Bauen ist in dieser Zeit vielfach zur Glückssache geworden. Früher brauchte es neben dem nötigen Eigenkapital vielleicht noch eine Portion Mut, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Land war in der Regel zur Genüge vorhanden. Inzwischen ist die Suche nach dem passenden Grundstück zur Lotterie geworden: Bei deutlich zu viel Nachfrage gibt es viel zu wenig Angebot. Kommunen setzen nicht selten Glücksfeen ein, die dann per Los das rare Gut unters Volk bringen. In Iphofen ist das noch anders, aber auch dort muss, wer ein Grundstück ergattern möchte, Geduld beweisen. „Man kann den Leuten nur anbieten, sie auf eine große Liste draufzuschreiben“, sagt Petra Krist, die Leiterin der städtischen Bauverwaltung. „Groß“ betont sie. Die Zahl der Bewerber liege inzwischen „weit im dreistelligen Bereich“.
Das neue Baugebiet im Osten soll 30 Plätze bieten
Das Thema Baugebiete hat Bürgermeister Dieter Lenzer von seinem Vorgänger Josef Mend geerbt. Auch für Mend war es in den vergangenen Jahren zusehends schwieriger geworden, die seit der Niedrigzinspolitik rasant gewachsene Nachfrage zu befriedigen und Antworten auf die drängende Frage zu geben: Wie und wohin kann sich Iphofen entwickeln? Am Montagabend hat Stadtplaner Franz Ullrich dem Stadtrat Möglichkeiten aufgezeigt, die sich mittel- bis längerfristig bieten. Das größte Potenzial sieht er dabei im Westen des bestehenden Baugebiets Hündlein und gegenüber dem in den 1990er Jahren geschaffenen Baugebiet Ost. Dort sollen in einem Dreieck zwischen Einersheimer Straße und Siechhausgraben knapp 30 Bauplätze entstehen, zwei davon für den immer beliebter werdenden Geschosswohnungsbau.
Für das Gebiet Ost IV steht das Bauleitplanverfahren bevor, was bedeutet, dass dort wohl Anfang 2022 gebaut werden kann. Im Hündlein wird es noch etwas länger dauern. Für das vier Hektar große Gebiet gibt es derzeit nur erste Überlegungen. Die Probleme, die es an dieser Stelle mit Lärm und Hochwasser gibt, sind aus Expertensicht alle zu lösen. Stadtplaner Ullrich zitierte aus einem Gutachten, wonach der Lärmschutz – das Gebiet wird von zwei etwa 60 Meter entfernt liegenden Straßen eingefasst – „mit einfachen Festsetzungen“ zu erreichen sei. Von Heinz Rehbein, dem geschäftsführenden Gesellschafter des Ingenieurbüros Auktor, kam die Aussage, dass das an dieser Stelle zusammenfließende Wasser bei Starkregen „wegzukriegen“ sei, ohne dass die neuen und die bestehenden Häuser gefährdet seien.
Das Filetstück der Stadt liegt östlich der Bahnhofstraße
Spannend wird es an anderen Stellen der Stadt – dort, wo Ullrich „mittel- bis langfristige Perspektiven“ für Bauland sieht. Das gilt etwa für den Bereich an der südlichen Stadtzufahrt, wo derzeit noch Forstverwaltung und Getränkemarkt sind und eine neue Wohnanlage entstehen könnte, oder für die rund neun Hektar östlich der Bahnhofstraße, aus stadtplanerischer Sicht ein Filetstück, weil sich von dort Wege zur Altstadt nach Norden und zu den Einkaufsmärkten nach Süden öffnen. „Wir möchten die Tradition fortsetzen und die Stadt strahlenförmig erweitern“, erklärte Ullrich.
Für Stadtrat Otto Kolesch zeigt sich nicht erst mit der jetzigen Entwicklung, wie schwierig es sei, in Iphofen Bauland zu generieren. „Das ist auch gut so“, sagt er. Denn sinnvoller, als neue Flächen zu erschließen, sei es, Leerstände zu schließen. Kolesch spricht von „120 leerstehenden Grundstücken, die alle sofort bebaubar wären“. Der frühere Bürgermeister Josef Mend ging zuletzt von 60 ungenutzten Parzellen auf, und Petra Krist von der Bauverwaltung nennt auf Anfrage 51 freie Baurechte.
Welche Zahl man auch nimmt: Sie ist deutlich zu hoch. Doch der Stadt sind die Hände gebunden. Sie könnte allenfalls ein Baugebot erlassen und die Grundstücksbesitzer somit verpflichten, ihr Land entweder zu bebauen oder zu verkaufen. Aber die Hürden dafür sind vom Gesetzgeber bewusst sehr hoch gesetzt. „Ein Baugebot“, so Krist, „käme einer Enteignung gleich und würde eventuell langwierige Gerichtsprozesse nach sich ziehen.“
Übersteigt der Flächenfraß den kollektiven Nutzen?
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat Mitte vergangenen Jahres gefordert, das bisher eher stumpfe Schwert des Baugebots deutlich zu schärfen. Bis dahin bleiben den Kommunen nicht viel mehr als Appelle. „Man versucht, die Leute zu motivieren“, sagt Petra Krist, „aber wenn sie nicht verkaufen wollen, kann man nichts machen.“ Für Stadtrat Kolesch hat die Stadt mit der Erschließung immer neuer Baugebiete einen „Flächenfraß“ forciert, der in keinem Verhältnis zum kollektiven Nutzen stehe. Denn die Einwohnerzahl Iphofens habe sich – gemessen an der Zahl der geschaffenen Bauplätze – nur sehr gering nach oben entwickelt.
„Maßvoll“ nennt Bürgermeister Lenzer das Wachstum. Und: „Wir sollten mit Bedacht überlegen, wie wir uns weiterentwickeln können.“ Im Fokus stehen dabei auch die sogenannten Freihaltezonen, die unbebaut bleiben sollen, etwa um den Blick auf die historische Altstadt zu erhalten. „Wenn wir diese Flächen mit Bauland zupflastern“, sagt Kolesch, „verliert Iphofen einen Großteil seines Charmes.“