt sich bei der Frage, ob es in der Stadt genügend Kulturangebote gebe. Hannah und Johanna haben sich an diesem Abend gegen den Bachelor auf RTL und für das Wahlforum der Main-Post in Volkach entschieden. Die beiden stecken in einem Dilemma: Hannahs Vater kandidiert bei der Kommunalwahl am 15. März für den Stadtrat, aber sie darf mit 17 noch nicht wählen, Johanna darf mit ihren 18 zwar schon wählen, sie will auch wählen gehen. Aber sie weiß noch nicht wen. Deshalb ist sie hier – so wie fast 800 weitere Besucher in der ausverkauften Mainschleifenhalle.
Der Amtsinhaber blickt entspannt auf seine Erben
Fünf Kandidaten, zwei Moderatoren, vier Stehtische, ein Rattansofa – das ist an diesem Mittwochabend wieder der Rahmen für mehr als drei Stunden Kommunalpolitik pur. Nach Kitzingen und Dettelbach ist es das dritte und letzte Main-Post-Wahlforum im Landkreis vor dem Urnengang. Und auch hier wird es nach dem 15. März definitiv einen neuen Bürgermeister geben, weil Peter Kornell (Freie Wähler) nach 18 Dienstjahren seinen Hut nicht mehr in den Ring wirft. Ziemlich entspannt und weitgehend still verfolgt der Amtsinhaber in einer der mittleren Korridore das an diesem Abend jederzeit faire Ringen um seine Nachfolge. Im hellen Bühnenlicht stellen sich Heiko Bäuerlein (CSU), Udo Gebert (Freie Wähler), Mathias Krönert (FDP), Andrea Rauch (Grüne) und Jürgen Wagenhäuser (SPD) den Fragen der beiden Redakteure Barbara Herrmann und Andreas Brachs. Es geht gleich gut los. Als Heiko Bäuerlein, dem Alphabet nach der erste Kandidat, mit seiner Kurzpräsentation fertig ist, springt in der Kulisse eine Dame auf und spendet stehend Applaus. Auch das Publikum muss seine Rolle erst finden, jeder auf seine Weise.
Ein älterer Herr in Reihe eins stoppt auf dem Handy die Redezeit der Kandidaten. Drei Minuten hat jeder Zeit, um sich kurz vorzustellen: mit seiner Vita, seinen Ideen und Zielen. FDP-Mann Krönert ist so frei und nimmt sich 3:24 Minuten, Andrea Rauch schafft es in 2:23 Minuten. Kein Wunder, sie ist die Schnellsprecherin unter den Bewerbern. So flink wie sie verpackt keiner seine Botschaften in Worte. Das geht manchmal auf Kosten der Klarheit. Dabei ist eines allen wichtig: Transparenz gegenüber dem Bürger. Bäuerlein will ein "Bürger-Bürgermeister" sein, Gebert im Rathaus eine "Bürgersprechstunde" einführen, Krönert den Leuten "auf Augenhöhe begegnen", Wagenhäuser und Rauch, beide, wie auch Krönert, bisher nicht im Stadtrat vertreten, weisen immerhin auf Defizite in der städtischen Informationspolitik hin.
Mancher Besucher sucht noch seinen Favoriten
Wie konsequent werden die Kandidaten im Falle einer Wahl sein, wie beharrlich werden sie ihre Ziele verfolgen? Das ist die Frage, die auch Barbara Englert und ihren Mann umtreibt. "Wie in der Presse zu lesen war, haben alle die gleiche Richtung", sagt Barbara Englert mit Blick auf die inhaltliche Nähe der fünf Anwärter, "aber wichtig ist es, diese Richtung auch zu vertreten." Das zielt auf die Glaubwürdigkeit der fünf Bürgermeisterkandidaten, von denen sie bisher "nur drei" näher kennt. Einen Favoriten habe sie, sagt sie noch kurz vor Beginn der Veranstaltung, aber sie glaube nicht, dass sie schon heute eine Entscheidung treffe. Auch Gunter und Ute Dotterweich sind sich "noch nicht hundertprozentig sicher", bei wem sie am 15. März ihr Kreuzchen machen werden. "Drei der Bewerber kennen wir gar nicht." Und so wollen sie sich an diesem Abend überhaupt erst einmal einen "persönlichen Eindruck" über das Quintett verschaffen.
Was sich nach diesem Abend sagen lässt: Bei den wichtigen Themen liegen die Fünf ziemlich nahe beieinander. Das Freibad etwa, das sich in Volkach längst zum Politikum entwickelt hat, wollen alle erhalten – koste es, was es wolle. Für Bäuerlein ist es sogar "ein Symbol, dass wir für die Volkacher da sind". Warum, so insistiert Moderatorin Barbara Herrmann, habe man dann das Gefühl, dass sich in der Sache nichts tut. Da gibt es spontanen Beifall im Publikum. Der ist auch Jürgen Wagenhäuser sicher, dem SPD-Mann und Vorsitzenden des Astheimer Gesangvereins. Inspiriert von der Moderatorin, beginnt er bei der verbalen Kuschelrunde auf dem Rattansofa populäres Liedgut zu schmettern: "Gibt es denn ein schöner Leben, als ein Fuhrmann zu sein?" Für einen Moment fühlt man sich wie in der Oper.
Welcher Kandidat setzt sich mit wem in ein Boot?
Dann wird es noch einmal persönlich: Wer sich mit wem eine Kanutour auf dem Main vorstellen könne, werden die Kandidaten gefragt. Da geht es nicht nur darum, im selben Boot zu sitzen, sondern möglichst auch in eine Richtung zu rudern. Der FDP-Mann Krönert wählt die Grüne Andrea Rauch, was auf Gegenseitigkeit beruht, Wagenhäuser holt sich in Gebert und Krönert gleich zwei Leute ins Boot, und Bäuerlein sagt: "Ich nehme Udo mit – und ich gebe den Takt an." Als das Publikum später, während der Schnellfragerunde, Auskunft darüber geben soll, ob es allen Fünf die Aufgabe zutraue, die Stadt die nächsten Jahre in einen sicheren Hafen zu führen, gehen nur die wenigsten Hände nach oben.
Da zaudern auch Hannah und Johanna, die beiden aufgeschlossenen jungen Frauen aus der ersten Reihe. "Hilfreich und interessant" fanden sie den Abend nach eigenem Bekunden. Bis zur letzten Minute bleiben sie auf ihrem Platz in der Halle, aber zumindest Johanna muss die vielen Eindrücke, die in den gut drei Stunden auf sie eingeprasselt sind, erst einmal wirken lassen. Eines steht für sie immerhin schon fest: "Ich werde auf jeden Fall wählen gehen."