Es ist 22.02 Uhr am Montagabend, als die Architektin Julia Dillamar den Saal der Iphöfer Karl-Knauf-Halle verlässt. Der Stadtrat Otto Kolesch springt von seinem Platz auf, geht auf sie zu und flüstert ihr ein paar Worte zu, sie lächelt gequält, wünscht „allen noch einen schönen Abend“, dann ist sie weg. Kolesch hat sich an diesem Abend der vielen Worte zum größten Kritiker der Architektin und des Würzburger Planungsbüros Archicult erhoben. Am Ende rudert er ein Stück weit zurück, und dennoch hat er einen kleinen Sieg errungen und erreicht, was er von Anfang an wollte: Der Iphöfer Stadtrat lässt sich nun doch die Kosten einer Generalsanierung des maroden Kaufhauses Stöhr am Marktplatz berechnen und wird auf dieser Basis das weitere Vorgehen beraten. Sanfter Druck, auch aus Reihen der CSU und ihres Dritten Bürgermeisters Jörg Schanow, hat das Gremium am Montag zu späterer Stunde zum Einlenken gebracht.
Vielleicht geht es schon bald um Millionen
Im Grunde war es wie so oft in Iphofen: Die Stadt sucht nach Hausmannskost und landet letztlich bei Austern und Kaviar. Mit 200 000 Euro und ein paar wenigen Handgriffen sollte das von ihr erworbene Kaufhaus Stöhr schnellstmöglich wieder mit Leben gefüllt werden. Das war der Plan im Januar 2019. Von einem regionalen Genusskaufhaus mit kleinem Imbiss war die Rede. „Man wollte sich auf die notwendigsten baulichen Maßnahmen beschränken“, so Architektin Dillamar. Von diesen Plänen aber ist nicht mehr viel übrig. Entschließt sich der Stadtrat am Ende für die Generalsanierung – und sei es nur in mehreren Bauabschnitten –, geht es nicht um Hunderttausende, sondern um Millionen.
Statt eines Kaufhauses mit Akzent auf regionalen Köstlichkeiten im Erdgeschoss ist nun die Rede von einem Konzept mit Schwerpunkt Imbiss. Aus den einst genannten 200 000 Euro sind inzwischen 575 000 Euro geworden, der ursprünglich geplante Starttermin dürfte sich von Mitte des Jahres auf Anfang 2021 verschieben. Für Otto Kolesch war das alles abzusehen. Er habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass Geld und Umfang der Sanierung nicht reichen würden. Aber weder die Architekten noch die Kollegen im Stadtrat seien ihm in dieser Einschätzung gefolgt.
Kolesch nahm sich deshalb vor allem die Planer vor, die „leichtfertig und schlampig“ recherchiert hätten. Eine Kritik, der sich Bürgermeister Dieter Lenzer und andere Räte so direkt zwar nicht anschlossen. Doch auch sie hatten das Planungsbüro vor zwei Wochen dergestalt gerügt, dass eingereichte Unterlagen „in keiner Weise zufriedenstellend“ seien.
Experten wühlten sich durch die marode Technik
Architektin Julia Dillamar hatte deshalb nun einen schweren Stand. Sie verwies auf bauliche Änderungen, etwa die Abnahme des Vordachs oder die zurückgesetzten Schaufenster, die es dem Betreiber ermöglichen, zum Marktplatz hin Plätze im Freien anzubieten. Ein Großteil der entstandenen Mehrkosten sei auf Änderungen bei der Haustechnik zurückzuführen. So soll die alte Ölheizung nun doch raus und das Gebäude mit städtischer Fernwärme versorgt werden. Tief wühlten sich die Experten durch die marode, teils morbide Substanz des Hauses aus den 1960er Jahren. Der hinzugezogene Fachplaner musste vor manchen Einbauten kapitulieren – sie seien Stand der Technik vor seiner Geburt gewesen.
Statt auf die Fachleute zu schimpfen, empfahl Dritter Bürgermeister Jörg Schanow dem Gremium, besser vor der eigenen Tür zu kehren. Die Stadt habe die „Schrottimmobilie“ seinerzeit völlig überteuert gekauft – die Rede ist von einer Million Euro –, ohne genau hinzusehen. Nun mit der Sanierung zu beginnen, ohne ein vernünftiges Gesamtkonzept zu haben, sei Stückwerk und ergebe wenig Sinn. Auch Udo Schumann gab zu bedenken: „Das wäre das erste Mal, dass die Stadt etwas stückweise herrichtet.“ Er schlug vor, das Objekt in mehreren Bauabschnitten zu sanieren.
Der Bürgermeister rechtfertigt den Kaufpreis
Bürgermeister Lenzer und Vizebürgermeister Hans Brummer rechtfertigten den Kaufpreis und das erste preiswerte Konzept für einen Umbau mit dem Argument, es sei darum gegangen, „langjährigen Leerstand“ in exponierter Lage zu verhindern. Außerdem gebe es im Obergeschoss und im hinteren Teil weitere wertvolle Wohn- und Geschäftsräume. Jürgen Adler sah in dem Kauf „mit die letzte Möglichkeit, eine halbwegs große Ladenfläche am Marktplatz zu erhalten“.
Die Stadt habe, so Lenzer, in all den Jahrzehnten am Marktplatz investiert, etwa in das frühere Gasthaus Goldenes Kreuz, um den Ortskern nicht aussterben zu lassen. Jetzt stellt sich die Frage, wie sie dem alten Kaufhaus Stöhr wieder Luft zum Atmen zufächern will. Primär geht es um einen Ausbau des Erdgeschosses, um dem bereits gefundenen Pächter einen raschen Einzug zu ermöglichen. Der Architektin werden weitere Auftritte im Stadtrat nicht erspart bleiben.