In ihren Schutzanzügen und orangefarbenen Warnwesten ziehen sie schnell die neugierigen Blicke der Menschen auf sich, die auf dem Parkplatz des Rasthofs Haidt-Süd (Landkreis Kitzingen) an der A3 eine kurze Pause einlegen. Keine hoch ansteckende Krankheit ist hier ausgebrochen und keine gefährlichen Chemikalien sind ausgelaufen. Das Fachpersonal für Schädlingsbekämpfung ist vielmehr angerückt, um es mit dem Eichenprozessionsspinner aufzunehmen. Die Aufgabe: Raupennester an den Eichen entfernen.
Jedes Jahr beauftragt die Autobahndirektion Nordbayern eine Fachfirma damit, die Raupennester im Bereich der Diensstelle Würzburg, zuständig für den Regierungsbezirk Unterfranken, einzusammeln. Vor allem an den Park- und Raststätten entlang der A3 und A7 geht es den Eichenprozessionsspinner an den Kragen. Doch auch Autobahnabschnitte, an denen in nächster Zeit Bauarbeiten stattfinden, sollen von den Raupengespinsten gesäubert werden. Die Kosten für die gesamten Beseitigungsmaßnahmen belaufen sich in diesem Jahr auf rund 160 000 Euro.
- Auch im Stadtwald Gemünden tummeln sich Eichenprozessionsspinner
- In Karlstadt ist fast jede Eiche betroffen
Ausschlag und Atemnot
Geschützt werden sollen durch die Bekämpfungsaktionen vor allem die Parkplatz-Besucher, aber auch Menschen, die an der Autobahn arbeiten. Denn die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind nicht gerade ungefährlich. Im Laufe ihrer Entwicklung bilden sie feine Brennhaare aus, die nach Hautkontakt zu schweren allergischen Reaktionen bis hin zu Quaddeln am ganzen Körper führen können. Das Einatmen der Brennhaare kann sogar Reizungen an Mund- und Nasenschleimhäuten sowie schmerzhaften Husten und Asthmaanfälle verursachen.
Selbst die gut geschützten Schädlingsbekämpfer haben immer wieder mit allergischen Reaktionen Probleme. "Ich hatte schon Kollegen, die erst zwei Wochen nach dem Kontakt mit den Raupen ins Krankenhaus mussten, weil sie plötzlich Atemprobleme hatten", berichtet Christoph Bengsch, Mitarbeiter einer Fachfirma.
- Was nach dem Kontakt mit den Raupen zu tun ist
Naturschützer sind froh, dass kein Gift eingesetzt wird
Ihr Vorgehen ist routiniert: Zuerst besprüht das Fachpersonal die Nester mit einer Wasserglaslösung, die verhindern soll, dass die Brennhaare der Tierchen beim Entfernen der Gespinste durch die Luft fliegen und sich verteilen. Über eine Leiter klettern sie dann nach oben in die Baumkrone und packen die Raupengespinste in einen Plastiksack, der später als Sondermüll verbrannt werden soll – bis zu sieben Nester finden sich an einer Eiche.
Mit einem Industriestaubsauger entfernen die Profis zum Schluss die übrigen Haare am Baum, die ansonsten noch mehrere Jahre giftig bleiben und dementsprechend eine Gefahr für Menschen darstellen würden. Und schon geht es weiter zur nächsten Eiche. Rund 30 Bäume können so an einem Tag gesäubert werden, berichtet Bengsch.
"Ich bin froh, dass die Raupennester händisch beseitigt werden und nicht mit einem Gifteinsatz, der auch anderen Arten schaden würde", sagt Steffen Jodl, Geschäftsführer der Kreisgruppe Würzburg des Bund Naturschutzes in Bayern, über die Bekämpfungsmaßnahmen der Autobahndirektion. Früher sei dies unter Einsatz eines mittlerweile verbotenen Spritzmittels geschehen. Dass die Gespinste zum Schutz der Rastenden entfernt werden sollen, findet Jodl "nachvollziehbar und sinnvoll".
Raupen mögen es warm und trocken
"Seit etwa 20 Jahren tritt der Eichenprozessionsspinner auch hier auf", berichtet Marcus Neuberger von der Autobahndirektion Nordbayern. Ursache sei das sich erwärmende Klima, meint der Garten- und Landschaftsbautechniker. Früher sei der Prozessionsspinner insbesondere im südeuropäischen Raum verbreitet gewesen. Bevorzugt an Orten, wo er viel Sonne abbekomme, wie an Waldrändern und – wie sein Name schon verrät – an Eichen niste der Prozessionsspinner. "Je wärmer und trockener desto besser."
Die letzte Massenvermehrung des Eichenprozessionsspinners habe in den Jahren 2009 und 2010 in Unterfranken stattgefunden, erklärt Klaus Behr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen. Seither habe es keine solche Vermehrungswelle mehr gegeben. "2017 und 2018 haben wir jedoch festgestellt, dass an einzelstehenden Bäumen in Parks, Freibädern oder an Spielplätzen wieder mehr Nester des Prozessionsspinners zu finden waren." Mit Zahlen lasse sich ein Populationsanstieg derzeit noch nicht belegen, man habe das Thema allerdings im Blick und untersuche diese Entwicklung, so Behr.
Grundsätzlich gilt: Nicht überall in Unterfranken ist der Eichenprozessionsspinner ein Problem. "Vor allem die Fränkische Platte ist stark betroffen, denn hier haben wir die höchsten Temperaturen in der Region und die meisten Eichen", sagt Behr.
Beseitigungsmaßnahmen an Raststätten bis Mitte August
Das Absammeln der Nester im Bereich der Tank- und Rastanlagen soll Mitte August abgeschlossen werden. Bereits etwas früher ist die Metamorphose der Raupen zum Nachtfalter beendet – giftig sind sie dann nicht mehr. Die Überreste ihrer Gespinste allerdings schon.
Auch der Schwammspinner setzt der Region zu:
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- Nach dem Gifteinsatz: Verlassene Vogelnester mangels Nahrung?