Das Stück Kuchen für den Nachmittag, das verkneifen sich viele seiner Kundinnen und Kunden mittlerweile. Welche Geldsorgen die Menschen umtreiben, erlebt Simon Matthäus in seiner Bäckerei mit Café in Marktsteft täglich. Und er kennt die Angst vor den hohen Energiepreisen selbst nur zu gut: Der zehnfache Preis wurde ihm beim neuen Stromvertrag ab Januar angeboten. Die Stromrechnung mal zehn, der Bäckermeister schüttelt den Kopf. "Wir arbeiten mit Cent-Beträgen, das Geld kannst du einfach nicht erwirtschaften", sagt der 43-Jährige.
Belächelt wurde er, als er vor 13 Jahren bei seinem Neubau im Marktstefter Gewerbegebiet ein teures Gerät für seinen kleinen Betrieb umrüsten ließ, das mit der Abwärme der Öfen das Wasser erhitzt – auch im dazugehörigen Wohnhaus. Mit den drei Kindern und seiner Frau Melanie, die das Büro der Bäckerei managt, wohnt er gleich neben der Backstube. Ein Familienbetrieb mit 14 Angestellten und langer Tradition.
Metzgermeister Frank Rögele startet Aufruf auf Facebook
Dasselbe gilt für die Metzgerei Rögele in Gnodstadt, einem Ortsteil von Marktbreit: In der vierten Generation betreibt die Familie dort das Geschäft mit Wurst und Fleisch. Und obwohl selbst erst 45 Jahre alt, hat Inhaber Frank Rögele bereits einen Nachfolger an seiner Seite: Sein 21-jähriger Sohn ist auch schon Metzgermeister.
Und doch sorgt sich sein Vater um die Zukunft des Familienbetriebs mit neun Angestellten: "Wenn die Energiepreise zu stark steigen, muss ich den Laden irgendwann zumachen. Aber ich hoffe, dass es nicht so weit kommt." Darum hat Frank Rögele sich –auf Anregung des Fleischerverbands – mit einer eindringlichen Forderung an die Öffentlichkeit gewandt. Auf Facebook hat er ein Foto von sich gepostet, auf dem er in seinem Laden steht und ein Schild in die Kamera hält. "Ohne Unterstützung geht bei uns das Licht aus!", ist darauf zu lesen.
Mit seinen Worten unter dem Foto scheint der Metzgermeister die Bundesregierung zusätzlich aufrütteln zu wollen. "Wachen Sie endlich auf" und "STOPPEN Sie diesen WAHNSINN der ENERGIEPREISE!!!" ist dort zu lesen. Bald 500 Mal wurde dieser Aufruf mittlerweile geteilt.
Auf Nachfrage nennt er konkrete Zahlen: Am Hauptsitz in Gnodstadt benötigt er rund 80.000 Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr, in der Filiale in Uffenheim (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) gut 25.000 kWh. Sein Stromvertrag sei ihm gekündigt worden, die Preise haben sich verdreifacht. Rögeles Konsequenz: "Ich muss die Verkaufspreise definitiv nochmal erhöhen."
Jede Preiserhöhung kostet den Bäcker Kunden
Genau das befürchtet auch Bäcker Simon Matthäus: "Jede Preiserhöhung kostet uns Kunden, die sie nicht mehr mittragen wollen – oder können." Er sieht seinen Betrieb gar von einer Verzehnfachung der Stromkosten bedroht: Von 6 auf 60 Cent pro Kilowattstunde soll der Preis laut dem ihm vorliegenden Angebot für das neue Jahr steigen. Diese Preisexplosion komme auf "wahnsinnig gestiegene Rohkosten" obendrauf, erläutert der Bäckermeister.
Gleichzeitig hat der dreifache Familienvater Verständnis dafür, dass manch einer sein Brot inzwischen im benachbarten Supermarkt kauft. "Die Leute müssen selbst schauen, wie sie über die Runden kommen." Die große Verunsicherung der Menschen kommt noch dazu: "Viele könnten sich unser Brot schon noch leisten, aber keiner weiß, wo die Reise hingeht."
Abschlag für Gas soll von 1700 auf 5100 Euro steigen
Leisten wollen oder leisten können: Dieser Unterschied zeigt sich besonders bei einem Besuch in Volkach. Dort sitzt Bäckermeister Rupert Mahler in seinem Büro, umgeben von Papierstapeln, und zieht eine Rechnung heraus. Bei seinem Stromvertrag habe er Glück, der laufe noch bis Ende 2023, aber das Gas "erschlägt mich gerade". Von 1700 auf 5100 Euro soll der Abschlag pro Monat für den Hauptbetrieb in der Volkacher Ringstraße steigen. Von dort aus werden das Café M in der Stadt und zwei weitere Filialen beliefert. Insgesamt 30 Leute beschäftigt Mahler an den vier Standorten.
Trotz der Kostenexplosion beim Gas wirkt der Bäckermeister, dessen Sohn und beide Töchter ebenfalls im Betrieb arbeiten, relativ gelassen. Sein Vorteil, sagt Mahler: "Die Stadt ist voll, das Café wird überrannt, darum will ich mich nicht beklagen." An der Mainschleife ist Hochsaison zur Weinlesezeit, und anscheinend gönnen sich Ausflügler und Touristinnen das Stück Kuchen gerne noch.
Ärger über Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck
Auf Politikerinnen und Politiker ist Mahler, ähnlich wie seine beiden Handwerkskollegen aus Gnodstadt und Marktsteft, dennoch nicht gut zu sprechen. Vor allem die Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der in einer Fernsehsendung davon sprach, dass bestimmte Branchen einen Produktionsstopp einlegen könnten, erzürnt alle drei noch immer.
Die beiden Bäcker und der Metzger sind gerne Schaffer. Und sie würden sich eigentlich lieber darauf konzentrieren, möglichst gute Produkte herzustellen. Das wird in den Gesprächen deutlich. Metzger Frank Rögele schreibt auf Facebook: "Wir wollen keine Zuschüsse, wir wollen so wie bisher auch: Hart arbeiten, Spaß an der Arbeit haben und den Kunden mit ruhigem Gewissen ein Lächeln in das Gesicht zaubern." Bäcker Simon Matthäus klingt ähnlich, wenn er sagt: "Wir lieben und leben unsere Arbeit, da hängt viel Herzblut drin."
Bereit für eine Demo? Ungewissheit und Wut sind groß
Aber was ist, wenn das nicht mehr reicht? Die Ungewissheit – und die Wut – sind groß. Mahler wäre bereit für eine Demo in der Region, Matthäus hatte schon Besuch von der CSU-Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber, und Rögele war erstaunt über die große Resonanz auf seinen Facebook-Aufruf.
Noch hoffen sie gleichwohl auf eine Lösung von politischer Seite. Und fragen sich, was passiert, wenn diese nicht kommt – auch für ihre Kundinnen und Kunden. Denn eines hat Melanie Matthäus mit Schrecken beobachtet, was sich im Vergleich zur Corona-Pandemie geändert habe: "Die Leute schimpfen nicht, sie kommen einfach nicht mehr."
Forderungen der bayerischen Ernährungshandwerke an die Bundesregierung
1. Die Gasumlage soll nicht an "unsere Handwerksbetriebe" weitergereicht werden.
2. Senkung der Energiesteuern auf die niedrigere EU-Vorgabe.
3. Die Energieeinsparverodnung gängelt die Betriebe und ist unnötig.
4. Das Energiekostendämpfungsprogramm auch für Handwerksbetriebe, nicht nur die Industrie.
5. Den Gaspreis deckeln und vom Strompreis entkoppeln.