
Sie war mal prachtvoll und voller Leben. Heute ist sie so etwas wie der Lost Place unter den Kitzinger Innenstadtstraßen. Die Fischergasse fristet ein Dasein unter ihrer historisch verbürgten Würde. Städtische Fördermittel zum Sanieren der alten Handwerkerhäuser werden so gut wie nicht abgerufen. Was ist da los? Ein Treffen mit alteingesessenen Fischergässlern bringt berührende Einblicke.

Der Name "Fischergasse" kommt nicht von ungefähr. Jahrhundertelang residierten in der Straße Richtung Mainstockheim, parallel zum Main, die Fischer, die älteste Zunft der Stadt. "Die Fischstrecke am Main war in 'oberhalb der Mainbrücke' und 'unterhalb' eingeteilt", erzählt Stadtarchivarin Doris Badel. "Jeder Fischer durfte nur in seinem Teil fischen." Im Kleinen allerdings durfte jeder Bürger für seine Familie angeln, sofern er die Fische nicht verkaufte. Ausnahme: "Leute ohne feste Arbeit waren vom Fischen ausgeschlossen."

Wenn sie von ihren Schelchen und Kähnen zurück nach Hause gingen, passierten die Fischer an der Stadtmauer das imposante Schwanentor – gut zu sehen ist es auf einer Stadtansicht aus dem Jahr 1628. Heute ist der Platz neben dem Dekanat frei, kein Tor mehr weit und breit. Doch von den Handwerkern, die sich mit der Zeit zu den Fischersleuten gesellten und verschachtelte Fachwerk- und Bruchsteinhäuser bauten, zeugen in der Fischergasse heute noch historische Fassaden, Höfe und Inschriften.
Die Anwohner kennen die versteckten Geheimnisse der Gasse
Richard ("Richie") und Waltraud Müller kennen die versteckten Geheimnisse der Fischergasse. Ihr Blick ist wissend und manchmal auch ein bisschen wehmütig, wenn er an den Häuserreihen entlangwandert. Genauso geht es Rita und Günter Östheimer sowie Ritas Bruder Rudi Weber. Sie alle wohnen seit Jahrzehnten in der geschichtsträchtigen Straße.

Richie und Rudi, beide um die 80, bleibt ein Mann in lebhafter Erinnerung: Konrad Sauer, der letzte Berufsfischer. "'Ihr Läushammel!', hat er uns immer nachgerufen, wenn wir auf seinem Schelch herumgeturnt sind", erzählt Rudi Weber grinsend. Seine Schwester Rita weiß noch genau: "Freitags hat er immer am Kiliansbrunnen seine Fische angepriesen und verkauft."

Rund um Sauers Fischerhäuschen befanden sich in den 1950er- und 60er-Jahren viele verschiedene Handwerker-Häuser und -Läden: Schuster, Korbmacher, Altwarenhändler, Fuhrunternehmer, Bäcker, sogar an den Geruch der Polsterei erinnert sich Rita Östheimer noch gut. "Die haben dort Seegras und Rosshaar verarbeitet." Ihr eigener Opa, Jakob Weber, hatte im Gebäude Nummer 30 eine Schlosserei. Bilder aus dem Familienalbum zeigen den schmucken Betrieb.

Gegenüber lassen tiefe Fenster in einem gelben Gebäude erahnen: Hier war einst ein Krämerladen. "Bei den Hipps hat es alles gegeben", erzählt Richie Müller. Seine Frau Waltraud weiß noch: "Und gegenüber, die Nummer 22, das war das Gasthaus Zur Sonne, da konnte man echt gut essen."
Für die Buben der damaligen Zeit immer ein Anziehungspunkt war das Deusterareal, das man über eine steile Treppe hinter Sauers Fischerhäuschen erreichen konnte. "Dort gab es nach dem Krieg Holzbaracken, in denen der Krämers Schorsch mit uns Sportunterricht gemacht hat", erinnern sich Rudi und Richie.
Aus dem Handwerkerviertel ist eine Durchgangsstraße und "Rennstrecke" geworden
Doch so spannend die Geschichte der Straße zwischen Hadeloga-Statue und der einstigen "Oberrealschule für Mädchen" – in dem gelben Haus gegenüber des Kolosseums – auch ist: Die vielen Autofahrer, die täglich durch die Fischergasse düsen, sehen davon kaum etwas. "Die Fischergasse ist zu einer Durchgangsstraße, teils sogar einer Rennstrecke verkommen", finden Richie und Waltraud Müller.

Wie ihre Nachbarn hoffen sie auf eine Einbahnstraßen-Regelung – das würde ihrer Ansicht nach den enormen Verkehrslärm zumindest mildern. "Der frühere OB Müller hatte zugesagt, dass die Einbahnstraße kommt, wenn die Mainlände umgestaltet ist", sagt Rita Östheimer. "Aber wir warten da immer noch drauf."
Seitens der Stadt gibt es aktuell noch keine konkreten Pläne für eine neue Verkehrsführung, wie Pressesprecher Ralf Dieter informiert. "Eine Einbahnstraßen-Regelung ist aufgrund der räumlichen Situation nicht einfach umsetzbar." Zumindest aber gebe es finanzielle Anreize für Hausbesitzer, die ihre Immobilien ertüchtigen und Fassaden retten wollen. Die Fischergasse liegt im Sanierungsgebiet der Innenstadt. "Auch durch das Städtebauförderungsprogramm sind viele Hilfen im Altstadtbereich möglich", betont der Stadtsprecher. "Beratungen dazu gibt es im Bauamt."

Dieter sagt auch: "Leider werden diese Fördermöglichkeiten bisher im Bereich Fischergasse nur sehr zögerlich genutzt." Ob es daran liegt, dass viele der alten Häuser an Menschen verkauft wurden, die keine historische Beziehung zu ihnen haben? Tatsache ist, dass nur wenige Anwohner ihre Immobilien so liebevoll erhalten wie die Müllers, Webers und Östheimers.
Die Stadt kann hier kaum mit gutem Beispiel vorangehen
Ralf Dieter betont: Die Stadt Kitzingen selbst besitze in der Straße keine Gebäude, bei denen sie mit gutem Beispiel vorangehen könnte. Dass es in der Fischergasse Häuser mit historischer Substanz gibt, stehe allerdings ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass "eine Aufwertung dem gesamten Stadtbild guttäte".

Berühmtester Bewohner der Fischergasse war übrigens Johann Rudolph Glauber. Der Apotheker und Chemiker hatte im 17. Jahrhundert sein Wohnhaus und Labor in der Hausnummer 35. Ein Schild an der schmucklosen Fassade zeugt davon. Wer schnell durch die Straße fährt, wird es allerdings kaum erkennen – wie so vieles andere auch nicht.
Und den Dreck von damals will heute sicher niemand auf der Strasse. Zicke Zacke Pferdekacke sag ich mal. Das muss im Sommer ein olfaktorisches Erlebnis erster Güte gewesen sein, ein Nasenschmaus geradezu.