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Kitzingen
"Ein Weckruf für die Region": Industriestandort Kitzingen droht schleichender Niedergang
Die IG Metall machte bei einer "öffentlichen Pressekonferenz" auf die Probleme und Nöte in der Region aufmerksam. Worin Norbert Zirnsak eine besondere Gefahr sieht.
Öffentliche Pressekonferenz: Die IG Metall war mit Betriebsratsvorsitzenden verschiedener Kitzinger Großbetriebe auf den Marktplatz gekommen, um ein aktuelles Stimmungsbild zu bekommen.
Foto: Thomas Obermeier | Öffentliche Pressekonferenz: Die IG Metall war mit Betriebsratsvorsitzenden verschiedener Kitzinger Großbetriebe auf den Marktplatz gekommen, um ein aktuelles Stimmungsbild zu bekommen.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 25.02.2025 02:36 Uhr

Vielleicht war es gut, dass sich die IG Metall für einen offenen Pavillon entschieden hatte. In einen geschlossenen Raum, das zeigte sich bei der Veranstaltung am Freitagvormittag auf dem Kitzinger Marktplatz schnell, hätten all die Sorgen und Nöte gar nicht hineingepasst.

Norbert Zirnsak, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Würzburg, hatte zu einer öffentlichen Pressekonferenz eingeladen. Ein ungewöhnliches Format, das so funktionierte: Eine gute Handvoll Betriebsratsvorsitzender großer Kitzinger Industriebetrieben geben ihre Einschätzungen ab, wie schwierig die Lage aktuell ist.

Norbert Zirnsak spricht von "dramatischer" Lage

Dass es um den Industriestandort Kitzingen mit seinen rund 5500 Industriearbeitsplätzen alles andere als gut bestellt ist, hatte Zirnsak in seiner Einleitung betont: Die Lage sei "dramatisch". Einer der Gründe: "Die politischen Rahmenbedingungen im Land passen nicht mehr!" Zirnsak sprach von einem "schleichenden Verlust von Arbeitsplätzen". Entsprechend laste auf den Beschäftigten "ein extremer Druck".

Zu beobachten sei zudem, dass sich immer mehr "Logistiker mit prekären Arbeitsbedingungen" ansiedeln, das gefährde "den Wohlstand in der  Region". Würden immer mehr tarifgebundene Arbeitsplätze wegfallen, drohe die Region "zum Armenhaus" zu werden. 

Fehrer-Betriebsratsvorsitzender: Sorge um Arbeitsplätze ist groß

Einschätzungen, die unisono von den befragten Betriebsräten geteilt wurden. Karl-Heinz Metzner, Fehrer-Betriebsratsvorsitzender, hob hervor, dass "die Sorgen um die Arbeitsplätze groß" seien. Es gebe "tagtägliche Angst", Mitarbeiter würden teilweise "krank zur Arbeit kommen". Er prangerte zudem an, dass die Politik "kein Bekenntnis zum Standort Deutschland" abgebe. 

Norbert Zirnsak (am Mikro) leitete die 'öffentliche Pressekonferenz' auf dem Marktplatz in Kitzingen.
Foto: Thomas Obermeier | Norbert Zirnsak (am Mikro) leitete die "öffentliche Pressekonferenz" auf dem Marktplatz in Kitzingen.

Von "großen Sorgen und großer Unsicherheit" sprach Erich Mirnig. Der Franken-Guss-Betriebsratsvorsitzende erinnerte daran, dass das Unternehmen sich nunmehr seit August in der Insolvenz befinde. "Alle arbeiten daran, da wieder rauszukommen", betonte er. Die Frage, wie es denn weitergeht, schwebe immerzu über den Beschäftigten. Die Herausforderungen seien groß, alleine der Umstieg von fossiler Energie hin zu Strom würde um die 40 Millionen Euro verschlingen.

Martin Hering, Betriebsratsvorsitzender von Leoni, sieht bei der Belegschaft "viel Unsicherheit und viele Zukunftsängste". Man müsse immer damit rechnen, dass Arbeitsplätze abgeschafft oder verlagert würden. Der Blick richte sich im Moment immer weniger in Richtung softe Dinge wie Innovationen, vielmehr gehe es knallhart ums Überleben.

Kurzarbeit und Unzufriedenheit bei Bosch Rexroth

Wolfgang Leibold (Bosch Rexroth in Volkach und Schweinfurt) hob hervor, dass man sich nun schon teilweise seit zwei Jahren in Kurzarbeit befinde. Der Stellenabbau schreite voran, entsprechend seien "die Mitarbeiter unzufrieden". Immerhin seien zuletzt Maschinen aus dem Ausland wieder an den heimischen Standort zurückgekehrt.

Michael Henninger, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Gea, berichtete von einer Restrukturierung und einer Verschmelzung mit vier weiteren Standorten. Es sei deshalb "nicht gerade einfach".  Michael Sobeck, Schaeffler-Betriebsratsvorsitzender, sah dies ebenso: "Die Leute sind verunsichert!" Aus rückläufigen Aufträgen erwachse Unzufriedenheit, nach wie vor fehle es an "klaren Rahmenbedingungen".

Schließlich hob auch Jens Janotta, Betriebsratsmitglied bei Baumüller, auf die "nachlassende Nachfrage" ab, was zu Reduzierungen und Kurzarbeit führe. Entsprechend sei die Stimmung alles in allem "sehr angespannt". 

Abschaffung der Schuldenbremse gefordert

Norbert Zirnsak forderte abschließend die Politik auf, die Schuldenbremse abzuschaffen. Es müssten jetzt "600 Milliarden an Investitionen" her, wolle man nicht "künftigen Generationen einen Investitionsstau hinterlassen". Die Gewerkschaft wolle hier Dampf machen, es gehe um "einen Weckruf für die Region". Für die Beschäftigten würden sich "die Zeiten enorm zuspitzen".

Gegensteuern soll auch ein bundesweiter Aktionstag der IG Metall am 15. März in Frankfurt mit 100.000 Teilnehmern, an dem auch Mitarbeiter Kitzinger Betriebe teilnehmen. Die Busse fahren um 9 Uhr am Bayernheim in Kitzingen ab. Anmeldung in der Geschäftsstelle der IG Metall, Tel.: (0931) 3226116. 

 
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Kommentare
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  • Erich Spiegel
    Der Standort D ist zu teuer, zuviel Bürokratie, alles geht zu langsam. Gutgemeinte Bürgerbeteiligung verzögert die Umsetzung von Projekten bis auch der allerletzte einverstanden ist. Die Konkurrenz aus Asien ist schneller und billiger und liefert wohlgemerkt die gleiche gute Qualität. Der Stellenabbau wird leider weiter gehen. Damit es wieder aufwärts geht muss geklotzt werden, nicht nur kleckern auch wenn es weh tut. Leider ist in der breiten Bevölkerung noch nicht angekommen, dass die Ärmel hochgekrempelt werden müssen. Ein weiter so wird nicht funktionieren sonst droht schleichend ein kräftiger Wohlstandsverlust in den nächsten Jahren.
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  • Alfred Nowak
    Was heißt schleichender Niedergang, das Tempo wird leider zunehmen! „Ein Dank“ an die politischen Entscheidern und den verkrusteten und überbordenden Behörden/Verwaltungen! Ohne radikale und nachhaltige Reformen, die allen wehtun, wird sich diese Entwicklung nicht stoppen, geschweige denn umkehren lassen!
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