"Alle Jahre wieder" spielte das kleine Blasorchester im Iphöfer Knauf-Museum vor einem erlesenen Publikum. Aber es war eben nicht wie alle Jahre, es war nicht die gleiche Prozedur wie jedes Jahr bei der Schlusssitzung des Stadtrates. Denn diesmal blieb es nicht bei salbungsvollen Worten von Harmonie und guter Zusammenarbeit – das Gremium erfüllte diese Worte selbst mit bisher nie dagewesenem Klang und einer prickelnden Premiere.
Bürgermeister Dieter Lenzer am Tenorhorn gab den Einsatz vor, etliche Mitglieder aus Stadtrat und Verwaltung stimmten an Tuba, Trompete, Trommel oder Triangel ein in weihnachtliche Weisen. Das ergab ein schönes, stimmiges Bild so kurz vor dem Fest und schärfte umso mehr den Kontrast zur Lage in der Welt, an dem Lenzer später in seiner Jahresschlussrede schwerlich vorbeikam. Kriege in Israel und in der Ukraine, Klimakrise, Bildungsnotstand, die weltweite Flüchtlingsbewegung und dann auch noch eine staatliche Haushaltsnotlage – "da kann einem schon angst und bange werden". Wie gut – so das Signal nach außen –, dass wenigstens im Kleinen die Welt noch in Ordnung ist.
Auf die Haushaltsnotlage des Staates reagiert Iphofen mit steigenden Rücklagen
Am Tisch ganz vorne saß der Hausherr Baldwin Knauf mit Gattin Inge und lauschte gespannt Lenzers kurzer Rede. Viele frohe Botschaften hatte der Bürgermeister im Gepäck. Natürlich durfte der Hinweis nicht fehlen, dass auch Iphofen "den Gürtel enger schnallen" und Projekte priorisieren müsse. Aber wenn man genau hinhörte, purzelten zwischen den ernsten, mahnenden und durchaus kritischen Worten, zwischen der Mahnung, Maß und Mitte zu halten, die schon sein Vorgänger Josef Mend bei dieser Gelegenheit gerne anbrachte, Hoffnung, Mut und Aufbruchstimmung.
Lenzer blickte auf eine weiter stabile Haushaltslage, auf Rücklagen, die man in diesem Jahr "moderat" aufgestockt habe, und er begegnete der Zukunftsangst da draußen mit dem fast schon trotzigen Satz: "Der Ungewissheit wollen wir mit Weitsicht begegnen."
Der "Vielzahl" der in diesem Jahr angepackten und "mehr als beachtlichen Projekte" wolle man 2024 "weitere beispielhafte Schwerpunkte" hinzufügen. Da klang das bekannte Iphöfer Selbstbewusstsein an, im Landkreis immer wieder Avantgarde sein zu wollen. Dazu gehört die geplante Erweiterung des eigenen Nahwärmenetzes, betrieben mit Hackschnitzeln aus dem Stadtwald. Dazu gehört der barrierefreie Ausbau des Bahnhaltepunktes, der Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein soll und Iphofen noch attraktiver für Zugreisende machen wird – so attraktiv, dass man längst über eine Erweiterung der Park-and-ride-Plätze am Bahnhof nachdenkt. Und dazu gehört der großflächige Einstieg in die erneuerbaren Energien mit Photovoltaikanlagen auf Schule und Karl-Knauf-Halle.
Im Baugebiet Ost entstehen bis Frühjahr 25 neue Bauplätze
Die Stadt wird weiter wachsen, dazu trägt schon das neue Baugebiet Ost IV bei, in dem im Frühjahr bis zu 25 Träume vom eigenen Haus wahr werden sollen. Und die Stadt wird weiterhin etwas bieten: den Einheimischen mit einem möglichen Neubau des Hallenbads, der allerdings gerade im Förderdickicht feststeckt; den Auswärtigen mit dem Um- und Neubau der Museumsgaststätte in Mönchsondheim, die zum Saisonstart des Kirchenburgmuseums im März zur Verfügung stehen soll, dann allerdings ohne Museumsleiter Nicolas Jagla, der nach zwei Jahren schon wieder weiterziehen wird. "Das macht es nicht einfacher", sagte Lenzer.
Von solch kleinen Rückschlägen abgesehen, blickt der Bürgermeister zuversichtlich auf das, was kommen wird – weil er weiß, dass in schwierigen Zeiten Verlass ist auf seinen Stadtrat und das Gremium sich im Zweifel immer so zusammenraufen wird wie an diesem Abend beim gemeinsamen Musizieren. So klang der Appell, den er im Schein von Kerzenlichtern an das Plenum richtete, eher wie eine Art Selbstvergewisserung: "Aktives, zielgerichtetes und gemeinschaftliches Handeln sollte der Maßstab unserer Arbeit sein." Das war dann tatsächlich ein Satz aus dem Repertoire von "Alle Jahre wieder".
Was ist denn nun eigentlich das Schlimmste, was den Iphöfern mal wieder erspart bleibt. "Während die Welt taumelt, ergeht sich Iphofen in Trotz und Mut." Wer im Geld schwimmt, ertrinkt nicht an den Schulden! "Der Stadtrat von Iphofen überrascht mit demonstrativer Harmonie!" Wenn andere Not leiden, kann Iphofen immer noch die Rücklagen steigern. Allerdings müsste der Satz: " Der Ungewissheit wollen wir mit Weitsicht begegnen" eigentlich lauten: " Der Ungewissheit können wir mit Geld begegnen"!
Das Schlimmste aber, was dem Stadtrat von Iphofen passieren kann: Einmal im Haushalt nicht zu wissen, was man mit dem Geld noch alles anstellen könnte, um weitern im Landkreis Avantgarde zu sein.