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Kitzingen/Würzburg
Entscheidung im Prozess um gewaltsamen Tod eines Flüchtlings in Kitzingen: Erkrankter Beschuldigter kommt in Klinik
Am Ende sah das Landgericht Würzburg im Mordprozess allein Totschlag für erwiesen an. Was das für die Unterbringung des 37-Jährigen heißt und wie der Richter argumentierte.
Totschlag, nicht Mord: Am Landgericht Würzburg folgte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster am Mittwoch bei der Entscheidung dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen. 
Foto: Thomas Obermeier (Archivbild) | Totschlag, nicht Mord: Am Landgericht Würzburg folgte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster am Mittwoch bei der Entscheidung dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen. 
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.02.2024 01:46 Uhr

Der 37 Jahre alte Mann aus Afghanistan, der im Dezember 2021 in der Gemeinschaftsunterkunft in Kitzingen im Wahn einen Mitbewohner im Schlaf erschlagen hat, bleibt nach Einschätzung einer psychiatrischen Gutachterin gefährlich für seine Mitmenschen. Das Landgericht Würzburg entschied deshalb an diesem Mittwoch: Der Geflüchtete wird zur Behandlung auf unbestimmte Zeit in einer Klinik untergebracht.

Beweisaufnahme deckt sich mit Geständnis

Der Beschuldigte hatte die Tat zu Prozessbeginn gestanden. Seine Darstellung deckte sich mit der Beweisaufnahme und dem Bericht von Rechtsmediziner Michael Bohnert über die Verletzungen des Getöteten. Und das Geständnis passte auch zu dem Tatablauf, den ein Spurensicherer der Würzburger Kripo dem Gericht präsentierte, sowie zum Gutachten von Susanne Eberlein über den psychischen Zustand des Beschuldigten.

Dem 37-Jährigen wurde Schizophrenie attestiert. Er fühle sich verfolgt und höre Stimmen, hatte er selbst am Dienstag in der Verhandlung gesagt. Bereits vor dem nächtlichen unerwarteten Angriff auf seinen Mitbewohner ohne erkennbaren Anlass habe der Geflüchtete aggressiv reagiert, sagte ein Wachmann der Kitzinger Flüchtlingseinrichtung im Zeugenstand aus. Weil er sich ausgelacht fühlte, habe der Beschuldigte Monate vor der tödlichen Attacke plötzlich einen Stein auf den Container des Wachpersonals geworfen.

Gutachterin: Keine Einsicht in schuldhaftes Verhalten

Dem Beschuldigten habe zur Tatzeit die Einsicht in ein schuldhaftes Verhalten gefehlt, so die Einschätzung der Gutachterin. So folgte das Gericht dem Antrag von Anklage und Verteidigung, den 37-Jährigen nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags im Zustand der Schuldunfähigkeit zu verurteilen. Faktisch macht dies bei einer dauerhaften Unterbringung keinen Unterschied.

Nebenklage-Anwalt Roj Khalaf sprach sich im Namen der Familie des Getöteten für eine Verurteilung wegen Mordes aus. Ob der Tod des 27-Jährigen vermeidbar gewesen wäre, wenn Heimleitung und Ärzte auf Warnsignale im Verhalten des 37-Jährigen schneller reagiert hätten? Es wäre nach Khalafs Auffassung zumindest Aufgabe der Behörden gewesen, "die Gefahr zu minimieren". Daran habe es gefehlt, sagte der Anwalt in seinem Plädoyer. Die Familie des Getöteten "verdient es, dass dem zumindest nachgegangen wird".

Staatsanwalt: Die Tat war nicht wirklich vermeidbar

Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach betonte: Der Beschuldigte habe zwar wiederholt Polizisten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass er Stimmen höre und Hilfe brauche. Daraus dürfe man aber keine falschen Schlüsse ziehen: "Bei aller Tragik: Das war nicht wirklich vermeidbar!", sagte Seebach. 

Ähnlich formulierte es der Vorsitzende Richter Thomas Schuster in seiner Urteilsbegründung. Manche Äußerungen des 37-Jährigen seien "für geistig gesunde Menschen nur schwer nachvollziehbar". Ein Mord aus Heimtücke sei aber nicht nachweisbar. Darauf komme es letztlich auch nicht an, die Prognose der Sachverständigen zum Krankheitsverlauf sei eindeutig: Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien "auch künftig schwere Straftaten von dem Mann zu erwarten", sagte Schuster. Dem 37-Jährigen fehle die Einsicht in die volle Dimension seiner Erkrankung. Deshalb werde er in einer Klinik untergebracht.

Vorsitzender Richter: Frage der Vorhersehbarkeit "interessant, aber nicht relevant"

Es sei nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, zu prüfen, ob die Tat von Verantwortlichen der Unterkunft oder behandelnden Ärzten vorhersehbar oder vermeidbar war, betonte der Vorsitzende. Die Frage sei "interessant, aber nicht relevant" für die Entscheidung gewesen. Schusters Mahnung: Gerade mit Blick auf die jüngere deutsche Geschichte "tun wir gut daran, Menschen nicht einfach wegzusperren".  

Regierung von Unterfranken: Keine Stellungnahme zu möglichen Versäumnissen

Eine Kitzinger Flüchtlingshelferin hatte Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen gegen Heimleitung und behandelnde Ärzte des Beschuldigen gestellt. Was daraus wird, ist noch nicht entschieden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gemeinschaftsunterkunft im Innopark in Kitzingen: Hier hat im Dezember 2021 ein Flüchtling einen Zimmernachbarn im Schlaf erschlagen. Jetzt stand er vor Gericht.
Foto: Ralf Dieter | Die Gemeinschaftsunterkunft im Innopark in Kitzingen: Hier hat im Dezember 2021 ein Flüchtling einen Zimmernachbarn im Schlaf erschlagen. Jetzt stand er vor Gericht.

Auf Nachfrage zu möglichen Versäumnissen bestätigte die Regierung von Unterfranken am Mittwoch nur, dass der Getötete in einer Unterkunft gewesen sei, für die sie zuständig ist. Ansonsten teilte sie nur mit: "Es liegt uns fern, auf Zeugenaussagen und Beweisaufnahmen am Landgericht durch irgendwelche Aussagen - überwiegend auch abseits unserer unmittelbaren Zuständigkeit - Einfluss zu nehmen, indem wir uns dazu über die Medien mitteilen." Man gehe davon aus, dass "die relevanten Sachverhalte" im Strafverfahren "entsprechend behandelt werden".

 
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