Zum runden Geburtstag an diesem Samstag ist Michael Glos mit seiner Ehefrau Ilse mal wieder in die Ferne entfleucht. Glückwünsche zum 75. nimmt der frühere CSU-Spitzenpolitiker erst nächste Woche daheim in Prichsenstadt (Lkr. Kitzingen) entgegen. Das schmucke Fachwerkhaus in der Dorfmitte ist schon in den turbulenten Zeiten an der Spitze der politischen Macht in Deutschland immer sein Rückzugsort gewesen. Übrigens: Der Würzburger Wolfgang Bötsch (1938 - 2017) und der in Hammelburg geborene CDU-Politiker Jakob Kaiser (1888 - 1961) waren die anderen beiden Bundesminister mit unterfränkischen Wurzeln.
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Als "Strippenzieher" ist Michael Glos in Bonn und Berlin berühmt – und durchaus auch berüchtigt – gewesen. Er habe Einfluss auf die Grundsatzentscheidungen der deutschen Politik nehmen wollen, so formulierte er es beim Abschied 2013 in einem Interview. Beispielsweise verdanke Angela Merkel nicht zuletzt seinem Zutun, dass sie 2005 Bundeskanzlerin wurde. Dass er im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 entschieden für die Kanzlerkandidatur Edmund Stoibers eintrat, habe nicht zuletzt dazu gedient, "Merkel zu schonen". Als mutmaßliche Wahlverliererin hätte sie später in der Union keine Chance mehr bekommen, glaubt Glos.
Seinerzeit stand der gelernte Müller aus Prichsenstadt am Gipfel seiner Karriere. Von Januar 1993 bis November 2005, so lange wie kein anderer in der Geschichte der Bundesrepublik, führte Michael Glos die CSU-Landesgruppe im Bundestag, das Machtzentrum der Bayern in Berlin. Nah dran schon, als Kanzler Helmut Kohl und CSU-Chef Theo Waigel die deutsche und die europäische Einheit managten, galt er in rot-grünen Regierungszeiten als Speerspitze der Opposition. Vor allem an den Ministern Joschka Fischer und Jürgen Trittin arbeitete sich der knorrige Franke gerne ab – mit platter Polemik ebenso wie mit feinem Witz.
Mit dem Amt des Wirtschaftsministers fremdelte Michael Glos
Dann kam der November 2005. Merkel beerbte SPD-Kanzler Schröder, Stoiber sollte als "Superminister" aus München nach Berlin wechseln, trat dann aber plötzlich den Rückzug an. Statt des CSU-Chefs musste Michael Glos ran – und Wirtschaftsminister werden. Für viele andere wäre die Berufung ins Bundeskabinett die Krönung der politischen Karriere gewesen, Glos indes fremdelte mit dem neuen Amt. Das Klein-Klein in einer Behörde bedurfte eines anderen Umgangs als die Organisation des Machtapparats in der Fraktion. Schnell war Glos öffentlichem Spott ausgesetzt. "Nicht mal hundert Tage Schonfrist" hätten ihm die Wirtschaftsjournalisten gewährt, klagte er später. Im Rückblick fällt die Bilanz der gut drei Jahre aber positiv aus. Gemeinsam mit Merkel und SPD-Finanzminister Peer Steinbrück half der Prichsenstädter mit, dass Deutschland die Finanzkrise 2008 besser als viele andere Volkswirtschaften überstand.
Das Ende als Minister im Januar 2009 war einmal mehr typisch Glos. Nachdem sein Intimfeind Horst Seehofer neuer starker Mann der CSU in München geworden war, hatte er keine rechte Lust mehr – und bot seinen Rücktritt an. Im Herbst des gleichen Jahres kandidierte er ein zehntes und letztes Mal für den Bundestag. Seit 1976 hatte der CSU-Politiker den Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen als direkt gewählter Abgeordneter vertreten. Zum Abschied aus der Bundespolitik ließ er es 2013 noch einmal krachen. Zum Empfang in Berlin kam sogar Helmut Kohl, im Sommer beim Casteller Weinfest feierte Angela Merkel als Ehrengast mit.
Zu Beginn des Ruhestands noch ein wenig als Wirtschaftsberater tätig, ist der zweifache Vater Michael Glos mittlerweile vor allem als Familienmensch und Opa gefragt.