Leicht ist ihm der Abschied aus der Politik im vergangenen Jahr nicht gefallen, gesteht Michael Glos. Allerdings genieße er es, „weiter einiges machen zu können ohne zu müssen“, sagt der frühere Bundeswirtschaftsminister und CSU-Landesgruppenchef.
Es gibt eben schlimmere Ruhestandsschicksale als das seine: Glos ist als Vortragsredner und Wirtschaftsberater international gefragt, mit seiner Firma, der „West-East-Contact GmbH“ (WEC), residiert er in der Friedrichstraße im Herzen Berlins – als „Untermieter“ der Hauptstadt-Repräsentanz des Baustoff-Giganten Knauf. An diesem Sonntag ist er indes weder in Berlin noch im heimischen Prichsenstadt (Lkr. Kitzingen) zu erreichen. Mit Ehefrau Ilse feiert er seinen 70. Geburtstag auf einer Insel in Asien. Mehr will er nicht verraten.
Auf großen Rummel anlässlich des Ehrentags verzichtet der CSU-Mann heuer. Die Glos-Feierlichkeiten im vergangenen Jahr seien nicht zu toppen, lacht der 70-Jährige. Damals verabschiedete er sich zum einen bei einem Empfang der Landesgruppe in Berlin, zu dem viele Weggefährten aus knapp vier Jahrzehnten Bundespolitik gekommen waren, allen voran Altkanzler Helmut Kohl. Und dann gab es noch eine große Fete beim Weinfest in Castell (Lkr. Kitzingen), zu der eigens die Bundeskanzlerin einflog. Mit Angela Merkel feiern, diese Ehre kommt nicht vielen zu.
Sie mögen sich, die studierte Physikerin Merkel und der gelernte Müller Glos. Beiden war die politische Karriere nicht in die Wiege gelegt, beide haben sich immer wieder als knallharte Machtpolitiker erwiesen. Und es ist mehr als nur Koketterie, wenn Glos darauf verweist, dass die Pfarrerstochter aus dem Osten ohne sein Zutun nie Kanzlerin geworden wäre. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 sei ihm klar gewesen, sagt der damalige CSU-Landesgruppenchef, dass die Union nur mit Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat eine Chance gegen Gerhard Schröder hatte. Gleichzeitig sei es ihm damals aber auch darum gegangen, Merkel „zu schonen“. Als mutmaßliche Verliererin der Wahl hätte sie später in der Union „vermutlich“ keine Chance mehr auf das Kanzleramt bekommen, glaubt Glos. „2005 war der Weg dann frei für sie.“
Da war er wieder, der „Strippenzieher“ aus Prichsenstadt, seine liebste, auch seine stärkste Rolle. Von Januar 1993 bis November 2005, so lange wie kein anderer, stand Glos an der Spitze der CSU-Landesgruppe. Zuvor schon finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, war er nah dran, als Helmut Kohl und Theo Waigel die deutsche und die europäische Einheit managten. In rot-grünen Zeiten galt Glos als Speerspitze der Opposition, vor allem an den Ministern Joschka Fischer und Jürgen Trittin hat er sich gerne abgearbeitet – mit platter Polemik genauso wie mit feinem Spott.
Zu seinem Abschied würdigten Kollegen die „fränkische Bauernschläue“, mit der er sich im Ränkespiel um die politische Macht behauptete und der CSU Einfluss sicherte. Wolfgang Bötsch, sein Vorgänger als Landesgruppenchef, sprach von der „Intelligenz der praktischen Vernunft“, die den Müllermeister auszeichnete. Als „Generalist“ war er auf allen Politikfeldern zu Hause, musste nur wenig Rücksicht nehmen.
Das wurde 2005 plötzlich anders. Weil Edmund Stoiber es sich nach der von der Union knapp gewonnenen Bundestagswahl plötzlich anders überlegte und nicht mehr ins Kabinett Merkel wollte, musste Glos als Wirtschaftsminister ran. Ein Amt, mit dem er erkennbar fremdelte. Das öffentliche Echo war verheerend. Nicht einmal hundert Tage Schonfrist habe ihm die Wirtschaftspresse gegönnt, klagte er später. Gleichwohl blickt er auf die drei Jahre durchaus mit Stolz zurück. Damals seien in der Großen Koalition die Entscheidungen getroffen worden, dank denen Deutschland die Finanzkrise vergleichsweise gut überstanden hat. Im Februar 2009 trat Glos als Minister zurück, „weil alle Aufgaben erfüllt waren“, wie er sagt, aber auch, weil sich innerhalb der CSU die Machtverhältnisse verschoben hatten. Horst Seehofer war der neue starke Mann in der Partei, einer, mit dem Glos schon länger so gar nicht konnte.
Er blieb als Abgeordneter noch vier Jahre in Berlin. Zehnmal wurde der zweifache Vater als Vertreter des Wahlkreises Schweinfurt/Kitzingen direkt in den Bundestag gewählt, 1976 zum ersten Mal. Die fränkischen Wurzeln sicherten ihm die Bodenhaftung und verhinderten, dass er im Haifischbecken Berlin allzu sehr abhob oder sich verhedderte. Suizide habe er dort erlebt, Abstürze in den Alkoholismus, hat Michael Glos mal erzählt. Gefährdet sei auch er durchaus gewesen, geholfen habe ihm, dass er nie allein in seiner Wohnung Alkohol getrunken habe.
Und heute? Juckt es ihn noch, die Finger zu heben, wenn er die Politik der aktuellen Regierung erlebt? „Manchmal ein bisschen“, gesteht der 70-Jährige, bremst dann aber ab. Sein Wissen reiche nicht mehr aus, um beispielsweise die Russland-Politik zu beurteilen, beteuert er. Abnehmen muss man ihm das nicht.