Weiß-blau ist er bekanntlich, der Himmel der Bayern. Und wenn die CSU zum Feiern ruft, dann ist er gleich noch ein bissel weiß-blauer, zumindest am Donnerstag, als Michael Glos zu einer Riesenparty nach Castell geladen hatte. Ein Bilderbuch-Festwetter ist an diesem Abend sozusagen das Sahnehäubchen auf eine 37-jährige Zeit als CSU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, die für den jetzt 68-jährigen Prichsenstädter Glos nach den Wahlen am 22. September endet.
Mit Selbstbeweihräucherung hat es Glos nie gehabt, deshalb steht der Abend im Casteller Schlosspark auch unter dem Motto „Michael Glos bedankt sich“. Eingeladen sind CSU-Mitglieder und Weggefährten aus ganz Unterfranken. Rund 2500 Besucher sind ins beschauliche Castell gekommen, um ihrem „Michl“ zumindest politisch Adieu zu sagen. Danach stellen sie sich geduldig an der Essensausgabe an, wo fast im Sekundentakt Bratwürstchen, Steaks und Schoppen über die Theke gehen.
Dass mit Michael Glos nicht nur irgendein langjähriger Bundestagsabgeordneter aus dem Parlament scheidet, muss man in Unterfranken und im Landkreis Kitzingen wohl niemandem erklären.
Den auf seine Bodenständigkeit stolzen Müllermeister aus Brünnau hat es nicht allzu lange auf den hinteren Bänken des Parlaments gehalten. Spätestens seit seiner Wahl zum CSU-Landesgruppenchef 1993 hatte er sich den Ruf des gewieften Strippenziehers erarbeitet. In Castell erinnert Glos an seine politische Anfangszeit: Wie er zur Bundestagswahl 1976, vorgeschlagen von Albrecht Fürst zu Castell-Castell, mit nur einer Stimme Mehrheit als Kandidat nominiert wurde, oder wie er das einst rote Schweinfurt eroberte: „Da hat es doch anfangs geheißen: ,Arbeiter, wählt keinen Unternehmer!‘“
Nun, die alten Schlachten sind geschlagen, die jüngeren auch. In Castell erleben die Besucher einen abgeklärten, entspannten Glos, der kurz vor 18 Uhr das Publikum wissen lässt, dass es noch einen besonderen Gast geben wird. Wenige waren eingeweiht, für die meisten im Schlosspark ist es eine Überraschung: Die Kanzlerin kommt.
Minuten später Hubschrauberlärm überm Schlosspark. Von einer Wahlveranstaltung in Aschaffenburg lässt sich Angela Merkel nach Castell fliegen, um Glos persönlich danke zu sagen – wohlwissend, dass das Verhältnis der Schwesterparteien CDU und CSU nicht immer in solchen Sonnenschein getaucht war (und ist) wie die Casteller Party. „Ein Landesgruppenchef ist zwar ein freier Mensch. Aber München ist ja auch nicht weg von der Landkarte“, beschreibt sie das bisweilen spannungsvolle Miteinander der Unionsparteien in der Fraktionsführung, von Konrad Adenauer einst als „Vorhof der Hölle“ bezeichnet.
Glos habe es aber – auch in seinen Regierungsämtern – verstanden, die Balance zu halten: „Michl Glos hat den Bogen nie überspannt.“ Dass die Kanzlerin dann Glos' Heimatstadt versehentlich in „Prichsenstein“ umbenennt, sorgt an den Tischen ebenso für Heiterkeit wie der Umstand, dass Angela Merkel süffisant die neuen Seiten im Leben ihres ehemaligen Ministers beschreibt: Sogar Nordic-Walking-Stöcke würde der neuerdings benutzen.
In der Bilanz beschreibt Merkel ein Verhältnis zweier Politiker, das zu Beginn vielleicht keines auf Augenhöhe war, mit der Zeit aber sehr wohl eines wurde: „Wer mich unterschätzt, hat schon verloren“, kolportiert die Kanzlerin eine Aussage über sich selbst und sagt dann über Glos: „Ich wusste, dass das bei ihm genauso ist.“ „Gebt ihm noch ein paar Aufgaben hier“, ruft sie ins Mikro, was Glos mit seinem bekannt-vielsagenden Lächeln quittiert.
Aufgaben hat dann zunächst mal die Kanzlerin zu absolvieren. Das Gedränge um den Merkel-Tisch ist enorm, die Autogrammkarten sind begehrt, das persönliche Erinnerungsfoto erst recht. Die meisten Besucher halten es angesichts des Gewühles an der Promi-Bank dann aber wie die Dame, die zu ihrer Freundin sagt: „Ich glaub', viel mehr sehen wir heute nimmer. Ich hol' mir mal 'ne Bratwurscht.“ Vielleicht ist das der Moment, in dem auch Michael Glos gern für fünf Minuten in Ruhe seinen Schoppen trinken würde.