
Sie wissen nicht, wann sie kommt, und sie wissen nicht, wie heftig sie wird, aber eines wissen sie: Die nächste Flut wird kommen. Im Juli 2021 hat die Natur mit ihren schier unerschöpflichen Wassermassen zuletzt in Schwarzach gewütet. Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber war da, hat sich alles angeschaut, auch jene Stelle, an der das Wasser kurz zuvor eine Brücke mitgerissen hatte. Er hat Hilfe zugesagt, genau wie später die zuständigen Behörden. Doch die Betroffenen haben den Eindruck, dass an dem Thema längst nicht mit dem nötigen Nachdruck gearbeitet wird. Sie fühlen sich vertröstet und fragen sich: Was hat sich getan, fast drei Jahre nach dem letzten elementaren Hochwasser?
Eine Interessengemeinschaft (IG) Hochwasserschutz bündelt und kanalisiert die Befindlichkeiten der Bach-Anrainer in Schwarzach, auch die Abtei Münsterschwarzach ist vertreten. Gegründet hat sich die IG im Herbst 2021 nur wenige Wochen nach dem bisher letzten Hochwasser, und ihr Sprecher Reinhard Klos hat damals schon erklärt: "Wir werden nicht Ruhe geben!" Dabei ist es geblieben. Zwei Runde Tische zu dem Thema haben bislang in Stadtschwarzach stattgefunden – mit am Karree saßen die Landtagsabgeordneten Barbara Becker (CSU) und Volkmar Halbleib (SPD), Landrätin Tamara Bischof (Freie Wähler), die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden, Vertreter der IG und der Landwirte.

Doch wer nach Ergebnissen sucht, findet wenig, was über Absichtsbekundungen und gut gemeinte Ideen hinausreicht. Manches ist umgesetzt, es gibt eine Maschine zum Befüllen von Sandsäcken, Notstromaggregate und einige Pumpen. Aber so richtig wasserdicht ist in der Sache nichts, und die Betroffenen fürchten gar, dass die damals ins Rollen gekommene Entwicklung gerade wieder versandet.
Die Hochwasseropfer rufen am Sonntag zur Kundgebung auf
Um sich und ihre Anliegen in Erinnerung zu rufen, plant die IG für diesen Sonntag, 14. April, eine Kundgebung. Um 11 Uhr wollen ihre Mitglieder an einem der Hochwasser-Hotspots des Ortes, der Schwarzachbrücke in Münsterschwarzach, Schiffchen zu Wasser lassen: Ein Boot steht für jeden Monat, der vergangen ist, seitdem das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg die Vorplanung für den Hochwasserschutz vorstellen wollte.
Für Herbst 2023 waren die Ergebnisse versprochen, sie liegen bis heute nicht vor. Fragt man per E-Mail nach dem Stand der Dinge, antwortet nicht einmal 24 Stunden später die neue Amtsleiterin Jane Korck. "Aufgrund der außerplanmäßigen Abwesenheit eines wichtigen Teammitglieds waren organisatorische Anpassungen am Wasserwirtschaftsamt notwendig." Nach dem "außergewöhnlich seltenen Hochwasserereignis im Jahr 2021" habe man zudem "wesentliche hydrologische Daten" nochmals prüfen müssen. "Alle für die Planung erforderlichen Ausgangswerte" hätten sich dabei geändert.
Was für das Amt "unvorhersehbare Rückschläge" sind, ist für die IG höchst ärgerlich. Sie sieht wichtige Zeit verloren gehen und verweist auch auf andere Baustellen, die aus ihrer Sicht nicht schnell genug vorangehen. Etwa was die zahlreichen Erdhügel entlang der Bachläufe betrifft – illegale Aufschüttungen, die im Notfall den Abfluss des Wassers behindern.
Beim Hochwasserschutz sitzen viele Beteiligte im Boot
Bis zu 50 Eigentümer hat das Landratsamt angeschrieben, viele der Hügel sind inzwischen um Hunderte von Kubikmetern Masse geschrumpft, andere liegen noch immer da. Bauschutt ist dabei, teils mit Asbest und anderen Gefahrenstoffen versetztes Material, das als Sondermüll entsorgt werden muss – im Zweifel auf Kosten der Allgemeinheit, da die Verursacher nicht mehr zu ermitteln sind. Rund 200.000 Euro setzt das Wasserwirtschaftsamt dafür an.

Was die Sache im Falle Schwarzachs erschwert, sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die Schwarzach wird als Gewässer zweiter Ordnung geführt und unterliegt damit der Verantwortung des Freistaats; die Zuflüsse Silberbach und Castellbach sind Gewässer dritter Ordnung. Zuständig ist hier die Gemeinde. Gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt hat sie einen Planungsauftrag an ein Ingenieurbüro vergeben, doch die Nachbargemeinden Wiesentheid und Prichsenstadt arbeiten mit anderen Büros zusammen – und in Oberschwarzach, wo die Schwarzach entspringt, ist das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen zuständig. Viele verschiedene Stellen für ein und dieselbe Problematik, dazu lange Vorläufe wegen nötiger Ausschreibungen und eine diffuse Förderkulisse mit unklarer Finanzierung.
Der Casteller Bürgermeister Christian Hähnlein, dessen Gemeinde ebenfalls von der Problematik betroffen ist, hat bei einem der Runden Tische die "umfangreichen Genehmigungsverfahren" angemahnt; andere wundern sich darüber, dass man die Sache vom Ende her denkt, also von der Mündung der Schwarzach in den Main, und nicht vorne, an der Quelle, anfängt.
Nicht am Main lauert die Gefahr, sondern im Steigerwald
Die Hochwasser von 2013 und 2021, so IG-Sprecher Reinhard Klos, hätten doch gezeigt, dass nicht der Main das Problem war, sondern dass die Überflutungen in Schwarzach von den Niederschlägen im Bereich des Steigerwalds ausgelöst wurden. Deshalb müsse man auch verstärkt dort ansetzen. Das Wasserwirtschaftsamt rechtfertigt das Vorgehen und teilt auf Anfrage mit, auf Basis von Messdaten und Modellen werde die "Ausbreitung und das Fließverhalten des Gewässers in der Fläche im Hochwasserfall" berechnet.

Inzwischen gibt es an den Zuflüssen in Wiesentheid und bald auch in Prichsenstadt Pegelmessgeräte. Sie gelten als Art Frühwarnsystem und sollen bei Gefahr anschlagen. Viel Zeit zum Warnen und Reagieren bleibt allerdings nicht, wenn sich wieder irgendwo eine Welle türmt. Solange kein durchgehender Hochwasserschutz existiert – und dafür kann es durchaus ein Jahrzehnt dauern – werden die Betroffenen entlang der Schwarzach bei düsteren Wolken noch sorgenvoller gen Himmel blicken. Denn laut Landrätin wird der Freistaat sie bei Starkregenereignissen nicht mehr entschädigen, wenn der Schaden versicherbar gewesen wäre. Das Risiko trägt jetzt jeder selbst.