Die "sprechende Kasse" hat ihre Fans gefunden. Seit Mitte Juli kann man im Wiesenbronner Krämerladen rund um die Uhr einkaufen. Ab 13 Uhr ist kein Personal mehr da, aber dafür eine "sprechende Kasse", die beim Einscannen und Bezahlen der Waren hilft.
Die Geschäftsleiterinnen Claudia Djuren und Christiane Pötzl ziehen eine erste Bilanz: "Wir haben bisher durchweg positive Erfahrungen mit 24/7 gemacht. Nicht nur, weil der Umsatz gestiegen ist, sondern auch, weil unsere Kunden einfach super sind, ehrlich und aufrichtig."
Kunde kommt selbst in den Laden zum Nachbezahlen
Als der Scanner einmal eine Ware nicht eingelesen habe, sei der Kunde am nächsten Morgen in den Laden gekommen und habe nachbezahlt. "Das finde ich einfach toll!", sagt Claudia Djuren. "Alle Achtung an unsere Gesellschaft und auch an unsere Jugend!"
An die Jugendlichen geht das Lob, weil einige von ihnen bei einem nächtlichen Einkauf einen eigentlich verschlossenen Kühlschrank öffneten, ihren Fauxpas aber gleich meldeten. "Sie haben uns einen ganz süßen Zettel geschrieben."
Mit Personal ist der Krämeraden werktags bis 13 Uhr geöffnet, danach können Einheimische und Auswärtige auf eigene Faust shoppen gehen. Kleiner Wermutstropfen: Sonntags ist derzeit geschlossen, eine Genehmigung durchs Landratsamt fehlt noch.
Im Unterschied zu anderen Konzepten braucht man keine Kundenkarte, um in den Laden hineinzukommen. Eine einfache EC-Karte, Bankkarte oder Bezahl-App auf dem Handy dient als Türöffner. Eine Umfrage in Wiesenbronn zeigt: Das Angebot wird genutzt.
"Mega-praktisch und schont auch die Umwelt"
"Ich hab' früh vergessen, Joghurt mitzunehmen!" Mit diesen Worten kommt Eva Haase am Freitagabend zum Krämerladen. Die 22-Jährige möchte das Wochenende nicht ohne Naturjoghurt verbringen und freut sich deswegen sehr, "dass es hier das 24-Stunden-Shopping gibt". Kurz das Handy mit Bezahlfunktion oder die EC-Karte gezückt, schon öffnet sich die Ladentür.
"Ich finde das mega-praktisch. Zum einen, weil ich Schichtarbeit habe und zu den normalen Öffnungszeiten oft nicht einkaufen kann. Zum anderen aber auch, weil man jederzeit die Lebensmittel und Getränke holen kann, auf die man gerade Lust hat." Außerdem findet die junge Frau, die seit einiger Zeit in Wiesenbronn wohnt, dass die 24-Stunden-Einkaufsmöglichkeit auch die Umwelt schone: "Man muss nicht wegen jeder Kleinigkeit in die nächste Stadt fahren."
"Wir gehen einkaufen, wenn jemand im Laden ist"
Ernst und Angelika Klein haben als Rentner Zeit, vormittags einzukaufen – und tun das auch. "Wir gehen in den Krämerladen, wenn Personal da ist. Da unterhalten wir uns auch gern ein bisschen", erzählen die beiden. Dennoch finden die Wiesenbronner es gut, dass man in ihrem Heimatort jetzt um rund um die Uhr einkaufen kann. "Wir können gut verstehen, dass das Berufstätige freut."
"Oma, da sind gar keine Verkauferlinge drin!"
Ähnlich sehen das Helmut und Andrea Peter. Auch sie gehen gern in den Laden, wenn Personal da ist. Helmut Peter, ursprünglich aus Rüdenhausen, findet es generell sehr gut, "wenn man noch direkt im Dorf einkaufen kann". Seine Frau ergänzt: "Ich hab um 12 Uhr Feierabend und kann dann noch bis 13 Uhr alles besorgen, was wir brauchen."
Sohn Michael allerdings gehe inzwischen "oft und gern abends im Krämerladen einkaufen", zum Beispiel, wenn er und seine Familie Lust auf ein bestimmtes Essen haben. Zu einem Abendeinkauf hatte Michael kürzlich seinen dreijährigen Sohn Linus mitgenommen. Was Linus seiner Oma Andrea danach erzählte, amüsierte diese noch immer: "Er hat zu mir gesagt: 'Oma, da sind gar keine Verkauferlinge drin!'"
"Super einfach zu bedienendes System"
Begeisterte Nachteinkäufer sind inzwischen zwei junge Casteller. Peter und Angelina Stevens nutzen das Angebot oft nach der Arbeit oder am Wochenende. "Es ist ein schönes, ruhiges und angenehmes Einkaufen ohne Trubel und Stress. Man trifft den ein oder anderen und hält in Ruhe sein Pläuschchen", freut sich Angelina und ihr Mann ergänzt: "Dass es frisch abgepackte Ware vom Metzger oder Bäcker gibt, auch wenn kein Personal mehr da ist, ist wirklich klasse. Wir kommen oft spontan her und haben inzwischen schon immer im Hinterkopf, dass es nicht schlimm ist, wenn es zum Beispiel auf der Arbeit wieder mal später wird." Der personallose Einkauf sei zudem "überhaupt kein Hexenwerk, sondern ein super einfach zu bedienendes System".
"Sowas Knuffiges gibt es in der Großstadt nicht"
Vor zwei Jahren ist Ilona Wehlau nach Wiesenbronn gezogen; zuvor hat die gebürtige Berlinerin in Leipzig gelebt. "Ich finde es hier in Wiesenbronn traumhaft", sagt sie und lobt den Krämerladen: "Sowas Knuffiges gibt es in der Großstadt nicht." Noch hat sie zwar nur dann im Krämerladen eingekauft, wenn Personal da war, "aber sobald ich mal abends was brauche, werde ich den personallosen Einkauf ausprobieren".