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Kitzingen
"Keiner kann das Wasser aufhalten": Acht Monate nach dem Hochwasser in Kitzingen ist die Angst größer als je zuvor
Juni 2024 flutete der Esbach in Kitzingen unter anderem den Esbach-Hof. Acht Monate später darf das Hotel endlich eine Mauer bauen, steht aber ohne Versicherung da.
Lothar Schenk vom Esbach-Hof zeigt Bilder vom Keller, die das Ausmaß der Verwüstung festhalten. 
Foto: Sarah Gräf | Lothar Schenk vom Esbach-Hof zeigt Bilder vom Keller, die das Ausmaß der Verwüstung festhalten. 
Sarah Gräf
 |  aktualisiert: 07.02.2025 02:35 Uhr

Der 2. Juni 2024: Ein Tag, den Kitzingen so schnell nicht vergessen wird. 55 Häuser ohne Strom, 360 Feuerwehreinsätze, unglaubliche 342 Tonnen Hochwasser-Müll: Das Starkregenereignis überraschte die Kitzingerinnen und Kitzinger in seinem Ausmaß und hinterließ eine Schneise der Verwüstung.

Der kleine Esbach, ein friedlicher Bachlauf zwischen dem Hotel Esbach-Hof und dem Betrieb WSG Bädergalerie, schwoll in kürzester Zeit an und überflutete umliegende Teile Kitzingens. Den Esbach-Hof traf es besonders schlimm. Der Schock sitzt auch nach acht Monaten noch tief.

Es dauerte 20 Minuten: Dann war der Keller des direkt am Bach gelegenen Hotels vollgelaufen, erzählt Lothar Schenk, dessen Frau den Esbach-Hof leitet. Über zwei Meter stieg das Wasser im Untergeschoss an. Seine Frau Christine Schenk konnte noch rechtzeitig den Keller verlassen, bevor Schlimmeres geschieht. Das untere Stockwerk, in dem die Heizungsanlage, die Elektronik, Lebensmittel, Bettlaken und vieles mehr untergebracht war, das für den Betrieb des Hotels unentbehrlich ist, stand vollends unter Wasser. 

Die Elektronik für das gesamte Hotel Esbach-Hof in Kitzingen stand unter Wasser, der Schlamm hatte sich in jeder Ritze und Lücke festgesetzt. 
Foto: Lothar Schenk | Die Elektronik für das gesamte Hotel Esbach-Hof in Kitzingen stand unter Wasser, der Schlamm hatte sich in jeder Ritze und Lücke festgesetzt. 

Ohne Heizung, ohne Strom: Eine Woche nur mit Kerzenlicht ausgekommen

"Eine Woche waren wir komplett ohne Strom", erzählt Schenk. "Beim Abendessen saßen wir eben mit Kerzenlicht da". Viel Zeit zum Verarbeiten des Schocks blieb der Familie und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebs nicht. Nachdem der Keller nach 16 Stunden ausgepumpt gewesen sei, stand ein Berg an Arbeit an: Zusammen mit Familie und Freunden ging's ans begutachten, ausräumen, sauber machen und wegwerfen, was nicht mehr zu retten war. Fünf Container waren bis oben hin mit Hochwasser-Müll gefüllt.

Die Stadt Kitzingen stellte Container für Hochwasser-Müll bereit. Die Schenks füllten fünf davon bis oben hin voll. Im Bild Sascha Mannel, einer der Anwohner.
Foto: Julia Graber | Die Stadt Kitzingen stellte Container für Hochwasser-Müll bereit. Die Schenks füllten fünf davon bis oben hin voll. Im Bild Sascha Mannel, einer der Anwohner.

Drei Wochen hatte der Esbach-Hof geschlossen. "So schnell wie möglich" wollte man wieder öffnen, sagt Schenk. "Viele Dinge waren bei Wiedereröffnung nur provisorisch", so auch die Heizungsanlage. Bei Wiederaufnahme des Hotelbetriebs liefen die Trocknungsgeräte noch im Dauereinsatz. Darauf folgte eine professionelle Reinigung Ende August, Handwerker verputzen die Wände neu und im Oktober reparierte man die Rohre im Keller.

Die anstehenden Arbeiten hatten und haben auch heute kein Ende. Ganz zu schweigen vom Rattenschwanz an Bürokratie, den das Ereignis nach sich zog. "Zwei bis drei Stunden am Tag bin ich zusätzlich zur eigentlichen Arbeit damit beschäftigt", sagt Schenk. "Telefonieren, Handwerker bestellen, mit der Versicherung reden."

"Das Wetter wartet nicht auf uns."
Lothar Schenk

Seit September renne er einer Genehmigung für ein kurzes Mauerstück hinterher. Eine ein Meter hohe Mauer, die die Schenks zum Schutz vor einem erneuten Hochwasser anbringen möchten. Damit das Wasser zumindest nicht nochmal ins Wohnzimmer laufe, sagt er.

Verärgert sei er über diese endlosen Prozesse, die langwierige Bürokratie. "Das Wetter wartet nicht auf uns", sagt Schenk spöttisch. Laut ihm könnten sie nun endlich mit dem Mauerbau starten, doch "beim nächsten Mal bauen wir die Mauer einfach so – ohne Genehmigung", scherzt er.

Hochwasser-Katastrophe stellte den Familiensegen auf die Probe

Nervenaufreibend und anstrengend seien die letzten acht Monate gewesen, sagt Schenk. Ihn und seine Frau, beide über 80 Jahre alt, belaste all der Stress darüber hinaus gesundheitlich, erzählt er. "Auch emotional hat uns das Erlebte mitgenommen. Man ist nicht vorbereitet auf so etwas." Das Hochwasser stellte nicht nur den Hotelbetrieb auf eine harte Probe, sondern auch den Familiensegen. "Wir waren nervlich am Ende, haben nur noch gestritten. Das war sehr schwierig."

Ende letzten Jahres habe sich die Lage in Schenks Augen etwas entspannt. Inzwischen seien "90 Prozent" der Arbeiten erledigt, die Familie komme "etwas zur Ruhe". Die Elementar-Versicherung des Hotels übernehme die Reparaturkosten von 500.000 Euro – auch wenn das Hotel noch auf knapp 150.000 Euro warte. "Da wird noch diskutiert", sagt Schenk.

Eine halbe Million Euro an Reparaturkosten: Kein Wunder, denn das schlammige Wasser stand überall im Kitzinger Esbach-Hof. 
Foto: Lothar Schenk | Eine halbe Million Euro an Reparaturkosten: Kein Wunder, denn das schlammige Wasser stand überall im Kitzinger Esbach-Hof. 

Ein Schock allerdings: 14 Tage nach dem schweren Hochwasser kündigte die Versicherung den Vertrag der Familie. Und jetzt?

"Wie schnell kann so etwas nochmal passieren?", fragt Schenk in Anbetracht dessen, dass der Esbach-Hof und somit seine Existenzgrundlage und die seiner Frau aktuell ohne Absicherung im Falle eines erneuten Hochwassers da stehe. Sie seien auf der Suche nach einer neuen, doch das ziehe sich und sei gar nicht so leicht.

Keine wirkliche Strategie für das kommende Extremwetterereignis

Ob die geplante Ein-Meter-Mauer den Wassermassen Einhalt gebieten kann? Diese Frage beantwortet Schenk ohne zu zögern mit "Nein", schnauft und zieht mit trauriger Miene die Augenbrauen nach oben. Die Angst vor einem erneuten Hochwasserereignis sei groß bei den Schenks. "Das kann morgen wieder passieren. Keiner kann das Wasser aufhalten."

Lothar Schenk zeigt, wo ein Rohr vergangenen Jahres dem Wasserdruck nicht mehr standhielt, aufbrach und noch mehr Wasser in den Keller drückte. Heute ist das Rohr repariert.
Foto: Sarah Gräf | Lothar Schenk zeigt, wo ein Rohr vergangenen Jahres dem Wasserdruck nicht mehr standhielt, aufbrach und noch mehr Wasser in den Keller drückte. Heute ist das Rohr repariert.

Zwar ist inzwischen alles neu verputzt, die neue Heizung eingebaut und die Elektronik wieder in Gang gebracht. Aber bis auf die dürftige Ein-Meter-Mauer und eine verbesserte Rückschlagklappe sei das Inventar ebenso anfällig für die Wassermassen wie zuvor. Es gebe darüber hinaus keine getroffenen Maßnahmen, um besser auf ein erneutes Extremwetterereignis vorbereitet zu sein.

"Bombe in den Keller und zünden."
Lothar Schenk, Esbach-Hof

Ohne Versicherung könne die Familie Schenk eine erneute Reparatur mit solch eklatant hohen Summen auch gar nicht bewältigen, meint er. Man sieht Schenk die Hilflosigkeit in Anbetracht dieser Situation ins Gesicht geschrieben. 

"Wollen wir, das hier nicht verscherbeln und abhauen?", habe Schenk seine Frau gefragt. Die in den Familienbetrieb hineingewachsene Hotelleiterin schüttelte den Kopf, auch wenn auch sie das Geschehene noch nicht verdaut habe. Rückblickend sei das Ereignis ein einschneidendes Erlebnis für die Schenks gewesen. "9,5 von 10" einschneidend, sagt Schenk. Viel Luft nach oben ist da nicht.

Auf die Frage, was das Ehepaar beim nächsten Mal anders machen würde, bleibt Schenk abrupt stehen und sagt: "Ganz ehrlich? Bombe in den Keller und zünden. Noch einmal will ich das nicht mitmachen!" 

 
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Kommentare
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  • Gerlinde Conrad
    Es klingt zwar zynisch, aber wenn man in ein Fluss- oder Bachtal baut, kann es leicht sein, dass das Wasser einmal zu Besuch kommt! Je mehr Leute dort bauen dürfen, umso höher steigt der Wasserpegel, wie in einer Badewanne, wenn noch 2 Personen einsteigen. Die Gefahr bei den Bächen und Flutgräben aus dem Westen von Kitzingen ist seit Jahrzehnten bekannt und könnte sofort mit gestaffelten Regenrückhaltebecken schon lange gebremst werden! Aber leider muss erst immer wieder ein "Arbeitskreis" gebildet werden und dann stehen die jeweiligen OB mit betroffenem Gesicht an den Schadenstellen und schauen den freiwilligen Helfern vom Katastrophenschutz zu, wie sie die Wassermassen bändigen! Die Stadtverwaltung baut trotz Warnungen wieder Kindergärten in Überflutungsgebiete und hat den Vorteil, dass sie einen Kommunalkredit von 300.000€ aufnehmen kann den die Bürger mit ihren Steuern bis zum nächsten Unwetter abstottern können, denn versichert ist man ja nicht! K.-H. Conrad
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  • Monika Klaus
    Verfasserin: Christine Behringer
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  • Monika Klaus
    Wir brauchen endlich eine verpflichtende Elementarversicherung für alle. Gibt es in Frankreich schon lange. Bei uns hat die FDP das im letzten Jahr blockiert!
    Und die CSU will das auch nicht.
    Bei der Klimaerwärmung ist das nächste Hochwasser oder der nächste Sturm zu erwarten - dann kein Gejammer liebe Wähler!
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  • Jo Schmitt
    Mit solchen "kommunistischen" Sichtweisen haben FDP und CSU so ihre Schwierigkeiten. Sinnvoll oder nicht spielt dabei keine Rolle.

    Wenn es aber darum geht in ein (potentielles) Hochwassergefahrengebiet bauen zu lassen und dabei Geld mitnehmen zu können schaut(e) es schon wieder anders aus.
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