Von Unterfrankens Notärzten wie Christian Markus aus Würzburg wird jeden Tag Tempo erwartet: möglichst schnell zur Unfallstelle, zum Patienten mit Herzinfarkt, zum Kind mit Atemnot oder zur Schwangeren mit einsetzenden Wehen. Solch ein Tempo aber vermissen die Notärzte - in eigener Sache - nun seit Monaten: Bei den nötigen Verhandlungen über ihre Bezahlung geht nichts voran. Der Unmut unter den Medizinern wächst.
Die Notarztversorgung in Deutschland übernehmen weitgehend Ärztinnen und Ärzte zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit: Nach dem stressigen Alltag in Klinik oder Praxis sollen flächendeckend in ganz Unterfranken ausgebildete Fachleute als Notarzt zur Verfügung stehen. In 12- oder 24-Stunden-Schichten und - vor allem im ländlichen Raum - auch mal ein ganzes Wochenende. Doch es wird immer schwieriger, dafür genug Freiwillige zu finden - auch wegen der Bezahlung, die in Bayern im Bundesvergleich deutlich hinterher hinkt. Und bei der im Moment ein für die Ärzte unbefriedigender Schwebezustand herrscht.
Vertrag vor Monaten abgelaufen
Schon Ende 2020 war der bisherige Vertrag mit den Krankenkassen abgelaufen, die Notärzte hofften auf eine bessere Bezahlung. Solange kein neuer Vertrag geschlossen ist, wirken die alten Regelungen nach - ein Fakt, der nun den Kassen entgegenkommt. Sie warten offenbar ab, die Notärzte fühlen sich im Regen stehen gelassen : "Es finden schlicht keine Verhandlungen statt", heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern (KVB), die für ihre Notärzte gerne am Verhandlungstisch um eine Lösung ringen würde. Bei der KVB liegt nämlich der Sicherstellungsauftrag: Sie muss gewährleisten, dass jeder Notarzt-Standort 24 Stunden am Tag besetzt ist.
Bislang sieht die Vergütung der Dienste in Bayern im Kern so aus: Solange der Notarzt in Bereitschaft steht, wird dies mit 21 Euro pro Stunde bezahlt. Pro Einsatz erhält der Arzt 82 Euro, von denen ihm die 21 Euro der Bereitschaftspauschale wieder abgezogen werden. Was heißt das in der Praxis?
Würzburger Notarzt: "Selbst 20 Prozent mehr wären kein Vermögen"
Da ist beispielsweise ein Notarzt zwölf Stunden in Bereitschaft und hat zwei Einsätze in dieser Zeit. Unterm Strich bleiben ihm am Ende nach Abzug der Steuern nur etwa 16 Euro pro Stunde, rechnet Christian Markus: "Selbst 20 Prozent mehr wären kein Vermögen", findet der Sprecher der unterfränkischen Notärzte. Markus hat jahrzehntelange Erfahrung als Notfallmediziner. Der Anästhesist von der Universitätsklinik in Würzburg war als Notarzt schon in Wiesentheid und Marktheidenfeld im Einsatz, in Karlstadt, Lohr und Gemünden.
In Städten mit großen Kliniken wie Würzburg und Schweinfurt gibt es genug qualifizierte Ärzte, um die Dienstpläne zu füllen. Aber schon in Marktheidenfeld lassen sich die Schichten aus eigener Kraft nicht lückenlos besetzen: "Also hat die KVB einen Vertrag mit den Unikliniken in Würzburg geschlossen, die nun mit ihrem Personal den Dienst an diesem Standort sicherstellt", erklärt Dr. Thomas Jarausch, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte in Bayern (agbn).
Auch mit über 60 Jahren sind viele im Blaulicht-Einsatz
Auch Jarausch ist Notfallmediziner mit langjähriger Erfahrung. Und einer, der mit vielen älteren Kollegen die freiwilligen Dienste aufrecht erhält: In Unterfranken sind 491 Notärztinnen und Notärzte (unterschiedlich intensiv) daran beteiligt. Im Schnitt seien die Kollegen 47 Jahre alt, weiß Jarausch von Zahlen der KVB. 85 Mediziner in der Region ließen sich immer wieder für den Blaulichteinsatz einspannen, obwohl sie bereits 60 Jahre und älter sind.
Die Versorgung auch im ländlichen Bereich bedeutet für manchen Freiwilligen lange Anfahrt, Arbeit in fremder Umgebung, womöglich das ganze Wochenende getrennt von Frau und Familie - für weniger Geld als Kollegen in benachbarten Bundesländern. Die Folge: Es wird immer schwieriger, genug junge Ärzte für die Notdienste zu finden - oder zu tauschen, wenn man plötzlich selbst andere Termine und Verpflichtungen hat.
Nachbarländer mit deutlich besseren Konditionen
Die unterfränkischen Notfallmediziner verweisen auf das benachbarte Thüringen, wo die Bereitschaftspauschale etwa doppelt so hoch ist. Und in Baden-Württemberg sind sich Kassen und Kassenärztliche Vereinigung bereits über neue Verträge einig - zu deutlich besseren Konditionen. Dem neuen Vertragswerk zufolge sind dort für den Arzt in Bereitschaft beispielsweise künftig 41 Euro statt bisher 38 Euro brutto pro Stunde unter der Woche vorgesehen - und 45 Euro am Wochenende.
Da müsste in Unterfranken ein Notarzt nach jetziger Regelung zu neun Einsätze in einer Schicht gerufen werden, um annähernd auf die gleiche Bezahlung zu kommen. Aber gerade im ländlichen Bereich sind eher ein bis zwei Einsätze die Regel, berichten die Ärzte.
Verantwortliche wie Markus und Jarausch warnen davor, den Notarztdienst in Bayern an die Wand zu fahren. Dabei verweisen sie auf die enorme Verantwortung - und auch auf ihre Rolle während der Pandemie: "Wir haben aktiv dazu beigetragen, die bayerischen Krankenhäuser vor dem Kollaps zu bewahren", sagt Jarausch, Vorsitzender von bayernweit mehr als 3200 Notärzten.
"Erhebliche Diskrepanzen" bei der Vergütung
Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Situation in Bayern mit der in anderen Bundesländern und Anrainerstaaten verglichen - und "erhebliche Diskrepanzen" ausgemacht: Die Vergütung im Freistaat liege im Vergleich mit benachbarten Bundesländern weit im unteren Drittel. Doch warum sollte ein unterfränkischer Notarzt schlechter bezahlt werden als einer in Thüringen oder Sachsen-Anhalt? "Wir wollen nicht 20 Prozent mehr, wir wollen nur nicht länger nur 80 Prozent", sagt Familienvater Christian Markus.
Der schwelende Konflikt betrifft indirekt auch Patienten in Unterfranken, die im Notfall auf schnelle und kompetente Hilfe vertrauen – ob mitten in Würzburg oder irgendwo auf einer Landstraße in der Rhön. Jarausch warnt: Schon jetzt gebe es Probleme, alle Dienste an allen 227 Notarzt-Standorten in Bayern zu besetzen. "Nur mit großem persönlichen Engagement vieler Kolleginnen und Kollegen ist dies überhaupt noch möglich." Doch sei "ein Hinhalten bei Vertragsverhandlungen nicht motivationsfördernd", sagt Markus.
Zurück an den Verhandlungstisch?
Inzwischen machen sich Bundes- und Landtagsabgeordnete aus Franken bei den Kassen für eine Honoraranpassung für die bayerischen Notärzte stark. Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) hält sich zwar offiziell aus den Verhandlungen heraus. Aber auch er weiß um die vergleichsweise schlechte Honorierung in Bayern. Seinen Brief an die Notärzte kann man durchaus als Wink verstehen, wenn er hofft, "dass bei einem konstruktiven Zusammenwirken der Verantwortlichen hier bald nachhaltige Verbesserungen erzielt werden können".
Die Notärzte sehen die Kostenträger in der Bringschuld. Die Krankenkassen aber geben sich auf Anfrage dieser Redaktion gelassen: Die von der AOK angeführte Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in München gibt keine Antwort auf die Frage, warum so lange nichts passiert ist. Die Verhandlungen würden "in Kürze fortgeführt werden".
aber wenn so ein Schlaglicht aufblitzt, zieht das auch automatisch die Frage nach sich, wer die Knete stattdessen einsteckt. Vmtl. irgendwelche Funktionäre, die der Meinung sind, Leistung muss sich lohnen, wobei sie gerne vergessen, dass es nix gäbe wo sie funktionieren könnten wenn nicht irgendwer anders was leisten würde?
Oder was für astronomische Beträge sind im "Sport" so im Schwange?
Ich hör immer wieder, die Grünen wollen das Land ins vorige Jahrhundert zurückkatapultieren. Aber wenn ich mir sowas anschaue, komme ich nicht umhin zu denken, das wäre so schlecht gar nicht und würde vielleicht wieder zu mehr Bodenständigkeit statt zunehmender Maßlosigkeit durch Entfernung vom Boden der Tatsachen führen...
Ich glaube nicht dass einer der von Ihnen erwähnten 450€ Jobbern nachts, an Weihnachten, bei minus zehn Grad auf der Autobahn die Verantwortung für einen Schwerverletzten übernimmt. Diese Diskussion und die unsäglichen Vergleiche von Honoraren ist ein Tritt in den Allerwertesten der Notärzte die sich selbigen Allerwertesten 24/7/365 auch für Leute wie Sie aufreißen, damit sie schön in Sicherheit vom Sofa aus Dinge kommentieren können von denen Sie nicht den Hauch einer Ahnung haben. Übrigens: ein Notarzt verdient auch tausendfach weniger pro Stunde als ein Formel 1 Fahrer. Das müsste man mal ändern ! (Ironie off)
Es gibt zahlreiche Skandale und strukturellen Missstände in Bayern. Das hier ist ein eher kleineres Problem für eine sehr exklusive Klientel.
Sie schreien dann mit Sicherheit am lautesten.
Ich habe selber Bereitschaftsdienst geschoben und kann die Ärzte verstehen. Ein Monteur im Kältebereich würde sich für diesen Betrag nicht mal aus dem Bett erheben.
P.S. Hut ab vor allen Handwerkern, ohne sie geht gar nichts und auch deren Bezahlung halte ich für zu gering. Also meinen Vergleich bitte nicht als Abwertung verstehen
Wieviel Oberärzte gibt es denn die dieses Gehalt haben bitte nicht verallgemeinern.
Hoffentlich benötigen Sie selbst nie einen Notarzt der dann nicht kommt da keiner mehr den Job übernehmen will.