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Altertheim/Iphofen
Im Südharz wie in Unterfranken: Wo Knauf nach Gips sucht und mit Bohrungen für Protest sorgt
Die Region Würzburg ist vom Südharz weit weg. Doch beide Gegenden eint: Der Knauf-Konzern aus Iphofen steht dort in der Kritik, weil er an Gips kommen will. Was sind die Pläne?
Die hellen Felsen rund um Questenberg im Südharz machen deutlich, dass die Gegend von Gipskarst geprägt ist. Das Biosphärenreservat dort ist allerdings nach Ansicht von Naturschützern in Gefahr, weil Knauf an den Naturgips ran will.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa | Die hellen Felsen rund um Questenberg im Südharz machen deutlich, dass die Gegend von Gipskarst geprägt ist. Das Biosphärenreservat dort ist allerdings nach Ansicht von Naturschützern in Gefahr, weil Knauf an den ...
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 30.11.2024 02:35 Uhr

Das Bestreben des Knauf-Konzerns, bei Altertheim im Landkreis Würzburg an ein riesiges Gips-Vorkommen unter der Erde zu kommen, schlägt seit Jahren hohe Wellen. Das Vorkommen liegt mitten in einem geplanten Trinkwasser-Schutzgebiet. Auch andernorts trifft das Baustoff-Unternehmen aus Iphofen bei Kitzingen mit einem ähnlichen Vorhaben auf Widerstand. Denn Knauf will in einem ökologischen Schutzgebiet im Südharz ins Erdreich bohren, um ein Gips-Reservoir zu erkunden.

Welche Fragen das aufwirft und worum es geht. 

Was hat das Unternehmen Knauf im Südharz vor?

Das Familienunternehmen aus Iphofen hat - wie in Altertheim - im Südharz ein Auge auf das natürliche Gipsvorkommen geworfen. Es plant acht Probebohrungen in der bewaldeten Karstlandschaft rund um die Orte Breitungen und Questenberg in Sachsen-Anhalt. 

Im Südharz wie in Unterfranken: Wo Knauf nach Gips sucht und mit Bohrungen für Protest sorgt

In Altertheim ist das Vorhaben zeitlich fortgeschritten: Dort wurden bereits Bohrungen gemacht und Gutachten erstellt. Knauf bereitet nach eigenen Angaben derzeit die Antragsunterlagen für das geplante Bergwerk vor. Werden sie eingereicht, kann das Bergamt Nordbayern, angesiedelt bei der Regierung von Oberfranken, das bergrechtliche Verfahren eröffnen. (Hinweis: An dieser Stelle war ursprünglich zu lesen, dass Knauf die Antragsunterlagen bereits beim Bergamt eingereicht hat. Das stimme nicht, teilte das Unternehmen am 31. Oktober mit.)

Im Südharz hingegen "wollen wir mit der Suche nach Gips überhaupt erst beginnen – das Vorhaben befindet sich also in einem sehr frühen Stadium", teilt Knauf-Sprecher Andreas Gabriel auf Anfrage mit. Nur wenige Kilometer von den geplanten Probebohrungen entfernt betreibt Knauf in Rottleberode ein Gipswerk. Direkt nebenan befindet sich der dazu gehörende Gipssteinbruch Alter Stolberg.

Auch in Lochau bei Halle (Saale) hat der Konzern ein Gipswerk. Dort und im 95 Kilometer entfernten Rottleberode arbeiten nach Unternehmensangaben insgesamt 300 Menschen.

Wie unterscheiden sich die Knauf-Vorhaben im Südharz und in Altertheim?

In Altertheim plant Knauf aktuell Bayerns größtes Bergwerk. Im Südharz liegen die Gipsschichten an der Oberfläche. Dort will der Konzern laut Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VDHK), den Gips im Tagebau abtragen - also oberirdisch wie bei Rottleberode. Das könne dazu führen, dass manche der landschaftstypischen Hügel "regelrecht abgetragen" und riesige Wunden in die Natur geschlagen werden.

Knauf hat nach eigenen Angaben am 30. August beim Umweltamt des Landkreises Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) einen Antrag auf bis zu 90 Meter tiefe Bohrungen gestellt. 

Was ist das Problem im Südharz und wer ist dort gegen das Knauf-Vorhaben?

Für Naturschützer Friedhart Knolle vom Verband der Höhlenforscher wären die Bohrungen und der spätere Gipsabbau durch Knauf ein Naturfrevel und eine Katastrophe. Die Gipskarstlandschaft des Südharzes sei weltweit einmalig. Ähnlich argumentieren Naturschutzverbände und die Bürgerinitiative "Arbeitskreis Hallesche Auenwälder" (AHA): Das Gebiet zeichne sich durch eine außerordentlich große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen aus.

Einem von Knauf in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge liegen die acht Orte der geplanten Bohrungen in einem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH), das Teil des Biosphärenreservates "Karstlandschaft Südharz" ist. Dort gilt strenger Naturschutz. Kernaussage des Gutachtens: Bis auf eine sind alle Knauf-Bohrungen keine Gefahr für das FFH-Gebiet.

Knauf-Sprecher Gabriel betonte gegenüber dieser Redaktion, dass die Natur im Südharz durch die Bohrungen nicht beeinträchtigt werde. Sie fänden auf Feldwegen oder angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen statt. "Sollten wir ausreichend Gips finden und später eine Abbau-Genehmigung beantragen, werden alle rechtlichen Anforderungen des Naturschutzes berücksichtigt", so der Sprecher.

Was haben die Bohrungen im Südharz mit dem geplanten Gips-Bergwerk bei Altertheim zu tun?

Laut Knauf ist der Gips in Altertheim für das Werk in Iphofen gedacht. Bei dem Vorhaben im Südharz "geht es um die Versorgung unserer Werke in Sachsen-Anhalt", teilt Sprecher Gabriel mit.

Dennoch haben Altertheim und Südharz eines gemeinsam: Knauf braucht in seinen Betrieben dringend Naturgips, weil der künstliche REA-Gips in einigen Jahren wegfallen wird. Dieser Baustoff entsteht tonnenweise in den Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken. Weil die Bundesregierung bis spätestens 2038 solche Kraftwerke abschalten will, wird es dann keinen REA-Gips mehr geben.

Naturschützer Knolle will beobachtet haben, dass Knauf seit geraumer Zeit "sehr aggressiv" versuche, in Deutschland neue Naturgips-Vorkommen zu erschließen. Die Fälle Altertheim und Südharz seien Beispiele dafür.

Auch im Westen von Würzburg gibt es Widerstand gegen die Knauf-Pläne. Die Trinkwasserversorgung Würzburg (TWV) befürchtet, das Bergwerk könnte Grundwasserströme unterirdisch beeinflussen und somit die Versorgung von rund 65.000 Menschen in der Stadt Würzburg gefährden.

So könnte es einmal in dem Gips-Bergwerk aussehen, das Knauf bei Altertheim plant. Zu sehen Stollen bei Hüttenheim (Lkr. Kitzingen), wo der Konzern seit den 1950er Jahren das mit Gips verwandte Anhydrit abbaut.
Foto: Herbert Ehehalt (Archivbild) | So könnte es einmal in dem Gips-Bergwerk aussehen, das Knauf bei Altertheim plant. Zu sehen Stollen bei Hüttenheim (Lkr. Kitzingen), wo der Konzern seit den 1950er Jahren das mit Gips verwandte Anhydrit abbaut.

Wo der Iphöfer Konzern in Deutschland noch Naturgips abbauen will, ist unklar. "Eine dezidierte Aufstellung von Regionen und Orten können wir nicht zur Verfügung stellen", teilt der Knauf-Sprecher mit.

Das Unternehmen begründet seine intensive Suche immer wieder damit, dass Naturgips für den Bau bezahlbarer Wohnungen dringend benötigt werde. Naturschützer Knolle indes ist sich sicher, dass dieser Baustoff-Bedarf auch durch intensives Recycling von Gips aus Abbrucharbeiten gedeckt werden könnte.

Mitarbeit: Angelika Kleinhenz

 
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  • Armin Genser
    Bis 2038 das letzte Kohlekraftwerk schließt und dann kein REA-Gips mehr zur Verfügung steht, hatt Knauff ja noch genügend Zeit, sich auf das Gipsrecycling zu konzentrieren. Da hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern gewaltig hinterher. Da billiger REA-Gips massig zur Verfügung stand, hat Knauff die Verwendung des Rohstoffes Gips genutzt, um unzählige Produkte auf den Markt zu drücken. Diese Produkte ließen sich schon heute vielfach "gipsfrei" ersetzen. Knauff wäre findig genug, sich auch diesen Mark zu erschließen.
    Ich halte es für unverantwortlich unsere Trinkwasservokommen durch den Abbau in der Altertheimer Mulde zu gefährten.
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