
Als alles vorbei war am Donnerstagabend, also um kurz vor halb elf, nach fast drei Stunden Bürgerversammlung, blickte Josef Mend ein letztes Mal in den vollbesetzten Saal der Karl-Knauf-Halle – in 250 Gesichter der um ihren Feierabend Gebrachten. Tja, wenn keine Fragen mehr seien . . . Es waren keine mehr, und so entließ Mend die Leute in die Nacht mit einer Entschuldigung und einem Dankeschön. Er bitte um Verzeihung für seinen Monolog, er danke für die Geduld.
Spannende Themen gibt es dieser Tage einige in Iphofen, und man kann Mend nicht vorhalten, er habe auch nur eines ausgespart in diesen drei Stunden: den Bau des Kreisverkehrs an der Bundesstraße, der manches Hindernis mit sich bringen wird; der Zustand des Hallenbads, das wohl „nicht morgen einstürzen“ werde, aber möglichst rasch saniert werden soll, die zukünftige Nutzung des ehemaligen Kaufhauses Stöhr am Marktplatz, den Umbau des Friedhofs und natürlich die herrenlosen Hundehaufen – eine Art Running Gag, der sich durch jede Bürgerversammlung der vergangenen 25 Jahre zieht. Doch nichts von alledem taugte zum Aufreger. Keines der Themen gewann die Dynamik und die Zuspitzung, wie man sie bisweilen erlebt, wenn 250 Leute zu diskutieren und zu philosophieren beginnen.
Mend geht die Leute direkt an
Mend schaffte es oben auf seiner Bühne, alles wegzumoderieren, und selbst als er die Leute gegen Ende direkt anging mit seinem Appell, sie sollten angesichts des Baulandmangels nicht länger auf ihren unbebauten Grundstücken sitzenbleiben, sondern sie verkaufen und damit dem Markt zur Verfügung stellen, gab es – Beifall. Dieses eine Mal wurde der Bürgermeister richtig emotional, verließ bisweilen die Bühne der Sachlichkeit und rief, es sei „unehrlich“, wenn Menschen sich einerseits gegen Flächenfraß engagierten und andererseits Flächen zurückhielten. Allein in Iphofen gibt es 49 Grundstücke, die seit mehr als zehn Jahren unbebaut sind – auf der anderen Seite liegen der Stadt laut Mend mehr als 60 Grundstücksanfragen von Bauwilligen vor, die man nicht bedienen könne.
Von der Stadt gerade erst wieder nach den Motiven für ihre mangelnde Verkaufsbereitschaft befragt, antworteten viele Eigentümer, die Grundstücke dienten der Alterssicherung oder seien für ihre Nachkommen bestimmt. Mend nahm sich erneut diese Argumente vor. „Die Kinder oder Enkel, die nicht in Iphofen wohnen, werden auch später nicht mehr nach Iphofen kommen.“ Und: „Ich frage mich, was ich im Alter mit einem Bauplatz will.“ Den Erlös aus einem Verkauf könne man anderweitig wieder anlegen. Die Stadt ist gerade dabei, im Iphöfer Osten, entlang der Straße nach Markt Einersheim, ein Gebiet mit 30 bis 35 Bauplätzen zu erschließen, aber Iphofens Bürgermeister weiß schon heute, dass ihm auch diese Plätze entrissen und nicht ausreichen werden, um die hohe Nachfrage zu befriedigen.
Der Bürgermeister steckt im Dilemma
Wer wissen möchte, was die Stadt mit ihren 3000 Einwohnern für Neubürger so interessant macht, bekam an diesem Abend eine Ahnung davon. Iphofen kann seinen Bürgern immer noch etwas mehr bieten als viele andere Kommunen. Hier eine Million für die Erweiterung des Friedhofs, da quasi auf Zuruf der Eltern den Anbau des Kindergartens, dort für 500 000 Euro eine neue Kapelle fürs Altenheim, und wenn es im Hallenbad krankt, dann gibt es eben auch dort eine heilende Finanzspritze. Die städtische Infrastruktur ist in den vergangenen 30 Jahren stark gewachsen, aber das alles hat seinen Preis und will über die Jahre auch konserviert werden. Mend steckt dabei im Dilemma: Verkündet stolz, dass die Zinsbelastung bloß 0,01 Prozent des Gesamtetats ausmache, muss aber die Euphorie wieder einfangen und den Leuten klar machen, dass die Stadt nicht jedes Jahr 23 Millionen Euro an Steuern einnehme wie 2018.
Der Mann, dem Iphofen zu einem wesentlichen Teil seinen Wohlstand verdankt, saß am Donnerstag unten in der ersten Reihe und hörte entspannt zu. Es ist eine Zeit lang her, dass Baldwin Knauf selbst im Stadtrat darüber mit entschied, in welche Projekte das Geld der Stadt fließt. Mancher seiner politischen Nachfolger rät zu Maßhalten, etwa mit Blick auf das von der Stadt erworbene und derzeit leerstehende Kaufhaus Stöhr am Marktplatz: nicht zu viel investieren, solange nicht feststeht, was genau dort passieren soll. Mend verteidigte den Kauf des Anwesens. Die Stadt habe verhindern wollen, dass die Geschäftsfläche in Wohnraum verwandelt wird.
Demnächst Gespräche über das Kaufhaus
Das Ziel ist klar: Der Laden soll wiederbelebt werden – am liebsten in Form eines regionalen Genuss-Kaufhauses mit angegliedertem Bistro. Der Markt regle jedoch gar nichts, wenn die Stadt nicht handle. „Wir haben Interessenten und führen demnächst Gespräche“, sagte Mend. Aus der Versammlung gab es Zuspruch für die Idee, aber auch einen Appell: Wenn das Projekt gelingen soll, sprach Andrea Wirsching unter dem Beifall der Leute, „müssen wir auch alle mitmachen und hingehen“.