Das Zentrum von Kitzingen wird vom Main, der Nord- und der Südtangente begrenzt. Alles dazwischen zählt als Altstadt. Dort leben, Stand Januar, 3458 Bewohnerinnen und Bewohner. Kurze Wege, viele Geschäfte und medizinische Einrichtungen sind Pluspunkte, die für das Leben in der Altstadt sprechen. Minuspunkte sind knappe Parkplätze, wenige Grünflächen und manchmal laute Nächte. Sechs Befragte erzählen, was sie an ihrer Wohnung im Stadtkern besonders schätzen.
Barbara Kolb (63): "Ich bin eine Ur-Kitzingerin"
Barbara Kolb schaut aus ihrem Fenster auf die Kaiserstraße. Ihre Wohnung befindet sich im zweiten Stock. In der Wohnung muss sie erst eine kleine Holztreppe mit drei Stufen hinunterlaufen, bevor es ebenerdig weiter geht, in helle, modern eingerichtete Zimmer.
"Ich bin eine Ur-Kitzingerin und bin hier aufgewachsen, habe meine Kinder hier großgezogen und bin stark verwurzelt", erzählt sie. Das Haus gehört Barbara Kolbs Vater; der hat es wiederum von seinem Vater geerbt. Knapp 120 Quadratmeter bewohnt sie. Die Außenwände wurden 2011 neu gestrichen. "Das hat die Stadt Kitzingen unterstützt, damit für die Gartenschau alles schön aussieht", sagt Kolb.
Vorteile sieht die Lehrerin darin, dass sie ihr Auto kaum benutzen muss und für sie alles mit dem Fahrrad erreichbar ist. Auch viele Feste spielen sich in ihrer Nähe ab. "Wenn das Stadtfest ist, öffne ich mein Fenster, um zu hören, welche Musik gespielt wird, um mich dann zu entscheiden, ob es sich lohnt oder nicht." Im Stadtkern finde man alles, was für das Leben gebraucht werde. Auch die Flexibilität ist für die gebürtige Kitzingerin ein Vorzug.
Der Sommer liefert aber auch Schattenseiten. "Die Hitze ist fast unerträglich, da die Wohnung keinen Durchzug hat." Das Fenster öffnen, sei nachts keine Lösung. Viele Jugendliche würden sich an der Bushaltestelle treffen und Lärm machen, erzählt Kolb. Trotz alledem würde Barbara Kolb jederzeit wieder in die Altstadt ziehen.
Jocelyne (77) und Martin (75) Nicoly: "Es war ein Wunschtraum, in die Innenstadt zu ziehen"
Das Ehepaar Martin und Jocelyne Nicoly hat sich mit seinen antiken Möbeln in der Nähe des Marktplatzes eingerichtet. Martin Nicoly kommt ursprünglich aus München und seine Frau aus Frankreich. Beide wollten in eine Stadt ziehen, die überschaubar ist. Im Jahr 2008 haben sie sich entschlossen, nach Kitzingen zu wechseln. "Es war ein Wunschtraum, in die Innenstadt zu ziehen", sagt er. Zuerst wohnten Nicolys am Bleichvasen. Doch im Alter ist die Altstadt für sie attraktiver geworden.
"Wir sind umzingelt von Apotheken, Ärzten, Bäckern und die Behörde ist auch um die Ecke", sagt Martin Nicoly. "Wir sind auch nicht ausgeschlossen vom Leben", meint Jocelyne Nicoly. Die Wohnung sei praktisch neu und komplett entkernt worden, weshalb das Raumklima, besonders im Sommer, erträglich sei.
Eines der Auto steht in der Tiefgarage, das andere in Richtung Bahnhof. "Wir haben eine Sondererlaubnis für das Parken außerhalb der Lieferzeiten, um den Einkauf in die Wohnung zu tragen", erzählt Martin Nicoly. Das sei eine kostenlose Leistung der Stadt.
Bei Renovierungen greift jedoch der Denkmalschutz ein, manchmal zum Ärger der Bewohner. Martin Nicoly beantragte zum Beispiel elektrische Rollläden, die abgelehnt worden sind. "Obwohl die Fassade von außen eh nicht schön aussieht." Die Lage der Wohnung sei ideal für Rentner, wären da nicht die Pflastersteine in der Altstadt. "Die Steine bereiten uns beim Laufen Schwierigkeiten", sagt Nicoly. Empfehlen kann das Paar das Leben in der Stadtmitte trotzdem.
Monika Wellms-Bektic (64): "Mein Mann hat gleich einen Angelschein gemacht"
Seit 24 Jahren wohnt Monika Wellms-Bektic mit ihrem Mann in der kleinen, aber feinen Wohnung am Main. Eine große Terrasse ist durch die Küche zugänglich und "ist gegen Osten ausgerichtet, daher ist am Nachmittag angenehmer Schatten", sagt sie. Über die Jahre sind dort viele Freundschaften entstanden, und dass ein Orthopäde und Ärzte zu Fuß erreichbar sind, ist für Wellms-Bektic vorteilhaft.
Auch ihr Mann ist zufrieden mit der Lage der Wohnung. Er "hat gleich einen Angelschein gemacht", um am Main angeln gehen zu können, der nur ein paar Meter vom Zuhause entfernt ist. Das Leben in einem Mietshaus sieht Wellms-Bektic positiv. "Die Wohngemeinschaft ist großartig. Meine Nachbarin und ich passen gegenseitig auf uns auf, weil wir beide schon älter sind."
Ein nachteiliger Aspekt ist die Parksituation. Während der Veranstaltungen, die in der Stadt stattfinden, "ist alles vollgeparkt und wir müssen dann weiter weg parken, obwohl wir einen Anwohnerausweis haben." Auch das Hochwasser ist immer wieder ein Problem. Das Paar musste besonders in jüngster Zeit auf den steigenden Wasserspiegel achten. "2003 war das Wasser bis in den Keller gestanden und alles musste rausgetragen werden", erinnert sie sich. Doch trotzdem ist Wellms-Bektic froh, in der Kitzinger Altstadt zu wohnen.
Franz Böhm (80): "Hier hast Du doch alles"
Seine Wohnung hat Franz Böhm entdecket, als er sich im Nachbarhaus mit seinen Kollegen zum Stammtisch traf. Vor elf Jahren war sie noch nicht bewohnbar, doch seine Frau Doris habe mit einem Architekten ein Heim "gezaubert". Davor lebte das Ehepaar in einem Haus, aber da seine Ehefrau, wie sie sagt, "keinen Hausmann und keinen Gärtner als Mann hat", wurde ihr das alles zu viel. Weshalb beide nach einer Bleibe in der Altstadt gesucht haben.
Vom Wohnzimmer hat man durch die verglaste Terassentür einen Panoramablick auf dem Main. Davor steht ein Tisch, an dem das Paar gern Kaffee trinkt und das Treiben auf dem Fluss beobachtet. Franz Böhm hört oft die Frage, ob er seine Wohnung verkaufen würde. Doch er will in seinem Alter nicht mehr aus seiner Eigentumswohnung und vor allem aus der Altstadt ausziehen.
Gründe dafür kann der Ehemann viele aufzählen: Cafés sind in der Nähe, Wege sind kurz und, wie Böhm augenzwinkernd sagt, "der Friedhof ist ja auch nicht weit entfernt". Eine Kehrseite sieht er mit den lauten Festen auf der anderen Mainseite: "Die sind zu laut, doch damit muss man leben können, wenn man eine Wohnung am Main haben möchte."
In Franz Böhms Augen "lebt die Stadt von der Altstadt, nicht von Baugebieten", denn in der Altstadt "hast Du doch alles".